Essen. Klimakrise, Heizungsgesetz, Elektroautos: Wie stehen die Parteien eigentlich zu Nachhaltigkeit? Ein Überblick über Themen, die das Land spalten.

  • Die Klimakrise wird im Wahlkampf kaum thematisiert. Dabei hängen Wirtschaftskrise und Migrationspolitik, zwei zentrale Themen der Bundestagswahl 2025, eng mit Klimaschutz zusammen.
  • In kaum einem anderen Politikfeld gehen die Meinungen so weit auseinander wie bei Nachhaltigkeits-Themen. Die AfD leugnet den Klimawandel, alle anderen Parteien wollen Deutschland klimaneutral machen.
  • In diesem Artikel lesen Sie, wie die Parteien in Deutschland zu den Zukunftsthemen Klimaschutz, Energie, Verkehr und Umweltschutz stehen.

Die Folgen des Klimawandels gehören zu den größten Sicherheitsrisiken für Deutschland. So steht es in einem aktuellen Report, den Wissenschaftler des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung und der Bundesnachrichtendienst im Auftrag des Auswärtigen Amtes verfasst haben. In ihrer Analyse kommen die Autoren zu dem Schluss: Je länger Klimaschutz aufgeschoben werde, „desto kleiner wird der Gestaltungsspielraum und desto politisch und ökonomisch teurer ist die Kurskorrektur“. Am 23. Februar ist Bundestagswahl. Welche Antworten haben die politischen Parteien, die sich zur Wahl stellen? Und wie stehen sie zu nachhaltigen Themen rund um Energie, Verkehr und Naturschutz? Ein Blick in die Wahlprogramme.

Der extrem trockene Sommer 2022 ließ den Pegel des Rheins unter die Nullmarke fallen. Bei Emmerich tauchten die Überreste eines 127 Jahre alten Schiffswracks auf.
Der extrem trockene Sommer 2022 ließ den Pegel des Rheins unter die Nullmarke fallen. Bei Emmerich tauchten die Überreste eines 127 Jahre alten Schiffswracks auf. © dpa | Unbekannt

Klimaschutz

Hitzerekorde, Extremwetter, verheerende Waldbrände, das wärmste Jahr seit Beginn der Messungen: Die Folgen der Klimakrise sind ein Dauerthema in der politischen Agenda. Doch das Thema polarisiert: Den Grünen wird ideologische Politik vorgeworfen, die AfD stellt den menschengemachten Klimawandel infrage. Konservative und Liberale warnen, dass Klimaschutz den Wohlstand gefährde. Wer schützt das Klima - und wer nicht?

Die Union verpflichtet sich in ihrem Wahlprogramm den Zielen des Pariser Klimavertrags, die Klimaneutralität bis 2045 hat sie zumindest „fest im Blick“. Aus Sicht von CDU/CSU aber brauche Klimaschutz eine starke Wirtschaft. Klimaschutzmaßnahmen dürften den „Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft“ nicht gefährden. Wichtigstes marktwirtschaftliches Werkzeug ist nach Ansicht der Union der EU-Emissionshandel in der EU, der als „Leitinstrument“ vorangebracht werden soll. Höhere Belastungen durch steigende CO2-Abgaben sollen zu höheren Entlastungen führen, als sozialer Ausgleich ist der „Klimabonus“ gedacht: Mit den CO2-Einnahmen aus dem Emissionshandel wollen CDU/CSU zuerst Stromsteuer und Netzentgelte und damit den Strompreis senken.

Auch die SPD bekennt sich in ihrem Wahlprogramm zu den beschlossenen Klimazielen Deutschlands und der EU. Die Partei verspricht, dass Klimaschutz sozial sein soll: Ein „Klimageld“ soll Haushalte im Zuge steigender CO2-Preise entlasten. Unterstützt werden sollen vor allem Haushalte, sich den Umstieg auf klimafreundliche Technologien ansonsten nicht leisten könnten. Klimafreundlich zu produzieren oder zu arbeiten, dürfe kein Wettbewerbsnachteil für Unternehmen in Deutschland sein.

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Die Alternative für Deutschland stellt in ihrem Wahlprogramm den menschengemachten Klimawandel infrage. Sie lehnt deshalb jede Form von Klimapolitik ab und will sowohl aus dem Pariser Klimaschutzabkommen als auch dem „Green Deal“ der EU aussteigen. Förderprogramme und Subventionen für den Klimaschutz will sie „ersatzlos“ streichen: „Die AfD lehnt daher jede Politik und jede Steuer ab, die sich auf angeblichen Klimaschutz beruft“, heißt es in dem Programm.

Die Grünen sind die einzige Partei, die Klimaschutz in allen Themenbereichen des Wahlprogramms verankert hat „Die Klimakrise ist eine der größten Sicherheitsrisiken des 21. Jahrhunderts“, heißt es darin, der Klimaschutz „eine zentrale Wettbewerbsfrage unserer Zeit.“ Um die Klimaneutralität Deutschlands zu erreichen, soll die „Idee der sozial-ökologischen Marktwirtschaft“ gestärkt werden. Auch die Grünen wollen, dass Menschen mit niedrigen und mittleren Einkommen „einen Großteil der Einnahmen aus der CO2-Bepreisung als ‚Klimageld‘ zurückbekommen“.

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Die FDP will als Leitinstrument der Klimapolitik will die FDP einen „einheitlichen europäischen Emissionshandel“ etablieren und plädiert für einen globalen CO2-Preis. Die Einnahmen aus dem Emissionshandel sollen als „Klimadividende“ an die Bürgerinnen und Bürger fließen. Nach den Vorstellungen der Freien Demokraten soll Deutschland nicht bis 2045 klimaneutral sein, sondern erst 2050, wie es auch das EU-weite Ziel vorsieht.

Die Linke will, dass „Reiche und Konzerne“ für den Klimaschutz bezahlen sollen. Die Länder des globalen Südens sollen beim Klimaschutz massiv unterstützt werden. Für die Bereiche Verkehr und Wärme sollen beim Klimaschutz wieder verbindliche Sektorziele gelten. An den Zielen des Pariser Klimaabkommen hält die Linke fest. Deutschland soll schon 2040 klimaneutral sein.

Das Bündnis Sarah Wagenknecht (BSW) hingegen bezeichnet das aktuelle Ziel Deutschlands, bis 2045 klimaneutral zu werden, als „Wunschdenken“ und will, dass fossile Energieträger weiter genutzt werden können. Die Technologie, unvermeidbare CO2-Emissionen aufzufangen und zu lagern, soll weiterentwickelt werden. Die CO2-Bepreisung hingegen soll abgeschafft, der Emissionshandel globalisiert oder ausgesetzt werden, da er sonst Wettbewerbsnachteile für Europa bringe.

Hier geht es zu den Wahlprogrammen der Parteien:

Braunkohle RWE
Die meisten Parteien setzen auf erneuerbare Energien wie die Windkraft und stehen hinter dem Kohleausstieg. Einzige Ausnahme ist die AfD, die den Stopp der Energiewende will. © AFP | Ina Fassbender

Energie, Verkehr und Naturschutz

Gas aus Russland, Atomkraft, Tempolimit, Waldschutz oder Verbrenner-Aus: Die Positionen der Parteien zu nachhaltigen Themen aus den Bereichen Umwelt, Energie und Verkehr liegen Lichtjahre auseinander. Wer steht für was?

CDU und CSU wollen an der „Option Kernenergie“ festhalten, aber auch erneuerbare Energien ausbauen: Neben Wind und Sonne sollen auch Biomasse oder Geothermie verstärkt genutzt werden. Das „Heizungsgesetz“ der Ampelregierung soll abgeschafft werden, auch das Aus für den Verbrennermotor und der Abbau der Agrardieselsubventionen sollen rückgängig gemacht werden. Der Hochlauf der Elektromobilität soll gefördert, die Ladeinfrastruktur für E-Autos „angemessen ausgebaut werden“. Gleichwohl setzt sich die Union für „Technologie-Offenheit ein. Auch alternative Antriebe, E-Fuels, Wasserstoff und nachhaltige Biokraftstoffe sollen getestet werden. Ein generelles Tempolimit auf Autobahnen lehnt die Union ab.  Den Erhalt von Lebensräumen und Arten ist für die Konservativen von zentraler Bedeutung. Naturschutzgebiete sollen aufgewertet und Moore wiedervernässt werden.

Die SPD lehnt einen Wiedereinstieg in die Atomenergie ab. Neben dem Ausbau der Erneuerbaren setzen die Sozialdemokraten auf die dezentrale Energieversorgung: Energienetze wie Fernwärme oder die Energiegewinnung in Form eines dorfeigenen Windparks sollen künftig eine größere Rolle spielen. Auch am Aus des Verbrennermotors hält die SPD fest. E-Autos sollen dann steuerlich gefördert werden, sofern die Fahrzeuge in Deutschland produziert werden. Die SPD will ein Tempolimit von 130 km/h auf Autobahnen. Um Natur und Ökosysteme zu schützen, setzen die Sozialdemokraten auf eine Flächenplanung, die ein „konfliktfreies Miteinander“ von Landwirtschaft, Industrie, Wohnen und Naturschutz ermöglicht. Mittel sollen flächendeckend eingesetzt werden, um Wälder, Moore, Flussauen oder Stadtgrün zu schützen.

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Die AfD fordert das Ende der Energiewende und will den Ausbau von Wind- und Solarenergie stoppen. Die Partie will den Wiedereinstieg in die Atomenergie einleiten weiter Kohlekraftwerke zur Energiegewinnung einsetzen. Auch soll nach dem Willen der AfD weiter Gas aus Russland strömen: Die Nord-Stream-Pipelines sollten repariert und wieder in Betrieb genommen werden. Das Verbrenner-Verbot soll aufgehoben werden, die Finanzierung der Ladeinfrastruktur für Elektroautos gestrichen werden. Die Partei ist gegen ein Tempolimit. Eine Ausweitung von maritimen Naturschutzgebieten lehnt die AfD ab und ist auch gegen den Schutz. Stattdessen betont sie die wirtschaftliche Nutzung von Wald- und Agrarflächen sowie regionale Nutztierhaltung. 

Die Grünen sehen in den erneuerbaren Energien die Zukunft – „in Form von Strom, Wärme und Wasserstoff“. 2030 soll Deutschland aus der Kohle aussteigen. Strom bis 2030 zu 80 Prozent und bis 2035 komplett klimaneutral hergestellt werden. Der Wiedereinstieg in die Atomenergie ist für die Grünen keine Option. Die Kosten für den Einbau einer klimafreundlichen Heizung und Wärmepumpe wollen sie bis zu 70 Prozent fördern. Kauf und Leasing von E-Autos soll sozial ausgewogen gefördert werden. Am Verbrenner-Verbot ab 2035 wird festgehalten wie auch am Tempolimit auf Autobahnen. Das Deutschlandticket soll nach Vorstellungen der Grünen auch künftig für 49 Euro angeboten werden. Eine „zukunftsfeste Landwirtschaft“ soll für gesunde Ernährung sorgen.

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Die FDP will die heimische Förderung von Erdgas ausbauen. Sie befürwortet auch das wegen seiner Umweltwirkungen umstrittene Fracking-Verfahren. Die Energiesteuern sollen mittelfristig komplett abgeschafft werden. Auch Subventionen für neue Solar- und Windanlagen soll nicht mehr geben – ebenso wenig das Heizungsgesetz, das „vollständig auslaufen“ soll. Ein Verbot des Verbrenner-Motos lehnt die FDP ebenso ab wie ein generelles Tempolimit auf Autobahnen. Die Liberalen möchten das Flugzeug als Transportmittel attraktiver machen, die Luftverkehrssteuer soll daher abgeschafft werden. Die Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge soll ausgebaut werden, Kaufprämien für E-Autos aber soll es nicht mehr geben. Tierschutz und Tierwohl nennt die FDP „eine Selbstverständlichkeit”. Die Jagd aber sei „unverzichtbarer Teil nachhaltiger Landnutzung und Schutz der Biodiversität”. 

Die Linke will den Atomausstieg beibehalten und schlagen dafür sogar einen gesamteuropäischen Plan für die Stilllegung der Kernkraftwerke vor. Wie die Grünen will die Linke den Kohleausstieg schon 2030 und schnellstmöglich auf erneuerbare Energien umsteigen, Die Energiekonzerne sollen entmachtet, die Energieversorgung soll vorrangig dezentral organisiert werden. Für „große, schwere Autos“ sollen höhere Kfz-Steuern fällig werden. Zuschüsse für kleine E-Autos sollen zum Beispiel Handwerksbetriebe oder Pflegedienste bekommen. Die Linke will das Dienstwagenprivileg abschaffen und spricht sich für ein Tempolimit von 120 km/h auf Autobahnen aus. Inlandsflüge und Privatjets sollen verboten werden. Wasser hält die Linke für ein Menschenrecht. Sie fordert auch ein wirksames Verbandsklagerecht für Umwelt- und Tierschutzverbände.

Das Bündnis Sahra Wagenknecht stellt sich gegen den Bau neuer Kernkraftwerke, ist aber offen für Kernfusion. Die Gaspipelines aus Russland sollen wieder in Betrieb genommen werden. Auch erneuerbare Energien wie Photovoltaik, Windkraft und Biomasse sollen ausgebaut und gefördert werden. Das Heizungsgesetz soll gekippt werden. Das BSW bezeichnet das Auto als wichtigstes Transportmittel, es müsse technologieoffen und bezahlbar sein. Das Verbrenner-Verbot soll abgeschafft werden. Ein „Volksleasing“ soll Anreize für den Kauf innerhalb der EU produzierter E-Autos und sparsamer Verbrenner fördern. Das Tierleid in Agrarbetrieben soll beendet werden und Tierversuche auf ein Minimum beschränkt werden.