Brüssel/Washington. Wie könnte ein Waffenstillstand aussehen? Vor dem Telefonat mit Putin ließ Trump zentrale Forderungen der Ukraine und der EU zurückweisen.

In die Bemühungen um ein Ende des Ukraine-Kriegs kommt überraschend Bewegung. US-Präsident Donald Trump und der russische Präsident Wladimir Putin haben die Aufnahme sofortiger Verhandlungen über ein Ende des russischen Angriffskrieges vereinbart. Die Verabredung trafen sie Trump zufolge am Mittwoch in einem „langen und sehr produktiven“ Telefonat.

„Ich glaube, dass diese Bemühungen zu einem erfolgreichen Abschluss führen werden, hoffentlich bald“, sagte Trump. Der Kreml teilte mit, Putin habe seine Bereitschaft erklärt, Vertreter der US-Regierung in Russland zu empfangen – Putin habe aber auch darauf verwiesen, dass Russland auf einer Beseitigung der Ursache des Konflikts bestehe. Details der Verabredung waren zunächst geheim. Aber unmittelbar zuvor hatte US- Verteidigungsminister Pete Hegseth zentralen Forderungen der Ukraine für eine Friedenslösung eine harsche Absage erteilt – bei einem Treffen westlicher Verteidigungsminister in der Ukraine-Kontaktgruppe im Nato-Hauptquartier in Brüssel skizzierte der Trump-Vertraute  damit einen Weg, der russischen Forderungen entgegen kommt, Erwartungen auch der Europäer aber enttäuscht.

Donald Trump und Wladimir Putin
Der russische Präsident Wladimir Putin (links) und US-Präsident Donald Trump bei einer früheren Begegnung in Trumps erster Amtszeit. Jetzt haben sie sofortige Verhandlungen über ein Ende des Ukraine-Kriegs vereinbart. © DPA Images | Evan Vucci

Ukraine-Krieg: US-Minister – Nato-Mitgliedschaft nicht realistisch

Die Eckpfeiler dieses Plans: Den von der Ukraine gewünschten Nato-Beitritt wird es Hegseth zufolge nicht geben – dies sei kein „realistisches Ergebnis einer Verhandlungslösung“, meinte der Minister offenbar mit Blick auf den Widerspruch, den Putin gegen die Nato-Mitgliedschaft der Ukraine angemeldet hat. Der Beitritt zum Bündnis ist eine Kernforderung Kiews für eine dauerhafte Friedenslösung, das Trump-Lager hat allerdings seit längerem Ablehnung signalisiert.

Die US-Regierung sieht nach Angaben von Verteidigungsminister Pete Hegseth keinen Weg für die Ukraine in die Nato.
Die US-Regierung sieht nach Angaben von Verteidigungsminister Pete Hegseth keinen Weg für die Ukraine in die Nato. © AP/dpa | Omar Havana

Zweitens: Eine Rückkehr zu den Grenzen der Ukraine vor 2014 – also vor der Annexion der Krim-Halbinsel durch Russland – sei „unrealistisch“, sagte Hegseth im Beisein des ukrainischen Verteidigungsministers Rustem Umerow. Zwar hatte Selenskyj Verhandlungsbereitschaft für zeitweise Gebietsabtretungen erklärt. Aber dieses Zugeständnis schon vor Verhandlungen zu machen, torpediert die Strategie der Ukraine.

Die USA wollen sich nicht an Friedenstruppe beteiligen

Drittens: An den Sicherheitsgarantien für die Ukraine, die bei einem Waffenstillstand ein Wiederaufflammen des Konflikts verhindern sollen, werden sich die USA nicht beteiligen. Die US-Regierung werde keine Friedenstruppen in die Ukraine schicken, betont Hegseth. Die europäischen Nato-Partner müssten deshalb den „überwiegenden Anteil“ der zukünftigen militärischen wie zivilen Hilfe für die Ukraine übernehmen, betonte der neue Pentagonchef. Selenskyj dagegen hatte selbstbewusst erklärt, ohne die USA seien die Sicherheitsgarantien nichts wert, Kiew lehne das ab.

Für den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj ist die US-Absage an  seine zentralen Forderungen für einen Waffenstillstand enttäuschend.
Für den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj ist die US-Absage an seine zentralen Forderungen für einen Waffenstillstand enttäuschend. © AP/dpa | Efrem Lukatsky

Für Selenskyj sind die Äußerungen ein Debakel: Parallel zu dem Nato-Treffen in Brüssel führen US-Experten in Kiew Gespräche, US-Vizepräsident J.D. Vance wird sich am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz am Wochenende mit Selenskyj treffen - schließlich ist auch ein Besuch Selenskyjs bei Trump in Washington nächste Woche in Vorbereitung. Das könnte für den ukrainischen Präsidenten frostig werden. US-Finanzminister Scott Bessent forderte am Mittwoch in Kiew als Gegenleistung für die Unterstützung der Ukraine ein Wirtschaftsabkommen mit dem Land. Offenbar um den Druck zu erhöhen, schloss Trump vor kurzem nicht aus, dass die Ukraine „eines Tages russisch“ werden könnte, was der Kreml umgehend begrüßte.

Auch für die Europäer hat sich die Lage verdüstert: Die US-Regierung beharrt auf ihrer Forderung, dass die Nato-Partner auch wegen des Ukrainekonflikts ihre Verteidigungsausgaben auf fünf Prozent der nationalen Wirtschaftsleistung hochschrauben müssten. Für Deutschland würde das mehr als eine Verdopplung der Militäraufwendungen bedeuten, fast die Hälfte des Bundeshaushaltes müsste dafür aufgebracht werden – eine Forderung, die Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) beim Nato-Treffen in Brüssel zurückwies.

Ohne US-Beteiligung könnte Friedenstruppe scheitern

Kurzfristig schwerer wiegt die öffentliche Absage der US-Regierung an eine Friedenstruppe. Nato-Militärs gehen davon aus, dass die großen europäischen Staaten Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien sowie einige kleinere EU-Partner höchstens 50 000 Soldaten in einen Einsatz schicken könnten – für eine robuste Mission zur Sicherung eines Waffenstillstands, die glaubwürdig auch einen erneuten Angriff Russlands abschrecken könnte, brauche es aber mindestens 200 000 gut ausgebildete und ausgerüstete Soldaten.

Ukraine Haubitzen - Crew draußen
Der Krieg in der Ukraine geht vorerst weiter – auch für diese Artillerie-Einheit an der Front bei Tschassiw Jar (Region Donezk). © Artem Lysak | Artem Lysak

Fast alle europäischen Staaten lehnen einen Einsatz ohne US-Beteiligung deshalb als zu risikoreich ab, betont die Verteidigungsexpertin Claudia Major. Ohne den amerikanischen Nuklearschutzschirm steigt wohl auch das Risiko einer russischen Provokation.

Hegseth gehört zum Lager jener Trump-Vertrauten, die zur Beendigung des Ukraine-Kriegs den russischen Forderungen weitgehend nachgeben würden. Andere Trump-Berater wie der Sonderbeauftragte für die Ukraine, Keith Kellog, Sicherheitsberater Michael Waltz oder Außenminister Marco Rubio plädieren eher dafür, Putin klare Grenzen zu ziehen. Dass der Verteidigungsminister in allem schon den finalen Kurs Trumps beschrieben hat, ist also nicht sicher. Noch ist unklar, was Washington von Russland verlangt als Zugeständnis für einen Waffenstillstand, etwa den Verzicht auf einen Teil der besetzten Territorien. Westliche Militärbeobachter sind überwiegend skeptisch, dass es in absehbarer Zeit zu ernsthaften Verhandlungen kommt.

Die Analysten des renommierten Washingtoner Instituts für Kriegsstudien verweisen in einer Prüfung darauf, dass das russische Militärkommando Operationen über sechs oder neun Monate plane. Die Kommandeure gingen also davon aus, „dass Putin nicht beabsichtigt, den Krieg in der Ukraine in naher Zukunft zu beenden.“ Die Verteidigungsexpertin Major betont, Putin zeige keinen ernsthaften Verhandlungswillen, seine Ziele hätten sich nicht verändert.