Berlin. Wichtige Fakten zur Wende im Krieg: Was Trump und Putin planen, warum Selenskyj der Verlierer sein könnte und wie Europa reagiert.
Eigentlich hatte Donald Trump im US-Wahlkampf ja angekündigt, den Ukraine-Krieg binnen eines einzigen Tages zu beenden. Daraus ist bekanntlich nichts geworden. Gleichwohl unternimmt der neue Präsident der Vereinigten Staaten wenige Wochen nach Amtsantritt jetzt einen diplomatischen Vorstoß, um Frieden zwischen Russland und der Ukraine herbeizuführen: Am Mittwoch telefonierte Trump ausführlich mit dem russischen Machthaber Wladimir Putin. Die beiden Staatschefs vereinbarten dabei, sich in Kürze persönlich zu treffen.
Die Initiative kommt pünktlich zum Auftakt der Münchner Sicherheitskonferenz, die an diesem Freitag in der bayerischen Landeshauptstadt beginnt und zu der Trump seinen Vizepräsidenten J. D. Vance sowie Außenminister Marco Rubio schicken wird.
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Unklar ist, welche Rolle bei möglichen Friedensgesprächen die Ukraine selbst und die Europäer spielen werden. Geht es nach Trump, dann sollen europäische Nato-Staaten wie Deutschland einen Friedensschluss in der Ukraine militärisch absichern, und zwar ganz ohne US-Hilfe. Ob die Europäer aber auch Platz am Verhandlungstisch nehmen dürfen, ist offen. Für Russlands Präsident Putin hingegen laufen die Dinge bestens: Gestern noch war er aus Sicht des Westens ein Aussätziger auf der internationalen Bühne. Jetzt ist er zurück im Spiel und kann mit Trump auf Augenhöhe verhandeln – und zwar womöglich, ohne Rücksicht auf die Interessen anderer Länder nehmen zu müssen. Ein Überblick.
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Ukraine-Krieg: Was planen Trump und Putin?
Die Präsidenten der USA und Russlands hatten am Mittwoch etwa 90 Minuten lang telefoniert und dabei vereinbart, umgehend Verhandlungen über eine Beendigung des von Russland vor drei Jahren begonnenen Ukraine-Kriegs aufzunehmen. Vorangegangen waren intensive Kontakte auf diplomatischer Ebene. Das US-Verhandlungsteam steht bereits fest: Ihm werden neben Außenminister Rubio auch der New Yorker Immobilienmilliardär und heutige Nahost-Sondergesandte Steve Witkoff angehören, dazu CIA-Direktor John Ratcliffe und der Nationale Sicherheitsberater Mike Waltz.
Überraschend ist der US-Unterhändler und Russland-Sondergesandte Keith Kellogg nicht dabei. Der Kreml hielt sich zunächst bedeckt, wer die Verhandlungen führen soll. Ein Sprecher erklärte, Putin habe seine Bereitschaft erklärt, Repräsentanten des Weißen Hauses in Russland zu empfangen.
Dabei will die russische Seite nicht nur über den Ukraine-Krieg sprechen, sondern umfassend auch alle Themen zur „Sicherheit in Europa“ und russische „Bedenken“ erörtern. Erst wenn die diplomatischen Gespräche einen erfolgreichen Verlauf erwarten lassen, soll es zu einem persönlichen Treffen zwischen Putin und Trump kommen. Der Kremlherrscher hat Trump dazu nach Moskau eingeladen. Der US-Präsident erklärte aber später, dass das erste persönliche Treffen in Saudi-Arabien stattfinden solle. Erst danach sollen aus Sicht der US-Regierung gegenseitige Besuche der Präsidenten in Washington und Moskau folgen.
Russlands Krieg in der Ukraine: Was bedeuten die Verhandlungen für Putin?
Vorerst ist es ein Erfolg für Putin auf ganzer Linie: Die Wiederaufnahme der Kontakte zwischen Washington und Moskau bedeutet, dass Putin die erwünschte Anerkennung der US-Regierung erfährt. Er hatte stets gefordert, über ein Kriegsende nicht mit der Ukraine, sondern mit den USA zu verhandeln. Zugleich deutet sich an, dass die USA dem Kremlherrscher weit entgegenkommen könnten: Wenn US-Verteidigungsminister Pete Hegseth tatsächlich die endgültige Verhandlungslinie Trumps beschrieben hat, hätte Putin einige Kriegsziele erreicht und dürfte sich als Sieger präsentieren: keine Nato-Mitgliedschaft der Ukraine, Anerkennung von russischen Eroberungen, keine US-Präsenz in der Ukraine.
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Entsprechend positiv fallen die Reaktionen in Russland aus – auch wenn Trumps euphorische Darstellung, das Telefonat sei „großartig“ gewesen, in Moskau nicht wiederholt wird. Kremlsprecher Dmitri Peskow nannte am Donnerstag das Gespräch aber „sehr wichtig“ und begrüßte den Vorstoß Trumps. Dieser tue anders als die Vorgängerregierung alles, um den Krieg zu stoppen.
„Uns imponiert die Haltung der jetzigen Administration deutlich mehr und wir sind offen für einen Dialog“, sagte Peskow. Ex-Präsident Dmitri Medwedew erklärte, Trump habe mit der Strategie seines Amtsvorgängers Joe Biden gebrochen, Russland „zu bestrafen und zu demütigen“. Medwedew meinte: „Es ist unmöglich, uns in die Knie zu zwingen. Und je früher unsere Gegner das erkennen, desto besser.“
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Verhandlungen zur Ukraine? Finanzmärkte reagieren deutlich
Auch die Finanzmärkte reagierten positiv: Der Moskauer Börsenindex MOEX stieg am Donnerstag nach Handelsstart auf den höchsten Wert seit Mai 2024. Der russische Rubel legte im Verhältnis zu Dollar und Euro an Wert zu. Doch betonten russische Politiker auch, die Verhandlungen würden zweifellos schwierig werden. Vermutlich bleibt Putin misstrauisch, er kennt die Unberechenbarkeit des US-Präsidenten.
Der Kreml hat es nicht eilig mit einem Friedensschluss, derzeit ist Russland militärisch überlegen und rückt langsam, aber stetig in der Ostukraine vor. Erst die längere Perspektive müsste Putin Sorgen machen, ab 2026 dürften nach Einschätzung westlicher Militärbeobachter Probleme beim Nachschub und in der russischen Wirtschaft generell zunehmen. Dann, meint die Verteidigungsexpertin Claudia Major von der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik, könne Putins Verhandlungsbereitschaft steigen. Bislang aber habe er keinen ernsthaften Verhandlungswillen gezeigt.
Kein Nato-Beitritt, Verlust von Gebieten: Wird die Ukraine der große Verlierer?
Die Ukraine ist drei Jahre nach Beginn des russischen Eroberungsfeldzugs ausgelaugt, im Osten verlieren ihre Truppen stetig Gelände an die vorrückenden Invasoren. Der ukrainischen Armee fehlt es nicht nur an Material, sondern zunehmend auch an Soldaten.
Auffällig ist, dass Trump am Mittwoch zunächst mit Putin telefonierte und erst dann mit Selenskyj. Zudem übermittelten die Amerikaner der Ukraine bittere Botschaften: Der erhoffte Nato-Beitritt im Zuge eines Friedensschlusses sei „unrealistisch“, also von der US-Regierung nicht gewollt, wie Trumps Verteidigungsminister Pete Hegseth in Brüssel deutlich machte. Hegseth ließ auch erkennen, dass die Ukraine Gebiete an Russland werde abtreten müssen. Das sind aus ukrainischer Sicht schon einmal zwei schmerzhafte Festlegungen, die jetzt nicht mehr das Ergebnis von Verhandlungen sein werden, sondern gewissermaßen eingepreist sind.

Selenskyj wird jetzt alles daransetzen, eine gewichtige und eigenständige Rolle in den geplanten Friedensverhandlungen zu spielen. Aus seiner Sicht besteht die Gefahr, dass zwei Nuklearmächte über seinen Kopf hinweg die Zukunft der Ukraine bestimmen und ihre Einflusssphären in Osteuropa aufteilen. Unklar ist, wie ohne eine Nato-Mitgliedschaft die künftige Sicherheit der Ukraine gewährleistet werden kann.
In seiner abendlichen Videoansprache sagte Selenskyj: „Wir glauben, dass die Stärke Amerikas groß genug ist, um gemeinsam mit uns und unseren Partnern Russland und Putin zu Frieden zu zwingen.“ In der kommenden Woche soll Selensykj zu Trump in die USA reisen. In Vorbereitung ist nach Angaben des ukrainischen Präsidenten ein Vertrag zu Sicherheits- und Wirtschaftsfragen. Es ist bekannt, dass Trump den Vereinigten Staaten Zugriff auf Rohstoffe aus der Ukraine sichern will und davon weitere Militärhilfen abhängig macht.
Wie reagieren die Europäer auf den Vorstoß?
Die EU-Staaten sind ebenso überrascht wie die Nato: Trump hatte die Verbündeten nicht vorab über seinen Plan informiert, die Enttäuschung darüber ist in den europäischen Hauptstädten groß. Selbst Nato-Generalsekretär Mark Rutte, der sich um ein enges Verhältnis zu Trump bemüht, fand am Donnerstag nur mahnende Worte: „Wir werden sehen, wie sich das jetzt entwickelt“, sagte Rutte beim Treffen der Nato-Verteidigungsminister in Brüssel. Entscheidend sei, dass die Ukraine eng in alles eingebunden werde, was über das Land entschieden werde.
Es müsse auch sichergestellt sein, dass ein Friedensabkommen Bestand habe. Die Verhandlungen müssten zur Einsicht Putins führen, „dass er niemals wieder versuchen kann, ein Stück der Ukraine zu erobern“. Dass Trump diese Erwartungen erfüllen will, ist bislang nicht zu erkennen. Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) kritisierte in Brüssel, dass die USA noch vor Verhandlungen mit dem Kreml öffentlich Zugeständnisse gemacht haben.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) warnte vor Friedensgesprächen über die Köpfe von Ukrainern und Europäern hinweg. „Nichts über die Ukraine ohne die Ukrainer – und nichts über Europa ohne die Europäer“, sagte Scholz. Ein Frieden müsse langfristig halten und die Souveränität des Landes sichern. „Deshalb wird ein Diktatfrieden niemals unsere Unterstützung finden. Wir werden uns auch auf keine Lösung einlassen, die zu einer Entkopplung europäischer und amerikanischer Sicherheit führt“, betonte der Kanzler. Er forderte angesichts der neuen Dringlichkeit höherer Verteidigungsausgaben eine zügige Reform der Schuldenbremse. Zunächst will der Regierungschef vom Bundestag so schnell wie möglich eine Notlage erklären lassen, um trotz einer Milliardenlücke im Haushalt rasch neue Hilfen für die Ukraine zu finanzieren.
Die Außenminister Deutschlands, Frankreichs, Polens, Großbritanniens, Spaniens und Italiens forderten gemeinsam die Beteiligung Europas an den Friedensverhandlungen: „Ein gerechter und dauerhafter Frieden in der Ukraine ist eine notwendige Voraussetzung für eine starke transatlantische Sicherheit“, erklärten sie. Die Minister teilten mit, sie freuten sich auf die Gespräche mit den „amerikanischen Verbündeten“ über das weitere Vorgehen mit Blick auf die Ukraine. Es sollte das „gemeinsame Ziel“ sein, „die Ukraine in eine Position der Stärke zu versetzen“ und ihr „starke Sicherheitsgarantien“ zu geben.
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Was passiert jetzt auf der Münchner Sicherheitskonferenz?
Die alljährliche Konferenz findet von diesem Freitag bis zum kommenden Sonntag in ihrer 61. Ausgabe statt. Erwartet werden etliche Staats- und Regierungschefs, Minister und Sicherheitsexperten aus aller Welt. Trump schickt seinen Vize J. D. Vance und Außenminister Marco Rubio in die bayerische Landeshauptstadt. Mit besonderer Spannung wird erwartet, ob beide neue Details des amerikanischen Friedensplans für die Ukraine präsentieren. Auch Selenskyj wird in München erwartet. Es wird am Rande der Konferenz zahlreiche bilaterale Treffen geben, auch mit Blick auf eine mögliche Beilegung des Ukraine-Kriegs. Geplant ist unter anderem ein Treffen der übrigen G7-Außenminister mit ihrem neuen US-Kollegen Rubio. Eine offizielle russische Delegation ist nicht nach München eingeladen.