Washington/London/Tripolis. US-Präsident Barack Obama hat die Luftangriffe auf Libyen verteidigt. Die US-Truppen hätten „Gewalt von entsetzlichem Ausmaß“ verhindert. Zugleich warnte er vor einer Ausweitung der Militäreinsätze. In London beraten ab heute 40 Außenminister über die Lage in Libyen.
Die USA bemühen sich um einen baldigen Rückzug von Libyens Machthaber Muammar Gaddafi, wollen dies nach den Worten von Präsident Barack Obama aber nicht mit Gewalt erzwingen. Es wäre ein Fehler, den Militäreinsatz der Alliierten auszuweiten, sagte Obama am Montag in Washington. Der gewaltsame Sturz des Machthabers sei nicht das Ziel. „Diesen Weg sind wir im Irak gegangen“, sagte Obama in Anspielung auf den unter der Führung seines Vorgängers George W. Bush begonnenen umstrittenen Krieg. Seit Beginn des internationalen Einsatzes vor etwa anderthalb Wochen wurden 735 Luftangriffe geflogen, erklärte das US-Militär.
Obamas Ansprache erfolgte im Vorfeld einer internationalen Konferenz über die Situation in Libyen. Außenminister aus rund 40 Staaten werden dazu erwartet. Muammar Gaddafi wird nicht daran teilnehmen.
„Wenn unsere Interessen und Werte auf dem Spiel stehen, haben wir eine Verantwortung zu handeln“ , erklärte der Präsident. In Libyen habe „Gewalt von entsetzlichem Ausmaß“ gedroht. „Und heute Abend kann ich berichten, dass wir Gaddafis tödlichen Vormarsch gestoppt haben“, Ziel des Einsatzes sei es, ein Massaker Gaddafis an seinem eigenen Volk zu stoppen, betonte Obama.
Furcht vor einem dritten Kriegseinsatz
Nach der vereinbarten Übergabe des Kommandos an die Nato an diesem Mittwoch würden die USA den Verbündeten etwa mit Erkenntnissen ihrer Nachrichtendienste und logistischer Unterstützung helfen. Zudem wolle man den Geldzufluss der Führung in Tripolis abschneiden sowie die Opposition unterstützen. Obama räumte jedoch ein, dass sich Gaddafi trotz des Militäreinsatzes an der Macht halten könnte.
Zahlreiche Amerikaner, allen voran die oppositionellen Republikaner, fordern klare Vorgaben zum Ziel des Einsatzes. Eine Antwort auf die Frage, wie lange sich der Einsatz in Nordafrika ziehen könnte, gab Obama in seiner Rede jedoch nicht. Viele Amerikaner fürchten, die USA könnten nach den Kriegen im Irak und in Afghanistan auf unabsehbare Zeit in einen dritten Konflikt in einem muslimischen Land hineingeraten.
Luftangriffe auch im Westen des Landes
Die Gegend um Tripolis ist nach Angaben von Augenzeugen am Montagabend erneut von mehreren Explosionen erschüttert worden. Insgesamt neun Detonationen hätten sich in Tadschura unweit der libyschen Hauptstadt ereignet, sagten Bewohner. Sie machten Angriffe der internationalen Koalition gegen Machthaber Muammar el Gaddafi für die Explosionen verantwortlich.
Muammar al Gaddafi
Die amtliche Nachrichtenagentur Jana berichtete von internationalen Luftangriffen auf Stellungen von Gaddafi-Truppen in den Regionen Mesda, Sorman und Gharjan im Zentrum und im Westen des Landes. Der „westliche Aggressor“ habe dort „militärische und zivile Gelände“ attackiert. Das Staatsfernsehen zeigte Bilder von zerbrochenen Fensterscheiben und mit Blut überströmten Betten in einem angeblich angegriffenen Krankenhaus in Mesda.
Ein Bewohner der Stadt Gharjan erklärte, es habe Angriffe auf Waffen- und Munitionsdepots gegeben. Die Regionen Gharjan und Mesda dienen den Gaddafi-Truppen nach Angaben der Aufständischen als Stützpunkte bei ihren Offensiven gegen von Rebellen kontrollierte Städte wie Sintan und Jefren.
Rebellen wollen Öl exportieren
Die libyschen Rebellen haben in den vergangenen Tagen nach Ansicht der USA nur wenige Erfolge erzielt. Die Oppositionellen seien nicht stark, sagte US-Vizeadmiral Bill Gortney am Montag. Bei Angriffen der internationalen Allianz auf Gaddafis Truppen seien innerhalb von 24 Stunden sechs Marschflugkörper vom Typ Tomahawk abgefeuert und 178 Lufteinsätze geflogen worden, sagte der Vizeadmiral in Washington. Seit Beginn des Einsatzes habe es 199 Angriffe mit Tomahawks gegeben.
Mit der Übergabe des Libyen-Kommandos an die Nato planen die USA, schrittweise mehrere Schiffe aus dem Mittelmeer abzuziehen.
Die libyschen Rebellen setzen sich dafür ein, die Sanktionen für Ölexporte aus dem von ihnen beherrschten Osten des Landes aufzuheben. Auch ein Vertreter des US-Finanzministeriums erklärte, die Rebellen könnten Öl ins Ausland verkaufen, wenn sie dabei Gaddafis Organisationen umgingen.
Humanitäre Hilfe fehlt
Großbritannien und Frankreich haben die Anhänger des libyschen Machthabers aufgerufen, sich von Gaddafi loszusagen. „Wir rufen seine Gefolgsleute auf, ihn zu verlassen, bevor es zu spät ist“, hieß es in einer gemeinsamen Erklärung. Der Neuanfang in Libyen erfordere eine breitere Unterstützung der arabischen Staaten, sagte Premierminister David Cameron im britischen Unterhaus. Außerdem müsse humanitäre Hilfe für die von den Aufständischen kontrollierten Gebiete im Osten des Landes bereitgestellt und ein Plan für die Zeit nach dem Konflikt entwickelt werden.
Deutschland soll helfen beim Wiederaufbau
Frankreichs Regierungspartei UMP erwartet von Deutschland eine tragende Rolle beim Wiederaufbau Libyens. Trotz der Nichtbeteiligung Deutschlands am internationalen Militäreinsatz gehe er davon aus, „dass Deutschland in der - genau so wichtigen - Phase des Wiederaufbaus und der Erneuerung der Verbindungen über das Mittelmeer hinweg seiner Rolle voll und ganz gerecht werden wird“, sagte der UMP-Generalsekretär Jean-Francois Copé dem „Tagesspiegel“. Die Phase des Wiederaufbaus werde „notwendigerweise auf diese Intervention folgen“. Die Enthaltung Deutschlands im UN-Sicherheitsrat bei der Abstimmung über Libyen-Einsätze nannte Copé als eine „Entscheidung, die wir natürlich bedauern, aber völlig respektieren“. (rtr/afp/dapd)