Tripolis. . Der Aufstand in Libyen gerät wieder ins Stocken. Gaddafi-Truppen haben mehrere Städte zurück erobert. Die Rebellen befinden sich auf dem Rückzug. Derweil ist wohl der libysche Außenminister nach Großbritannien geflohen.
Der libysche Außenminister Mussa Kussa hat Kreisen zufolge dem Machthaber Muammar Gaddafi die Gefolgschaft gekündigt und ist nach Großbritannien geflohen. Dort wolle er einen um politisches Asyl bitten, erfuhr Reuters von einer dem Minister nahestehenden Person am Mittwoch. Demnach flüchtete er, weil er gegen Angriffe auf die Zivilbevölkerung gewesen sei.
Zuvor hatte die libysche Regierung erklärt, Kussa sei auf einer diplomatischen Reise. Der Außenminister gehörte zum inneren Kreis um Gaddafi, dessen Truppen seit Wochen gegen Rebellen kämpfen.
Gaddafi-Truppen schlagen libysche Rebellen in die Flucht
Im Machtkampf mit Libyens Staatschef Muammar Gaddafi geraten die Rebellen zusehends in die Defensive. Truppen Gaddafis eroberten in rascher Folge die Orte Naufalija, Bin Dschawad und Ras Lanuf entlang der Küste zurück, nachdem der zunächst rasante Vorstoß der Aufständischen vor der strategisch und symbolisch wichtigen Stadt Sirte zu Wochenbeginn gestoppt worden war. Truppen von Machthaber Muammar el Gaddafi hätten nun auch die Stadt Brega zurückerobert, hieß es am Mittwoch von Seiten der Rebellen.
Hinweise darauf, dass die Luftwaffe westlicher Staaten in größerem Umfang in die Kämpfe eingriff, gab es am Mittwoch zunächst nicht. Unter dem Eindruck der Unterlegenheit der Aufständischen mehrten sich die Rufe nach einer Bewaffnung der Rebellen. Dies ist jedoch in der Staatengemeinschaft umstritten.
Die Rebellen zogen sich aus Ras Lanuf zurück, nachdem Gaddafi-Truppen die Hafenstadt mit Ölverladestation mit Artillerie und Raketenwerfern unter Beschuss nahmen. Auch in Naufalija und Bin Dschawad wichen die Aufständischen der überlegenen Feuerkraft der libyschen Armee. „Dies sind unsere Waffen“, sagte Mohammed, ein Kämpfer der Rebellen und zeigte auf sein Sturmgewehr. „Damit können wir keine Raketen bekämpfen.“ In zum Teil rasendem Tempo zogen sich die Rebellen in Richtung Brega zurück.
Gaddafi-Truppen machen über 100 Kilometer Geländegewinn
Damit verloren die Rebellen einen guten Teil bereits gewonnenen Terrains. Sie hatten sich auf ihren Vorstößen nach Westen Sirte genähert. Die Eroberung der Geburtsstadt Gaddafis wäre ein großer symbolischer Sieg gewesen und zudem von erheblicher strategischer Bedeutung. Brega, wo sich die Rebellen wieder sammelten, liegt 150 Kilometer weiter östlich. Kampfflugzeuge westlicher Staaten waren am Mittwoch über dem Kampfgebiet, flogen aber nach Erkenntnissen von Beobachtern keine größeren Angriffe.
Die Soldaten Gaddafis spielten nicht nur ihre bessere Ausrüstung aus, sondern auch ihre größere militärische Disziplin. Außerhalb von Sirte legten sie einen Hinterhalt und umgingen die Rebellen mit einem Flankenangriff aus der Wüste. Diesem organisiertem Vorgehen haben die Aufständischen bislang wenig entgegenzusetzen. Oft gehen die verschiedenen Gruppen unkoordiniert vor, zu abgestimmten Angriffen kommt es meist erst nach hitzigen Debatten. Mehrmals haben die aus militärisch untrainierten Zivilisten bestehenden Rebellen-Truppen fluchtartig ihre Stellungen verlassen, wenn sie unter schweren Beschuss der Gaddafi-Truppen gerieten.
Obama schließt Bewaffnung der Rebellen nicht aus
Mehrere westliche Staaten erwägen angesichts der militärischen Schwäche der Rebellen, diese mit modernen Waffen auszurüsten. In New York schloss dies US-Präsident Barack Obama nicht aus. Dem Sender „NBC News“, sagte er, bereits genehmigt seien Lieferungen von Kommunikationssystemen und medizinischer Ausrüstung. Möglicherweise würden die Rebellen auch in Transportfragen unterstützt.
US-Außenministerin Hillary Clinton erklärte, Waffenlieferungen an die Rebellen seien von der UN-Resolution zur Flugverbotszone über Libyen und zum Schutz der Bevölkerung gedeckt. Auch ihr britischer Kollege William Hague sagte, die UN-Resolution umfasse die Bewaffnung der Menschen zur Selbstverteidigung. Frankreichs Außenminister Alain Juppe hatte zwar keine Einwände gegen Waffenlieferungen, betonte aber, dies werde nicht durch das UN-Mandat abgedeckt.
Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen lehnte eine Bewaffnung ebenso wie Russland ab. „Wir sind hier, um den Menschen zu helfen, nicht um sie zu bewaffnen“, sagte er dem Sender „Sky News“. Russlands Außenminister Sergej Lawrow sagte, in dieser Frage stimme er Rasmussen hundertprozentig zu.
China mahnte die westlichen Staaten, die Lage in Libyen könne nur durch einen Dialog gelöst werden. Ein Sprecher des Auswärtigen Amts erklärte, für die Bundesregierung gelte das in den UN-Resolutionen 1970 und 1973 festgeschriebene Waffenembargo. „Grundsätzlich steht für uns im Fordergrund, dass die die Voraussetzungen für einen politischen Prozess geschaffen werden.“ (rtr/dapd)