Gelsenkirchen. . Auf dem Landesparteitag der Piratenpartei haben sich ihre Mitglieder neu aufgestellt. Sie wollen wieder mehr öffentliche Aufmerksamkeit für ihre Ideen erregen.
Wenn Piraten in den vergangenen Tagen und Wochen in den Schlagzeilen standen, handelte es sich meist um somalische Seeräuber, die einmal mehr im indischen Ozean einen deutschen Frachter gekapert haben. Um die demokratisch legitimierten Freibeuter hierzulande ist es dagegen still geworden. Seit der Landtagswahl in NRW im Mai hat die Piratenpartei in der Öffentlichkeit kaum stattgefunden. Und genau das ist ihr Problem, aber nicht das einzige.
Der Arbeitskreis „Schnittchen“ hat seine Arbeit aufgenommen. Der Duft von gebratenen Zwiebeln zieht durch das Forum der Gesamtschule Berger Feld in Gelsenkirchen, das die Piraten als Ort für ihren Landesparteitag gewählt haben. Dann fällt ein Satz fällt, der den Zustand der Partei in NRW gut beschreibt. „Beim letzten Mal haben wir den Laden hier vollgemacht. Jetzt sind viele Plätze leer. Das ist enttäuschend“, sagt Michele Marsching, der wenig später zum neuen Vorsitzenden gewählt wird.
Aderlass nach Landtagswahl
Viele Piraten haben die Partei wieder verlassen, nachdem es im Mai 2010 und einem Stimmenanteil von 1,5 Prozent mit dem erhofften Einzug in den Düsseldorfer Landtag nicht geklappt hat. Die Arbeitskreise haben daraufhin ihre Arbeit vielerorts eingestellt. Zu manchem Stammtisch, der zuvor ganze Kneipen gefüllt hat, verlor sich zuletzt nur ein einziger tapferer Pirat.
„Frustrierter Bürger“ steht auf dem schwarzen T-Shirt einer langhaarigen Piratin. So hat sie es wohl nicht gemeint, doch der Spruch passt zur Stimmung innerhalb der Partei. Die Motivation vielerorts ist futsch. Das jedenfalls klingt durch bei den Redebeiträgen an diesem Sonntagmorgen.
Im Kielwasser der Piraten
Dabei gäbe es für die Technik- und Internet-Partei in den aktuellen Debatten um Datenschutz (Google Street View) und Sicherheit in Sozialen Netzwerken wie Facebook genug Gelegenheit, sich mit ihrer unbestritten vorhandenen Expertise zu positionieren und Aufmerksamkeit zu erregen. Bis auf eine Ausarbeitung zum Staatsvertrag für Jugendschutz in den Medien, dessen Beschluss Ende des Jahres scheiterte, blieben die Wortgeschütze des Piratenboots jedoch stumm. „Das haben wir klar verpennt“, sagt ein Mitglied des Bundesvorstandes. Journalisten, die zu den besagten Themen eine Stellungnahme der Partei einholen wollten, haben in der Pressestelle der Piraten niemanden erreicht.
Stattdessen segeln andere Parteien längst im Kielwasser der Piraten und wollen den Wählern aus der Netzgemeinde mehr Beteiligungsmöglichkeiten bieten. Die CSU gründete kürzlich einen Netzrat, dessen erste Konferenz 10.000 Menschen im Internet verfolgten und Horst Seehofer stellt sich Ende Februar auf Youtube live den Fragen der Bürger. „Wenn andere Parteien unsere Themen aufgreifen ist das doch gut. Hauptsache, sie werden angegangen. Ich hab nichts dagegen, wenn wir uns überflüssig machen“, sagt Birgit Rydlewski. Sie war bis zum heutigen Sonntag NRW-Landesvorsitzende.
Nötige Selbstdefinition
Andere in der Partei denken da anders. Deswegen fallen an diesem Tag besonders häufig Worte wie „Wahrnehmung“ und „mediale Aufmerksamkeit“. Die Piraten wollen ernst genommen werden und verhindern, dass ihnen die etablierten Parteien in ihrer Kernkompetenz den Rang ablaufen. Schließlich ist 2011 auch ein Jahr der Entscheidung für die junge Partei. Bei den Landtagswahlen insbesondere in Hamburg und Berlin rechnet sie sich Chancen aus, über die Fünf-Prozent-Hürde zu springen. Sind die Piraten am Ende des Jahres in keinem Landesparlament vertreten, könnte dies den Mitgliederschwund noch verstärken. Sollte es so kommen, sei das jedoch kein Grund zur Kapitulation. Schließlich verstehe man sich als ein Langzeitprojekt, dem ein gewisses Gesundschrumpfen nicht schaden könne, heißt es aus dem Bundesvorstand. Dadurch könne man sich dann auf die Stärken konzentrieren.
In Nordrhein-Westfalen ist genau das das Problem, oder wie es Michele Marsching formuliert: „Wir wollen anders sein, als die anderen Parteien, nur wissen wir nicht wie.“ In den vergangenen Monaten habe sich die Piratenpartei in NRW zu sehr mit sich selbst beschäftigt. Mit dem Aufbau einer Satzung und der Parteistruktur, zu der alle Mitglieder basisdemokratisch etwas beitragen können und dies auch tun, haben sich die Piraten in viele interne Scharmützel verstrickt, die viele Ressourcen gebunden haben. „Viele denken in die gleiche Richtung, nur müssen wir uns noch klarer positionieren“, sagt Marsching. Mit einer Satzungsänderung, die dem Vorstand erlaubt, Stellung zu beziehen, ohne das immer mit dem Rest der Partei abstimmen zu müssen, soll das nun geschehen. Manchmal kann Basisdemokratie in ihrer reinsten Form eben auch dazu führen, dass man sich selbst im Weg steht.
Dies zu erkennen ist schon Mal ein Anfang. Schiff ahoi!