Düsseldorf. Die AfD erzielt mit einem Euro für Wahlwerbung viel mehr Reichweite als zum Beispiel die Grünen. Die Begründung ist kurios.
Dominik Bär, der an der Ludwig-Maximilians-Universität München zur KI forscht, erklärt den Einfluss des Meta-Algorithmus auf Wahlwerbung.
Herr Bär, schneiden populistische Rechtaußen-Parteien mit Wahlwerbung auf den Social-Media-Plattformen Instagram und Facebook besser ab? Wenn ja, warum?
Dominik Bär: In unsere Studie haben wir alle Daten einbezogen, die wir von Meta zur Verfügung gestellt bekommen haben. Auf Basis dieser Daten haben wir verglichen, wie ähnliche Werbeanzeigen der Parteien jeweils bei der Reichweite abschneiden. Wir konnten sehen, dass Anzeigen der AfD grundsätzlich eine höhere Reichweite pro ausgegebenem Euro erhielten. Dafür haben wir zwei Vermutungen. Zum einen könnte es an der Sprache der Posts liegen. Wir wissen aus anderen Studien zu Sozialen Medien, dass sich zum Beispiel schlechte Nachrichten sowie emotionaler und negativer Content besser verbreiten. Das könnte auch bei Werbeanzeigen der Fall sein. Die zweite Idee ist, dass der Algorithmus andere Zielgruppen für die AfD auswählt. Nehmen wir als Gegenbeispiel Werbeanzeigen der Grünen. Bei diesen denkt der Algorithmus vielleicht: Die kommen eventuell bei einem sehr bürgerlichen, wohlhabenderen, städtischen Milieu gut an. Genau da konkurrieren sie aber mit vielen kommerziellen Werbetreibenden, wie zum Beispiel Adidas. Für die ist diese Zielgruppe auch attraktiv. Durch diesen Wettbewerb werden die Anzeigen teurer. Das wäre ein zweiter Erklär-Versuch. Es ist allerdings schwer zu sagen, woran es genau liegt. Vor allem, weil wir nicht in den Algorithmus hineinschauen können.
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Welche Risiken aber auch Chancen sehen Sie im Hinblick auf bezahlte Wahlwerbung in den sozialen Medien?
Dominik Bär: Wir sehen hauptsächlich zwei Probleme. Das eine Problem ist der Fairnessgedanke. Für eine ähnliche Anzeige sollte jede Partei die gleiche Reichweite pro ausgegebenem Euro erzielen. Außerdem sehen wir die Schwierigkeit der Partizipation. Wir haben festgestellt, dass manche Parteien deutlich mehr Frauen oder deutlich mehr Männer erreichen als andere. Das ist problematisch, weil sich die Gruppen so nicht in dem gleichen Umfang über das Angebot der anderen Parteien informieren können. Andererseits ist Werbung auf sozialen Medien vergleichsweise günstig. Dass eine Werbeanzeige auf dem Screen landet, hat die Parteien im Wahlkampf 2021 nur ein paar Cent gekostet. Das ist wirklich nicht teuer! Dementsprechend trägt Social Media zu einer gewissen Demokratisierung bei. Auch kleinere Kandidaten in den Wahlkreisen können eine große Zielgruppe erreichen – und das auch ziemlich genau. Wenn ich zum Beispiel hier in München meinen Wahlkreis habe, dann kann ich diesen Wahlkreis auf sozialen Medien sehr zielgerichtet bespielen und die Wähler und Wählerinnen punktgenau ansprechen. Das kann auch ein Vorteil für kleinere Parteien oder Kandidaten ohne große finanzielle Mittel sein.
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Warum sollte Wahlwerbung auf Social Media auch gesellschaftlich in den Blick genommen werden?
Dominik Bär: Es braucht noch viel mehr Forschung im Bereich ‚Targeting‘, also bei dem zielgerichteten Auswählen von Wahlwerbeinhalten für die einzelnen Zielgruppen. Man könnte beispielsweise Menschen, die sich besonders für Klimaschutz interessieren, Nachrichten schicken, die Klimaschutzaspekte hervorheben, obwohl das vielleicht gar nicht so ein bedeutender Punkt in dem Wahlprogramm der entsprechenden Partei ist. Anderen, denen vielleicht das Thema Migration wichtig ist, könnten folglich spezifisch Inhalte zum Thema Zuwanderung ausgespielt werden. „Es ist problematisch, wenn so widersprüchliche Aussagen an unterschiedliche Zielgruppen vermittelt werden könnten. Für uns als Wissenschaftler, aber auch für uns als Gesellschaft, ist es wichtig zu sehen, wie Inhalte vor allem im politischen Raum ausgespielt werden: Was gibt es für Probleme oder auch Verzerrungen und wie können wir das angehen.