Berlin. Wirtschaft und Migration – das waren die beiden Themen, die im TV-Duell zwischen Scholz und Merz im Mittelpunkt standen. Wer lag richtig?

Kanzler Olaf Scholz (SPD) gegen seinen Herausforderer Friedrich Merz (CDU) – dieses TV-Duell hat am Sonntagabend alles überstrahlt. Auch bei den TV-Quoten: Alleine in der ARD sahen im Schnitt 8,28 Millionen (Marktanteil: 27,8 Prozent) zu. Hinzu kommen noch 3,98 Millionen (Marktanteil: 13,4 Prozent) Zuschauerinnen und Zuschauer im ZDF.

Vor allem bei den Themen Wirtschaft und Migration ging es im TV-Studio hoch her. So hält der Herausforderer dem Kanzler in der TV-Debatte schlechte Wirtschaftsdaten vor, Scholz kontert seinerseits mit Zahlen. Der Check der dpa zeigt, wer wo richtig liegt – und wer falsch.

TV-Duell im Faktencheck: Was Merz und Scholz über die Wirtschaft sagten

Behauptung Merz: „Wir sind jetzt im dritten Jahr einer Rezession. Das hat es in Deutschland noch nie gegeben.“

Die Fakten: Die deutsche Wirtschaft ist zwei Jahre in Folge geschrumpft. 2024 sank das Bruttoinlandsprodukt (BIP) laut dem Statistischen Bundesamt in Wiesbaden um 0,2 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Die Statistiker bestätigten damit eine frühere Schätzung. Bereits 2023 war das BIP um 0,3 Prozent zum Vorjahr gesunken. Es handelt sich um die längste Rezession seit mehr als 20 Jahren: Zuletzt war die deutsche Wirtschaftsleistung 2002/2003 zwei Jahre in Folge zurückgegangen.

Für das laufende Jahr gibt es noch keine abschließende Zahl. Die Bundesregierung hat ihre Wachstumsprognose für 2025 erst kürzlich auf 0,3 Prozent eingedampft, nachdem sie noch im Herbst ein Plus von 1,1 Prozent erwartet hatte. Der Bundesverband der Deutschen Industrie ist noch pessimistischer als die Bundesregierung und rechnet auch in diesem Jahr mit einer schrumpfenden Wirtschaftsleistung (-0,1 Prozent). BDI-Hauptgeschäftsführerin Tanja Gönner sagte, für den Fall von Zöllen in den USA auf EU-Importe könnte die deutsche Wirtschaft sogar um fast 0,5 Prozent schrumpfen. Drei Rezessionsjahre in Folge wären ein Novum in der Geschichte der Bundesrepublik.

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Behauptung Merz: „50.000 Unternehmen sind in Ihrer Amtszeit in Deutschland in die Insolvenz gegangen.“

Die Fakten: Scholz hat das Amt des Bundeskanzlers am 8. Dezember 2021 übernommen. Zwischen Dezember 2021 und Oktober 2024 hat es nach Daten des Statistischen Bundesamts fast 52.000 Unternehmensinsolvenzen gegeben, davon gut 18.000 von Januar bis Oktober vergangenen Jahres.

Behauptung Scholz: „Wir haben 46 Millionen Erwerbstätige in Deutschland, eine Zahl, die steigt.“

Die Fakten: Das Statistische Bundesamt nennt für Dezember 2024 die Zahl von rund 46 Millionen Erwerbstätigen in Deutschland. Und tatsächlich ist demnach die Zahl zuletzt auch wieder gestiegen: im Dezember um 4000, im November um 9000 und im Oktober um 13.000. Allerdings waren es in den Monaten Juni bis September jeweils im Schnitt 20.000 Erwerbstätige weniger.

Behauptung Merz: „Woran liegt es denn, dass so viele andere Länder in der Europäischen Union längst wieder Wachstumsraten haben und wir nicht? Wir liegen auf dem letzten Platz aller europäischen Länder.“

Die Fakten: Die Zahlen zum Wirtschaftswachstum der einzelnen EU-Länder laufen bei der EU-Statistikbehörde Eurostat zusammen. Das jüngste Jahr, in dem ein Vergleich zwischen allen 27 Mitgliedsstaaten möglich ist, ist 2023. Denn für 2024 haben noch nicht alle Regierungen nach Brüssel gemeldet.

Den Eurostat-Zahlen zufolge lag die Wachstumsrate des realen BIP 2023 im Vergleich zum Jahr davor in der Bundesrepublik bei -0,3 Prozent. Dahinter lagen sechs Länder: Ungarn (-0,9), Österreich (-1,0), Luxemburg (-1,1), Finnland (-1,2), Estland (-3,0) und Irland (-5,5).

In der jüngsten Herbstprognose der EU-Kommission mit ihrem Ausblick auf die künftige Wirtschaftsentwicklung ist Deutschland 2025 tatsächlich Schlusslicht. Brüssel erwartet einen Anstieg des deutschen BIP um lediglich 0,7 Prozent. Kein anderes EU-Land hat einen niedrigeren Wert. Und für 2026 sieht es demnach nur für Italien noch schlechter aus.

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Faktencheck: Was Merz und Scholz zur Migration sagten

Auch beim Thema Zuwanderung werfen Scholz und Merz mit Zahlen nur so um sich. Was stimmt, was eher nicht? Der Faktencheck.

Behauptung Scholz: Seine Regierung habe dafür gesorgt, dass 40.000 Zurückweisungen durchgeführt worden seien.

Die Fakten: Das entspricht tatsächlich den Angaben des Bundesinnenministeriums (BMI). „Es hat an den deutschen Grenzen 43.500 Zurückweisungen gegeben“, sagte ein Sprecher etwa bei der Regierungspressekonferenz vom 27. Januar. „Solche Zurückweisungen finden in großem Umfang statt, seitdem es Binnengrenzkontrollen an den deutschen Grenzen gibt – seit Oktober 2023 zunächst an vier Grenzen, seit Herbst 2024 an allen deutschen Grenzen.“

Behauptung Scholz: Im letzten Jahr ist die Zahl derjenigen, die irregulär [nach Deutschland] gekommen sind, um 100.000 – über ein Drittel – gesunken.

Die Fakten: Auch das bestätigte Ende Januar der BMI-Sprecher. „Wir hatten 2024 im Vergleich zu 2023 111.000 Asylgesuche weniger. Das ist ein Rückgang der irregulären Migration um 34 Prozent.“ Nach Angaben des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bamf) gab es 2024 insgesamt knapp 251.000 Asylanträge, im Jahr zuvor waren es fast 352.000.

Behauptung Scholz: Im Januar 2025 gab es den niedrigsten Wert an Asylgesuchen seit 2016.

Die Fakten: Hier liegt Scholz nicht richtig. Im Januar 2025 wurden nach Bamf-Angaben 16.594 Asylanträge gestellt. In seiner eigenen Regierungszeit gab es schon Monate mit weniger Anträgen, etwa im Dezember 2024 (13.716) oder im April 2022 (13.056). Doch auch während der schwarz-roten Vorgängerregierung unter Angela Merkel (CDU) lagen die Zahlen in einzelnen Monaten darunter – nicht nur in der Corona-Zeit, sondern auch davor, wie etwa im Juni 2019 (9.691) oder im Januar 2018 (15.077).

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Co-leader and main candidate of the far-right Alternative for Germany (AfD) party Alice Weidel reacts prior to a TV debate in Berlin on February 16, 2025, ahead of the parliamentary elections due to take place on February 23, 2025. (Photo by Kay Nietfeld / POOL / AFP)
Von Jan Dörner, Patricia von Thien, Christian Kerl und Leon Scherfig

Behauptung Scholz: „Wir haben die Abschiebungen um 70 Prozent gesteigert, seitdem ich Kanzler bin.“

Die Fakten: Im Corona-Jahr 2020 gab es 10.800 Abschiebungen aus Deutschland. Im Jahr 2021 waren es 11.982 Abschiebungen. Seitdem ist die Gesamtzahl der Abschiebungen jährlich angestiegen. Für den Zeitraum von Januar bis November 2024 lag die Zahl nach BMI-Angaben bei 18.384. Das ist im Vergleich zu 2020 tatsächlich ein Anstieg um knapp 70 Prozent. Scholz hatte das Amt des Bundeskanzlers aber erst am 8. Dezember 2021 übernommen. Seit 2021 beträgt die Steigerung rund 53 Prozent.

Behauptung Merz: „Wir haben immer noch in vier Tagen so viele Zuwanderer, wie in einem Monat abgeschoben werden. Das sind nach wie vor zu viele. Wir hatten im letzten Jahr 240.000.“

Die Fakten: Die Zahl von 240.000 entspricht in etwa den Angaben des Bamf. Demnach gab es im vergangenen Jahr knapp 230.000 Erstanträge auf Asyl. Das wären im Schnitt 629 pro Tag. Demgegenüber gab es in den elf Monaten von Januar bis November 18.384 Abschiebungen, also im Schnitt 1671 pro Monat.

Behauptung Merz: „Wir haben in den drei Jahren Ihrer Amtszeit in Deutschland weit über zwei Millionen irreguläre Migranten nach Deutschland [kommen] gesehen.“

Die Fakten: Was Merz hier unter „irregulärer Migration“ versteht, ist nicht auf Anhieb ersichtlich. Unerlaubte Einreisen wurden von der Bundespolizei zwischen Dezember 2021 und Januar 2025 weit weniger als zwei Millionen registriert, nämlich nur gut 313.000. Es gab auch nicht so viele Asylgesuche: Während dieser Zeit wurden in Deutschland gut 805.000 Erstanträge gestellt.