Berlin. Nach der Bundestagswahl ist vor den Koalitionsverhandlungen. Bevor die stattfinden, beschnuppern sich die Parteien in der Sondierung.

Nach der Bundestagswahl beginnt die Regierungsbildung. Wo die Parteien im Wahlkampf zuvor vor allem auf Abgrenzung voneinander bedacht waren, heißt es nun, Gemeinsamkeiten zu finden. Schließlich ist es nur in den seltensten Fällen so, dass eine Partei die absolute Mehrheit erringt – die braucht es aber, um einen Bundeskanzler zu wählen und eine Regierung zu bilden. Also müssen die Parteien auf Partnersuche gehen. Es beginnen: die Sondierungsgespräche.

Was sind Sondierungsgespräche?

Wenn in Koalitionsverhandlungen zwischen zwei Parteien gewissermaßen ein „Ehevertrag“ ausgehandelt wird, dann sind die Sondierungsgespräche so etwas wie das erste Date. Ein vorsichtiges Beschnuppern: Passt man zueinander?

Es sind informelle Treffen zwischen Parteien, bei denen grundlegende politische Übereinstimmungen und Unterschiede erkundet werden. Der Begriff „sondieren“ bedeutet „vorsichtig erkunden“. Ziel ist es, herauszufinden, ob genügend Gemeinsamkeiten für eine mögliche Regierungskoalition bestehen.

„Es gilt, im Vorhinein die gemeinsame politische Richtung zu finden, Kompromissbereitschaft und Konfliktlinien zu erkunden“, erklärt Hans Vorländer, Professor für Politikwissenschaft und Direktor des Zentrums für Verfassungs- und Demokratieforschung an der Technischen Universität Dresden, im MDR.

Wer nimmt an Sondierungsgesprächen teil?

Die Parteien schicken in der Regel jene Politiker in die Sondierungsgespräche, die später auch die Koalitionsverhandlungen führen werden. Darunter können sein:

  • Parteivorsitzende
  • Vorstandsmitglieder
  • Generalsekretäre
  • Fraktionsvorsitzende
  • manchmal auch Ministerpräsidenten oder Fachexperten

Es ist üblich, dass die nach Zweitstimmenanteil stärkste Partei zu solchen Sondierungsgesprächen einlädt. 2017 etwa war die Union mit 26,8 Prozent auf Platz eins gelandet, und lud in der Folge Grüne und FDP zu Sondierungsgesprächen ein. Die sogenannte „Große Sondierungsrunde“ bestand aus 52 Mitgliedern: 19 aus der CDU, elf aus der CSU, acht aus der FDP und 14 von den Grünen.

Nach der Bundestagswahl 2021 kam es zu einer Besonderheit. Zuerst hatten Grüne und FDP miteinander gesprochen, bevor sie in Gespräche mit SPD und CDU/CSU gingen.

Wo liegt der Unterschied zu Koalitionsverhandlungen?

Das Ziel von Koalitionsverhandlungen ist ein Koalitionsvertrag. Sondierungsgespräche sind weniger detailliert. Sie erkunden Gemeinsamkeiten, behandeln grundlegende Richtungen und sind vor allem weniger verbindlich. Sie sind zudem kürzer als Koalitionsverhandlungen.

Die Sondierungen nach der Bundestagswahl 2021 etwa dauerten vom 29. September bis zum 15. Oktober 2021, insgesamt 17 Tage. Dann präsentierten die Partner der künftigen Ampel-Koalition ein Sondierungspapier, in dem sie sich für die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen aussprachen. Die eigentlichen Koalitionsverhandlungen begannen am 21. Oktober und währten 73 Tage.  

Welche Bedeutung haben Sondierungsgespräche?

Sondierungsgespräche sind ein wichtiger Teil des demokratischen Prozesses. Sie ermöglichen es Parteien, potenzielle Koalitionspartner zu finden und die Grundlagen für eine stabile Regierung zu schaffen. Gleichzeitig bieten sie die Möglichkeit, Differenzen frühzeitig zu erkennen und zu entscheiden, ob weiterführende Verhandlungen sinnvoll sind.