Berlin. Bei Gesundheit und Pflege haben die Parteien unterschiedliche Antworten auf die Finanzprobleme. Der Realitätscheck steht nach der Wahl an.

  • In den Bereichen Gesundheit und Pflege gibt es viel Reformbedarf
  • Es drohen steigende Beiträge für Versicherte – und wachsende Ungleichheit
  • Was versprechen die Parteien in ihren Wahlprogrammen zur Bundestagswahl 2025?

Wer viele Baustellen bei der Bahn beklagt, sollte einmal einen Blick auf die Sozialversicherung werfen. Die Baustellen dort sind größer, und die Parteien drücken sich im Wahlkampf um entscheidende Aussagen dazu herum. Dabei spüren die Wähler längst, dass sich bei der Kranken-, Pflege und Rentenversicherung bald etwas ändern muss. Denn die Beitragserhöhungen bei Gesundheit und Pflege zu Jahresbeginn knabbern schon spürbar an den Nettolöhnen. 

Und das ist nur der Anfang, wenn es keine größeren Reformen gibt. Liegen die Sozialabgaben insgesamt derzeit bei über 42 Prozent, steigt die Last nach Berechnungen des Forschungsinstituts IGES in den kommenden zehn Jahren auf bis zu 50 Prozent. Besonders kritisch ist die Lage derzeit in der Kranken- und Pflegeversicherung. Im laufenden Jahr würden die Beiträge beider Sparten zwar noch für die Deckung der Ausgaben reichen, heißt es beim Spitzenverband der Krankenkassen (GKV). „Schon heute ist klar, dass es 2026 weitere Erhöhungen geben muss“, warnt aber GKV-Chefin Doris Pfeiffer.

Auch die Versorgung selbst steht vor gewaltigen Herausforderungen. Es mangelt an Pflegekräften und die Eigenbeteiligung an den Kosten stationärer Pflege steigt und steigt. Der Krankenversicherung laufen die Arzneimittelausgaben davon, Patienten müssen lange auf Termine beim Facharzt warten. Die Krankenhäuser machen vielfach Verluste. Die von der Ampel eingeleitete Reform der Kliniklandschaft wird zunächst mehr kosten als einsparen. Schließlich ist auch die ärztliche Versorgung in ländlichen Gebieten zum Teil mangelhaft. 

Wahlprogramme: Pläne für Gesundheitssystem und Pflegeversicherung fallen eher dürftig aus

An Aufgaben mangelt es der künftigen Bundesregierung folglich nicht. Die Pläne der Parteien für das Gesundheitssystem und die Pflegeversicherung zur Lösung der Probleme fallen dagegen eher schmal aus. Von Leistungskürzungen oder höheren Beiträgen ist durchweg nicht die Rede. Im Gegenteil. Vieles soll sogar besser werden.

CDU und CSU setzen dabei auf die bisherigen Strukturen. Die gesetzliche und die private Krankenversicherung sollen getrennt bleiben. Für finanzielle Stabilität sollen recht nebulöse Vorhaben sorgen. „Dazu streben wir mehr Effizienz beim Einsatz von Beitragsgeldern an und stärken den Wettbewerb der Krankenkassen“, heißt es im gemeinsamen Wahlprogramm der Union.

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Deutlicher wird die SPD. Sie strebt den Übergang zu einer Bürgerversicherung an. Zunächst sollen die privaten Krankenversicherungen (PKV) zum Risikostrukturausgleich zwischen den Krankenkassen beitragen. Das würde mehr Geld in die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) bringen. Außerdem sollen versicherungsfremde Leistungen verstärkt aus Steuermitteln finanziert werden. Bundesbeamten will die SPD ein Wahlrecht zwischen der privaten und gesetzlichen Krankenversicherung einräumen. Beamte sind bisher grundsätzlich privat versichert. „So bleiben die Beiträge für Versicherte sowie Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber stabil, und die Ungleichheiten zwischen verschiedenen Versichertengruppen werden beendet“, lautet das Versprechen.

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Die Pläne der FDP gehen in eine ganz andere Richtung. Das bisherige System aus PKV und GKV soll beibehalten werden. Zu finanziellen Stabilität wollen die Liberalen die Vorgabe machen, dass die Ausgaben nicht höher sein dürfen als die Einnahmen. Außerdem will die FDP den Leistungskatalog durchforsten. „Leistungen, die sich nicht bewährt haben, sollen aus dem GKV-Leistungskatalog gestrichen werden“, verlangt die Partei.

Gesundheitsversorgung soll durchweg ein hohes Niveau erreichen – große Unterschiede in den Details

Die Grünen gehen mit dem Ziel einer Bürgerversicherung für alle noch einen Schritt weiter als die SPD. Sie wollen zusätzlich noch die Beitragsbemessungsgrenzen für die GKV ändern und hohe Kapitalerträge beitragspflichtig machen. Konkrete Zahlen nennt die Partei jedoch nicht. Derzeit müssen Beiträge nur für Einkommen bis zu einer Höhe von 66.150 Euro im Jahr bezahlt werden. „An der Finanzierung der Krankenhausreform sollen sich auch die privaten Krankenversicherungen beteiligen“, heißt es im Wahlprogramm weiter. 

Wahlplakate
Die Parteien sehen alle Handlungsbedarf in der Gesundheitsversorgung. © imago/Chai von der Laage | IMAGO/Gladys Chai von der Laage

Für das BSW ist die Einführung einer Bürgerversicherung die Lösung der finanziellen Probleme. Alle Bürger sollen nach ihren Einkommen einzahlen. Damit würde die Beitragsbemessungsgrenze entfallen. Außerdem will das Bündnis die Kapitalrückstellungen der PKV übertragbar machen. Für die Bürgerversicherung könnte dies einen Milliardensegen bedeuten. 

Noch radikaler will die Linke vorgehen. Ihr Programm sieht eine Einheitsversicherung für alle vor, in der es keine Beitragsbemessungsgrenze mehr gibt und auch alle Kapitalerträge beitragspflichtig werden. „Dadurch fällt der Beitrag für die Krankenversicherung von derzeit 17,1 auf etwa 13,3 Prozent des Bruttolohns“, verspricht die Linke. Die AfD will einen weiteren Anstieg der Beiträge verhindern, in dem die Beiträge von Bürgergeldempfängern aus Steuermitteln bezahlt werden. Außerdem will die Partei durch vereinfachte Strukturen die Verwaltungskosten der GKV senken. 

Keine Einigkeit bei den Parteien über die gerade beschlossene Krankenhausreform

Gemeinsam ist allen Parteien, dass sowohl die Gesundheitsversorgung als auch die Pflegeleistungen ein hohes Niveau erreichen. In Details gibt es aber große Unterschiede. Die SPD will beispielsweise den Eigenanteil bei der stationären Pflege bei 1.000 Euro monatlich deckeln. Linke und BSW wollen ihn ganz abschaffen. Die Union setzt dabei auf private Zusatzversicherungen und eine betriebliche Pflegeversicherung, die FDP auf eine teilweise kapitalgedeckte Pflegefinanzierung. 

Auch über die Zukunft der gerade beschlossenen Krankenhausreform herrscht keine Einigkeit. Die Union will sie bei einem Wahlsieg nicht in der geplanten Weise umsetzen. Was das konkret bedeutet, lässt sie allerdings offen. Das Fazit lautet: Niemand will eine schlechtere Versorgung, aber über der künftigen Finanzierung schweben viele Fragezeichen.