Kiew. Ivanka Slobadianiuks dreht einen Film über getötete Journalisten. Dann friert Trump die Auslandshilfen ein – mit Folgen in der Ukraine.

Oleksandr Machow stirbt wenige Wochen nach dem Beginn der russischen Invasion in der Ukraine. Bei den Kämpfen um das Dorf Dovhenke in der Region Charkiw im Nordosten des Landes trifft ihn ein Schrapnell, seine Lunge kollabiert. Machow wird nur 36 Jahre alt. In der Ukraine gilt er als Held. Vor der Invasion war ein bekannter Journalist, zum Dienst an der Waffe hatte er sich freiwillig gemeldet.

Ivanka Slobadianiuk will ihm ein filmisches Denkmal setzen. Ihm und den anderen Journalisten, die bislang in der Ukraine gestorben sind. „Es ist ein sehr wichtiges Projekt“, sagt die Filmemacherin. Es könnte jetzt vor dem Aus stehen, weil US-Präsident Donald Trump und seine Mitstreiter gerade die US-amerikanische Entwicklungsagentur USAID zerstören.

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Am 20. Januar unterschreibt Trump ein Dekret, das wie kaum eins anderes für Aufregung und Kritik sorgt. Er lässt bis auf wenige Ausnahmen die amerikanischen Auslandshilfen einfrieren. Im Visier haben er und der Tech-Milliardär Elon Musk, der den Auftrag erhalten hat, Behörden auf ihre Effizienz zu durchleuchten, vor allem die Entwicklungsagentur USAID. Musk bezeichnet die Agentur als eine „kriminelle Organisation“, die von einem „Haufen radikaler Verrückter“ geführt werde. Ab dem 1. Februar ist die Internetseite der Agentur abgeschaltet. Ohne jede Vorankündigung.

Was der Stopp der USAID-Zahlungen für die Ukraine bedeutet
Das ukrainische Team der „Felix Produktion“ hat die Schock-Nachricht vom Finanzierungs-Aus wie aus heiterem Himmel getroffen. © Felix Productions | Felix Productions

USA friert Entwicklungshilfe ein – die Folgen sind riesig

Das Einfrieren der Auslandshilfen scheint der Beginn eines Feldzugs zur Zerstörung der Agentur, die weltweit Projekte in Krisen- und Konfliktgebieten finanziert. Eines der wichtigsten Zielländer ist seit dem Beginn des russischen Überfalls die Ukraine. Seit 2022 hat USAID etwa 30 Milliarden Dollar für das Land gegeben. Hunderte lokale Organisationen und Behörden haben mit dem Geld Projekte finanzieren können. Die Bandbreite der Empfänger ist groß: vom Katastrophenschutz über Beratungszentren, Baubataillonen, Kultur- und Bildungseinrichtungen und Dorfräten bis hin zu Wohltätigkeitsstiftungen und Medien. Jetzt ist Schluss.

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Ausgenommen von dem radikalen Schnitt, das stellt die US-Regierung Tage nach dem Dekret und heftiger Kritik klar, sind überlebensnotwendige humanitäre Projekte, über die Notleidende mit Medikamenten, Nahrungsmittel oder Unterkünften versorgt werden.

Was der Stopp der USAID-Zahlungen für die Ukraine bedeutet
„Felix Produktion“ dreht derzeit einen Film über getötete Journalisten. Ob sie weitermachen können, ist unklar. Unterkriegen lassen wollen sie sich aber nicht. © Felix Productions | Felix Productions

Wie hart die Maßnahme das bedrängte Land trotzdem treffen, macht der künftige ukrainische Botschafter bei den Vereinten Nationen deutlich: „Die Einstellung der USAID-Hilfen ist eine riesige Herausforderung vor allem für die ukrainische Zivilgesellschaft“, sagt Andrij Melnyk. Es müsse jetzt dringend ein „kreativer Ausweg ausfindig gemacht werden, um das demokratische Fundament, gerade mitten im Krieg, zu festigen“.

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Finanzierungs-Aus für unabhängiges Filmprojekt über Journalisten im Ukraine-Krieg

Ivanka Slobadianiuk und ihr Team der „Felix Produktion“ hat die Schock-Nachricht vom Finanzierungs-Aus so wie alle anderen betroffenen Organisationen wie aus heiterem Himmel getroffen. Am 28. Januar erhält die 30-Jährige ein Schreiben. Darin steht: „Ihr müsst alles sofort stoppen.“ Konkret heißt das für sie: Ihr ehrgeiziges Filmprojekt „Journalist“ kann vielleicht nicht mehr realisiert werden.

Was der Stopp der USAID-Zahlungen für die Ukraine bedeutet
Ivanka Slobadianiuks versteht ihre Arbeit als eine Art unabhängigen Gegenpol zu den etablierten ukrainischen Medien. © Artem Lysak | Artem Lysak

Wir treffen die junge Filmemacherin Anfang Februar in Kiew. Sie ist aufgewühlt. Das Filmprojekt ist ihr ein Herzensanliegen. „Seit dem Beginn der russischen Invasion sind in der Ukraine 111 Journalisten ums Leben gekommen. 84 von ihnen hatten sich wie Oleksandr den Streitkräften angeschlossen.“

Ihre Produktionsgesellschaft ist nach einem Freund benannt, der ebenfalls 2022 gefallen ist. Ihren ersten Film hat sie ihm gewidmet. „Felix“ lief 2023 in ukrainischen und in ausländischen Kinos. „Es war uns wichtig, einen anderen Blickwinkel auf den Krieg zu zeigen, nicht den rein nachrichtlichen. Wir wollten zeigen, welchen Schmerz der Tod eines geliebten Menschen auslösen kann.“ Sie wolle, sagt Slobadianiuk, die Erinnerung an die wachhalten, „die gestorben sind, damit wir leben können“.

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Künftiger UN-Botschafter Melnyk appelliert an Europa, „den Wegfall zu kompensieren“

Zugleich versteht sie ihre Arbeit auch als eine Art unabhängigen Gegenpol zu den etablierten ukrainischen Medien, die seit dem Beginn der russischen Invasion unter dem Kriegsrecht nahezu gleichgeschaltet worden sind. Das politische Programm ist auf allen Fernsehkanälen gleich.

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Für ihr Projekt „Journalist“ hatte Slobadianiuk eine Finanzierungszusage von USAID in Höhe von 62.000 Dollar erhalten, auszahlbar in fünf Tranchen. „Sie haben uns nichts vorgeschrieben und keinen Einfluss den Film genommen“, betont sie. Drei der fünf Tranchen hat das Team bereits erhalten. Sie sind in den vergangenen Monaten durchs Land gereist, waren an der Front, um das Leben von Machow rekonstruieren und die Arbeit der Journalisten dort dokumentieren zu können, haben exklusives Filmmaterial des Getöteten gesichtet. „Er hat sich immer gefragt, was wichtiger ist: das Mikrofon oder das Maschinengewehr.“ Jetzt soll eigentlich die Postproduktionsphase beginnen.

Was der Stopp der USAID-Zahlungen für die Ukraine bedeutet
Trotz des Finanzierungs-Aus will Slobadianiuk ihr Filmprojekt nicht stoppen.  © Felix Productions | Felix Productions

Trotz des Finanzierungs-Aus will Slobadianiuk das Projekt nicht stoppen. „Wir dürfen Trump nicht erlauben, das zu beenden“, sagt sie. Notfalls will sie versuchen, andere Finanzierungsquellen zu finden. „Es gibt keine Zeit, frustriert zu sein. Es ist Krieg im Land. Wir müssen weitermachen.“

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat unterdessen die Regierung beauftragt, eine Liste von vorrangigen Programmen zu erstellen, die aus dem kriegsmaroden Staatshaushalt finanziert werden können. Der künftige UN-Botschafter Melnyk appelliert an die Europäer, „uns aus dieser Zwickmühle herauszuhelfen und den Wegfall zu kompensieren“. Gleichzeitig fordert er die ukrainische Wirtschaft auf, eine nationale Stiftung zu errichten, um alle wichtigen Projekte am Laufen zu halten. „Denn auch sie sind kriegsentscheidend.“

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