Washington. Elon Musk entscheidet über sensible Daten, lässt Regierungsverträge per KI abräumen – und treibt US-Präsident Donald Trump vor sich her.

Wenn sich Donald Trump genötigt sieht, die Hackordnung in seinem Kabinett zu erklären und der Öffentlichkeit zu versichern, dass niemand ohne sein Plazet agiert, ist Gefahr im Verzug. Rüttelt da wer an seinem „Thron”?

Zwei Wochen nach Amtsantritt hat der Präsident der Vereinigten Staaten versucht, dem Eindruck entgegenzuwirken, dass es dem gerade mit Sieben-Meilen-Stiefeln aggressiv durch den Regierungswald rasenden „Sonderangestellten” Elon Musk egal sein könnte, wer unter ihm Präsident ist. „Elon kann und wird nichts ohne unsere Zustimmung tun”, beteuerte Trump gegenüber Journalisten und fügte hinzu: „Wenn es einen Konflikt gibt, dann werden wir ihn nicht in die Nähe kommen lassen.“ Interessant.

Musk, der reichste Mann der Welt, erratischer Multi-Unternehmer und nach der Privatinvestition von rund 290 Millionen Dollar in Trumps Präsidentschaftswahlkampf so etwas wie der Allzweckberater und „First Buddy” im Weißen Haus geworden, wird über den Satz geschmunzelt haben. Die Realität sieht anders aus. 

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Einstellung der staatlichen Entwicklungshilfe USAID geht maßgeblich auf Musk zurück

Musk, eigentlich nur damit beauftragt, bis 2026 Sparpotenziale im Staatsapparat zu identifizieren, produziert seit Tagen einen Konflikt nach dem anderen. Gemeinsame Klammer seiner Alleingänge: Wozu noch Gewaltenteilung? Man kann das Staatsschiff auch als Ein-Hand-Segler steuern.

Elon Musk
Elon Musk ist eigentlich damit beauftragt, bis 2026 Sparpotenziale im Staatsapparat zu identifizieren. © DPA Images | Matt Rourke

Dass die staatliche Entwicklungshilfe-Agentur USAID geschreddert wird, geht maßgeblich auf Musks Abrissbirnen-Rhetorik zurück. Er sprach von einer „teuflischen”, „marxistischen” Veranstaltung, die „sterben“ müsse. Experten für humanitäre Projekte hegen einen heiklen Verdacht: „China wird der große Profiteur der Einstellung von USAID sein. Musk hat dort – siehe Tesla – enorme wirtschaftliche Eigeninteressen. Wollte er Peking ein Geschenk machen?”

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Noch zwielichtiger empfindet die demokratische Opposition Musks Wirken im Finanzministerium. Dort erkämpfte sich der E-Autos- und Raketenbauer von Minister Scott Bessent Computer-Zugang zum Allerheiligsten: dem Transfersystem, mit dem die „Treasury” jährlich sechs Billionen Dollar bewegt; an Bundesbeamte, Ministerien, Unternehmen und Steuerbürger. 

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Musk hat kein offizielles Mandat, entscheidet aber über ganze Regierungsbereiche

Das System enthält sensible Daten, auf die bisher nur wenige Top-Beamte Zugriff hatten. Von denen ist einer bereits aus Protest zurückgetreten. Trumps aus dem Hut improvisiertes „Departement of Government Efficiency” (DOGE), ein bunter Haufen junger Computer-Wizzards um die 25 Jahre, klinkte sich – ohne Sicherheitsüberprüfungen und Kontrollen – in das System ein und sitzt damit nun an der Quelle, um im Stundentakt harte Reformen einzuleiten.

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Aber Musk hat keinerlei offizielles Mandat. Diese Aufgaben gehören in die Obhut des Kongresses. Trotzdem gibt Musk ganze Regierungsbereiche, demnächst das Bildungsministerium, zum Abschuss frei und beendet per Federstrich die Arbeitsverhältnisse Hunderter Menschen. „Nichts davon”, sagte ein Verfassungsrechtler in Bethesda dieser Zeitung, „ist legal”. Der Historiker Douglas Brinkley sieht großes Unheil aufziehen: „Es gibt keine einzige Instanz, die Musk zur Rechenschaft zieht. Das ist ein Vorbote für die Zerstörung unserer Institutionen.“ 

Der Tech-Milliardär wird Berater für Ausgaben-Kürzungen
„Elon kann und wird nichts ohne unsere Zustimmung tun”, beteuert Trump. © DPA Images | Brandon Bell

Brinkleys Analyse wird nach Recherchen der „New York Times“ von hochrangigen Regierungsbeamten geteilt, auch solchen, die Musks Furor eigentlich gut finden. Sie bestätigen hinter vorgehaltener Hand, dass Trumps Leute Musk nie bremsen. „Er genießt völlige Freiheit, das zu tun, was ihm angemessen erscheint.” Rechenschaftspflicht? Kaum vorhanden. Musk betrete das Weiße Haus oft durch einen Seiteneingang und tauche unvermittelt in Besprechungen auf, berichten Insider. Stephen Miller, Trumps Vize-Stabschef, betätigte sich dabei oft als Verstärker von Musk. Auch Miller pfeift auf Bürokratie und geordnete Abläufe.

Klagen gegen Musk: Gewerkschaften und Personal-Verbände ziehen vor Gericht

Dabei entstehen bizarre Willkür-Akte. So erklärte Musk, er habe ein kostenloses Programm der Steuerbehörde „Internal Revenue Service (IRS)” zur Einreichung von Steuern gelöscht. Dagegen bekannte sich Finanzminister Bessent in seiner Senatsanhörung dazu, die digitale Dienstleistung weiter anzubieten. Einige Muskianer sind gerade dabei, Ausgaben und Verträge der Bundesregierung neu erfassen und analysieren zu lassen. Künstliche Intelligenz soll darüber entscheiden, was weg kann und was bleiben darf.

Elon Musk, der reichste Mann der Welt, ist so etwas wie der Allzweckberater und „First Buddy” im Weißen Haus geworden.
Elon Musk, der reichste Mann der Welt, ist so etwas wie der Allzweckberater und „First Buddy” im Weißen Haus geworden. © AFP | KENA BETANCUR

Gewerkschaften und Personalverbände wollen die selbstherrlichen Kapriolen des Milliardärs nicht geräuschlos hinnehmen: Sie sind vor Gericht gezogen. Vier Klagen sind bereits anhängig, weitere kommen hinzu. Ziel: Musks Radius einzuschränken und ihn (und damit Trump) haftbar zu machen. 

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Für den Publizisten und Historiker Garret Graff reicht das nicht aus. Er sieht einen „regelrechten Staatsstreich” in der Entstehung. Musk sei „innerhalb weniger Tage zum nahezu unangefochtenen, nicht gewählten Regierungschef” aufgestiegen. Graff hat sich schildern lassen, wie Musks Truppen plötzlich Anweisungen an Beamte geben und den Rücktritt von jenen erzwingen, die ihnen nicht loyal genug erscheinen. 

Sein Fazit: Elon Musk habe praktisch die Kontrolle über den Verwaltungsstaat übernommen. Graf: „Ich hatte nicht erwartet, dass Elon in Trumps Regierung eine so große Rolle spielen würde. Ich dachte, die anderen Trump-Schmeichler würden ihn als Bedrohung ansehen und dass seine Vorliebe für das Rampenlicht Trump allmählich entfremden würde.”