Berlin. Schon mehrfach ist das Land von schwarz-roter Koalition regiert worden. Die nächste dürfte bald kommen. Doch es gibt noch Hindernisse.
Weniger als zwei Wochen verbleiben bis zur Bundestagswahl. Und nach Lage der Dinge dürfte der Urnengang so ausgehen, wie es die Demoskopen bereits seit Wochen vorhersagen: Die Union um Kanzlerkandidat Friedrich Merz (CDU) wird mit großem Abstand als Siegerin durchs Ziel gehen, gefolgt von der AfD, der SPD von Kanzler Olaf Scholz und den Grünen. An dieser Reihenfolge wird vermutlich auch das erste TV-Duell von Merz und Scholz vom vergangenen Sonntag wenig ändern.

Kommt es so, ist das wahrscheinlichste Szenario, dass das Land in Zukunft wieder von einer schwarz-roten Koalition unter CDU-Führung regiert wird – so wie schon mehrfach in der Geschichte der Bundesrepublik. Wird die Große Koalition, kurz Groko, zum neuen Normalzustand in Deutschland? Ein Überblick.
Was spricht für eine Neuauflage der Groko?
Zunächst einmal: Der Begriff „Große Koalition“ ist im Grunde überholt, denn von ihrer einstigen Bedeutung sind die Volksparteien CDU/CSU und SPD inzwischen weit entfernt. Das erste Regierungsbündnis dieser Art unter Kanzler Kurt Georg Kiesinger (CDU) und Außenminister Willy Brandt (SPD) verfügte von 1966 bis 1969 über eine Neun-Zehntel-Mehrheit im Bonner Bundestag. Kanzlerin Angela Merkel (CDU), die insgesamt drei Mal zusammen mit den Sozialdemokraten regierte, konnte sich von 2018 bis 2021 noch auf knapp 60 Prozent der Abgeordneten stützen.
Bei der Wahl am 23. Februar kann die Union laut aktuellen Umfragen mit rund 30 Prozent der Stimmen rechnen und die SPD etwa mit der Hälfte davon. Das würde vermutlich knapp für eine absolute Mehrheit der Mandate im Bundestag reichen. Andernfalls müsste ein dritter Partner her, was das Regieren komplizierter machen dürfte. Eine andere Zweierkombination als Schwarz-Rot zeichnet sich derzeit nicht ab.
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Im Wahlkampf versucht jetzt naturgemäß jede Partei, bei den unentschlossenen Wählern zu punkten und sich von der Konkurrenz abzugrenzen. Das war auch am Sonntagabend beim TV-Duell sichtbar. Nach dem Wahltag aber müssen demokratische Parteien wieder miteinander ins Gespräch kommen können, das betont ihr Führungspersonal immer wieder. SPD-Generalsekretär Matthias Miersch etwa sagte am Montag im Deutschlandfunk mit Blick auf den vorangegangenen Schlagabtausch Scholz/Merz: „Beide sehen, dass wir vor enormen Herausforderungen stehen und dass die nächste Bundesregierung insofern eine Menge zu tun hat.“
Was spricht gegen eine schwarz-rote Koalition?
Merz‘ Agieren bei den jüngsten Abstimmungen im Bundestag zur Migrationspolitik, bei denen er eine Unterstützung der AfD in Kauf nahm, hat bei der SPD tiefe Spuren hinterlassen. Viele Sozialdemokraten fragen sich, ob man Merz überhaupt noch trauen kann – denn schließlich hatte der eigentlich ausgeschlossen, Zufallsmehrheiten mithilfe der extrem rechten Alternative für Deutschland zuzulassen. „Ich bekomme Würgereiz, wenn ich heute an eine große Koalition und Herrn Merz Kanzler denke“, sagte etwa die SPD-Abgeordnete Leni Breymaier.
Auch inhaltlich setzen Union und SPD vor der Wahl unterschiedliche Akzente: Friedrich Merz und seine Leute wollen das von der SPD eingeführte Bürgergeld wieder abschaffen. In der Außenpolitik werfen sie Kanzler Scholz vor, die Ukraine nicht ausreichend zu unterstützen. Die SPD hingegen will finanzielle Entlastungen für die große Mehrheit der Steuerzahler und Top-Verdiener stärker zur Kasse bitten. Das lehnt die Union ab. Die Sozialdemokraten wollen auch die Schuldenbremse reformieren, CDU und CSU zieren sich hier.
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Allerdings: Die Erfahrung lehrt, dass auch sehr unterschiedliche Positionen in Koalitionsverhandlungen überbrückt werden können. Dies sollte auch für die Migrationspolitik gelten, die längst den Wahlkampf dominiert. Und obwohl die Lust der Sozialdemokraten begrenzt ist, abermals als Juniorpartner in einer unionsgeführten Regierung mitzuwirken, dürfte sich am Ende die Auffassung durchsetzen, dass die Partei in historisch schwierigen Situationen nicht kneifen darf. Und die Lage ist ernst – siehe Wirtschaftskrise, Krieg in der Ukraine, die USA unter Donald Trump. Unwahrscheinlich ist, dass Kanzler Scholz im Falle einer Wahlniederlage gegen Merz bereit und in der Lage wäre, als Minister in eine CDU-geführte Regierung einzutreten.
Wie könnte eine Große Koalition zustande kommen?
Friedrich Merz hat kein Interesse daran, in einem Dreier-Bündnis zu regieren. Der FDP zeigte er im Interview dieser Redaktion zuletzt demonstrativ die kalte Schulter. Eine aktive Zusammenarbeit mit der AfD schließt der CDU-Chef aus. Ein Zusammengehen mit den Grünen um Robert Habeck hält er sich als Option offen, die Schwesterpartei CSU will das hingegen auf keinen Fall. Sollte es also am Abend des 23. Februar rechnerisch für Schwarz-Rot reichen, dürfte eigentlich klar sein, wohin die Reise geht.
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Aber: Berliner Parteistrategen gehen davon aus, dass sich die Sozialdemokraten erst einmal sortieren müssen. Und sie wollen bestimmt die Bürgerschaftswahlen in Hamburg abwarten, die eine Woche später stattfinden und bei denen SPD-Bürgermeister Peter Tschentscher im Amt bestätigt werden möchte. Da könnte es kontraproduktiv sein, im Bund gleich auf ein Bündnis mit der Union zuzusteuern.
Nach den Wahlen in Hamburg aber schlägt auch in Berlin die Stunde der Wahrheit. Unions-Kanzlerkandidat Merz hat schon gesagt, dass er im Falle eines Wahlsiegs Tempo machen möchte: Geht es nach ihm, soll die neue Regierung bis Ostern stehen – also binnen zwei Monaten. Angela Merkel brauchte 2017/2018 fast sechs Monate, um erneut ein Bündnis mit den Sozialdemokraten auf die Beine zu stellen.
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