Berlin. Nach der Wahl ist vor der Regierungsbildung: Dafür treten die Parteien in Koalitionsverhandlungen. Was dabei passiert, lesen Sie hier.
Die Bundestagswahl ist gelaufen, Millionen Stimmen sind abgeben und ausgezählt, ein Sieger, eine Siegerin, steht fest. Und dann? Geht es für die Parteien in die Koalitionsverhandlungen. Was bei den Gesprächen passiert – und warum sie essenzieller Bestandteil des demokratischen Prozesses in der Bundesrepublik Deutschland sind – erfahren Sie hier.
Was sind Koalitionsverhandlungen?
Koalitionsverhandlungen führen zu Koalitionen zwischen zwei oder mehreren Parteien, und damit zu einem Zusammenschluss dieser Partner. Die Parteien bilden mit Koalitionen eine Regierungsmehrheit, die dann einen Bundeskanzler, oder eine Bundeskanzlerin, wählt und ein Kabinett bildet.
Koalitionen sind in Deutschland dann notwendig, wenn keine Partei bei einer Bundestagswahl die absolute Mehrheit erringen kann. Historisch gesehen kam das nur ein einziges Mal vor: Die Union errang bei den Bundestagswahlen im Jahr 1957 50,2 Prozent der Zweitstimmen. CDU/CSU regierten dennoch nicht alleine, sondern bildeten mit der Deutschen Partei eine Koalition.
In den Koalitionsverhandlungen treffen die Spitzenpolitikerinnen der Parteien Absprachen zur künftigen Politik einer Koalition. Meist sind beteiligt:
- Parteivorsitzende
- Vorstandsmitglieder der Parteien
- Generalsekretäre
- manchmal auch Ministerpräsidentinnen und Fraktionsvorsitzende
- gegebenenfalls Ministerialbeamte, wenn deren Fachwissen benötigt wird
In den Gesprächen diskutieren die Parteien ihre politischen Ziele, verhandeln inhaltliche und personelle Fragen – wer bekommt welches Ministerium? – und vereinbaren die Regeln ihrer zukünftigen Regierungsarbeit.
- Überblick: Termine, Kandidaten, Wahlrecht – Die Infos zur Bundestagswahl 2025
- Personalisierte Verhältniswahl: So funktioniert das deutsche Wahlsystem
- Wahlrecht: Erst- & Zweitstimme – Unterschied einfach erklärt
- Sperrklausel: Was die Fünf-Prozent-Hürde ist und welche Ausnahmen es gibt
- Aktives & passives Wahlrecht: Wer darf in Deutschland zur Wahl gehen?
Was ist ein Koalitionsvertrag?
Am Ende der Koalitionsverhandlungen steht ein Koalitionsvertrag, der verschiedene Bestandteile hat.
- Die Präambel, eine feierliche Einleitung des Vertragswerks, beschreibt Ziele und Inhalte der gemeinsamen Politik. Sie gibt die Leitlinien vor, kann manchmal auch schon sehr detailliert Gesetzesvorhaben beschreiben.
- Personal- und Ressortentscheidungen, die unter anderem bestimmen, welche Person welches Bundesministerium leitet oder einer Partei zumindest das Benennungsrecht für ein Ressort zuschlagen.
- Einen Verfahrensteil, in dem sich die Partner zur Zusammenarbeit im Kabinett und im Parlament verpflichten und Regeln für den Streitfall festlegen.
In der Regel werden Koalitionsverträge für die Dauer eine Legislaturperiode geschlossen. Sie können verändert werden, wenn sich die Koalitionspartner über die Änderungen einig sind. Umstritten ist, ob die Verträge rechtlich bindend sind. Sie sind allerdings nicht bei Gericht einklagbar und vollstreckbar. So werden die Verträge eher als politisch bindende Absprachen betrachtet, als eine Art „Geschäftsgrundlage“ für die Regierungsarbeit.
Weil sie in der Öffentlichkeit nicht als wortbrüchig oder politisch unzuverlässig gelten wollen, werden die Partner ohne Not nicht gegen einen Koalitionsvertrag verstoßen. So ein Verhalten ließe sich von den vertragstreuen Partnern, also den anderen Parteien, medial ausschlachten.
Die längsten Koalitionsverhandlungen führte die Union nach der Bundestagswahl 2017 mit FDP und Grünen. Nachdem die Liberalen die Gespräche schließlich hatten platzen lassen, stieg die SPD in die Verhandlungen ein. Insgesamt 171 Tage waren nötig, dann stand die Regierung.
Koalitionsverhandlung & Koalitionsvertrag: Im Kern des demokratischen Prozesses
Koalitionsverhandlungen und -verträge bilden nicht nur die Grundlage für die Zusammenarbeit einer Regierung. Sie sind gewissermaßen Sinnbild für den demokratischen Prozess in Deutschland: Weil im Regelfall keine Partei so viel Zustimmung in der Bevölkerung erringen kann, dass es zu einer Alleinregierung reicht, muss sie auf Partnersuche gehen. Und das bedeutet: Kompromisse aushandeln.
- Aktuelles: Die wichtigsten News zur Bundestagswahl 2025 im Blog
- Infos: Termine, Kandidaten, Wahlrecht – der große Überblick
- Wahlarena: Weidel erhält die „Fragen aller Fragen“ – und geht in die Offensive
- Quadrell: Scholz, Merz, Habeck oder Weidel – Wer hat gewonnen?
- Interaktiv: Umfragen und Ergebnisse zur Bundestagswahl
Die Parteien treten sich dabei als gleichberechtigte Partner gegenüber und stehen für unterschiedliche gesellschaftliche Strömungen, Meinungen, Haltungen, die sich miteinander vertragen müssen, um gemeinsam das Land zu regieren. Wo es im Wahlkampf vor allem Unterschiede ging, heißt es jetzt, Gemeinsamkeiten zu finden.
Die Verhandlungen stellen außerdem sicher, dass kleinere gesellschaftliche Gruppen Einfluss auf die Regierungspolitik nehmen können. Damit sind sie wesentlicher Teil der Demokratie, die als Herrschaft des Volkes politische Partizipation – Teilhabe – gewährleisten soll.
Hieran entzündet sich auch ein großer Teil der Kritik an der „Brandmauer“ der Parteien der Mitte zur AfD. Die Weigerung von SPD, Grünen, FDP und, mit Ausnahmen, CDU/CSU, mit der in Teilen rechtsextremen Partei zusammenzuarbeiten, empfindet die AfD als undemokratische Ausgrenzung von Wählerinnen und Wählern. Dem halten die Mitte-Parteien entgegen, dass die AfD selbst eine undemokratische Partei ist, von der eine Gefahr für die Demokratie in Deutschland ausgeht.