Bochum. .

Nach einer Bewährungsstrafe für einen Steuerstraftäter, der fast 2,3 Millionen Euro hinterzogen hatte, ist der Bundesgerichtshof mit der Bochumer Strafjustiz hart ins Gericht gegangen. Der 1. Strafsenat hält das Urteil für zu milde und mehrfach rechtsfehlerhaft.

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat das Bochumer Landgericht dafür gescholten, dass es einen Steuerstraftäter viel zu milde bestraft hat. Der 33-jährige Inder war mit „Bewährung“ davongekommen, obwohl er Steuern in Millionenhöhe hinterzogen hatte.

Die 2. Wirtschaftsstrafkammer in Bochum hatte den Steuersünder am 1. Oktober 2010 zu einem Jahr und zehn Monaten Haft auf Bewährung verurteilt. Der Täter hatte von Juli 2007 bis Oktober 2008 massenhaft Telefonkarten schwarz ein- und verkauft und mit Scheinrechnungen operiert. Weil er über keine Arbeitserlaubnis verfügte, hatte er zwei Unternehmen gegründet, die er mit Strohleuten führte. Dabei hinterzog er Umsatzsteuern von knapp 2,3 Millionen Euro. Trotzdem musste er nicht hinter Gitter.

„In mehrfacher Hinsicht - zugunsten des Angeklagten - rechtsfehlerhaft“

Das stieß beim 1. Strafsenat des BGH auf deutliche Kritik. Die Strafzumessung sei „in mehrfacher Hinsicht - zugunsten des Angeklagten - rechtsfehlerhaft“, heißt es in einem Beschluss. Die Bundesrichter sprechen von „Begründungsmangel“ und „Wertungsfehler“. Erst Ende 2008 hatte der BGH festgelegt, dass ab einer Million Euro Steuerschaden keine Bewährung mehr möglich sei, wenn nicht „besonders gewichtige Milderungsgründe“ vorlägen. Die sieht der BGH hier aber nicht: „Milderungsgründe, die so schwer wiegen, dass die Anwendung des erschwerten Strafrahmens unangemessen erscheint, sind hier nicht in ausreichendem Maße dargetan.“

Die Bochumer Landrichter hatten trotzdem Bewährung gewährt: Der Täter habe eine „günstige Sozialprognose“. Außerdem sei er geständig und nicht einschlägig vorbestraft. Der Schaden sei auch beglichen worden. Aber das alles ließ der BGH nicht gelten – zumal der Angeklagte „besondere unternehmerische Strukturen aufgebaut hat, um seinen durchgehend steuerunehrliche Handel zu betreiben“.

Vermutung eines Deals

Der BGH kritisierte aber auch die Staatsanwaltschaft. Sie hätte prüfen müssen, ob sie Rechtsmittel einlegt, weil die Strafe zu milde sei. Das hatte sie nicht getan, denn sie hatte eine Gefängnisstrafe ebenfalls als zu hart empfunden. Zwei Jahre Haft auf Bewährung lautete ihr Antrag. Der BGH vermutet, dass es zwischen allen Parteien „eine Verständigung“ gegeben habe – und dies außerhalb des Protokolls und damit gegen die Vorschrift.

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Von Bernd Kiesewetter

Der Bochumer Oberstaatsanwalt Gerrit Gabriel hat das Prozessverhalten am Montag verteidigt. Auf WAZ-Anfrage sagte er, dass es damals rechtliche Probleme bei der Bemessung des Steuerschadens gegeben habe. In anderen Bundesländern würde er anders berechnet, so dass man dort nur auf ein Viertel jener 2,3 Millionen Euro gekommen wäre. Außerdem habe der Angeklagte bei der Tataufklärung mitgeholfen. Gabriel bestritt auch, dass es einen Deal gegeben habe.

Landgericht gibt keinen Kommentar

Das Landgericht wollte sich zu der BGH-Schelte am Montag nicht äußern. Ein Sprecher: „Wir kommentieren diese BGH-Entscheidung nicht.“

Der Fall wäre gar nicht zum BGH gelangt, hätte ausgerechnet der so milde behandelte Steuerstraftäter selbst Revision eingelegt. Die hatte der BGH als unbegründet abgeschmettert – und dies zugleich mit harscher Kritik am Urteil verknüpft. Zwei Mitangeklagte hatten sogar 4,7 Mio Euro Steuern hinterzogen - und ebenfalls Bewährung erhalten. Sie hatten aber von Rechtsmitteln Abstand genommen.