Berlin. Deutsche Politiker bemühen sich um Kontakte ins Trump-Lager. Unsicher ist jedoch, mit wem die neuen Machthaber überhaupt reden wollen.
Für die Bundesregierung bricht eine Zeitenwende an. Wenn Donald Trump am Montag zum zweiten Mal ins Weiße Haus einzieht, stehen die transatlantischen Beziehungen vor einem Neuanfang. Für die deutsche Politik stellt sich die Frage: Mit wem können wir in Washington künftig reden? Und wem hören die neuen Machthaber eigentlich zu: Führt für Trump Deutschlands Telefonnummer eher zu AfD-Chefin Alice Weidel als ins Kanzleramt?
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Der scheidende US-Präsident Joe Biden war für Kanzler Olaf Scholz wie ein väterlicher Freund. Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) pflegte eine enge Beziehung zu ihrem US-Kollegen Antony Blinken, auch Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) und Pentagonchef Lloyd Austin verstanden sich gut. Alles vorbei.
Mit Trumps Amtsantritt verliert die Bundesregierung bewährte Kontakte in Washington
Mit dem Amtsantritt von Trump und seinen MAGA-Getreuen („Make America Great Again“) verliert die Bundesregierung auch auf Arbeitsebene hunderte bewährte Kontakte. Deutschland könnte künftig aus den USA statt Freundschaft Feindseligkeit entgegenschlagen.
Um dies zu vermeiden, bemühten sich Scholz und Baerbock bei ihren USA-Besuchen, Kontakte zu US-Republikanern zu knüpfen. „Wir fangen nicht bei Null an“, heißt es in der Regierung. Der Transatlantik-Koordinator der Regierung, Michael Link, bereiste unermüdlich die Vereinigten Staaten, um Verbindungen ins Trump-Lager aufzubauen. Nach dem Bruch der Ampel-Koalition ist der FDP-Politiker allerdings nicht mehr im Amt.
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USA-Experte: Direkte Kontakte der deutschen Politik ins Trump-Lager sind dünn
Link ist dennoch bereit, seine Verbindungen zu nutzen. „Auf US-Bundesebene sind einige Republikaner, die ich schon lange kenne, jetzt im Repräsentantenhaus und im Senat in die Führungsebene aufgestiegen“, berichtet Link. „Diese Kontakte sind jetzt besonders wichtig, aber sie sind natürlich noch keine Garantie für Einfluss.“ Wer in der neuen US-Regierung eine Rolle spielen wird, ist weiterhin schwer zu durchschauen.
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„Zentrales Kriterium für ihn ist, wie loyal sich die Kandidaten ihm gegenüber zeigen, wie energisch sie ihn und seine Positionen öffentlich verteidigen“, analysiert die Konrad-Adenauer-Stiftung Trumps Personalpolitik. Trump habe sich kaum aus dem bisherigen Politik-Establishment bedient, sagt auch der SPD-Transatlantiker Metin Hakverdi und nennt als Beispiel den Kandidaten für das Amt des Verteidigungsministers, den früheren Fox-News-Moderator Pete Hegseth. „Insofern sind die direkten Kontakte der deutschen Politik zu Trumps Mannschaft aktuell dünn.“
Scholz über Trump: Meine Berater haben intensiven Austausch zu seinen Beratern
In Berlin wird der Trump-Kosmos mit einer Zwiebel verglichen. Ans Innere der Zwiebel, also an Trump und seine Familie, komme aus Deutschland wohl bisher niemand heran, heißt es. Darum legten sich Schicht um Schicht. Die Schar der Berater und Strategen sei sich allerdings untereinander oft nicht grün. Zudem sei unklar, wer wirklich Trumps Gehör finde. Die Bundesregierung bemüht sich darum, die äußeren Schichten der Zwiebel abzuschälen.
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Einen wichtigen Termin in Washington hatte Scholz‘ außenpolitischer Berater Jens Plötner im Dezember, als er Trumps Nationalen Sicherheitsberater Mike Waltz traf. Auch andere enge Mitarbeiter des Kanzlers suchen längst den Kontakt zu ihren Gegenübern in der Trump-Regierung. „Meine Berater haben einen intensiven Austausch mit seinen künftigen Beratern“, berichtet Scholz.
Trump mag Siegertypen – dem Image entspricht Scholz nicht
Der Kanzler hat seit der US-Wahl zweimal mit Trump telefoniert. Die Gespräche sollen gut gelaufen sein. Allerdings sah Scholz sich dazu genötigt, Trump zurechtzuweisen, als der abermals Ansprüche auf Grönland erhob. Scholz will Trump so schnell wie möglich persönlich treffen, am besten noch vor der Bundestagswahl. Ob es dazu kommt, ist fraglich. Trump mag starke Politiker und Siegertypen – dem Image entspricht der um seine Wiederwahl kämpfende Kanzler derzeit nicht.
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In der CDU wird deswegen gehofft, dass Friedrich Merz als Wahlsieger und neuer Kanzler Trumps Anerkennung und eine Gesprächsebene mit dem US-Präsidenten findet. Auch, weil Merz als Typ Trump mehr liege als Scholz. Unionspolitiker wie Jens Spahn haben sich ebenfalls längst darum bemüht, Kontakte zu Trump-Anhängern aufzubauen. Merz ginge es als Kanzler jedoch nicht anders als Scholz: Trotz allem Willen zur Zusammenarbeit müsste er bei Konflikten Trump die Stirn bieten und für Europas Interessen kämpfen.
Sieht das Trump-Lager seine Verbündeten in Deutschland bei Weidel und Co?
Eine Sorge treibt die Union zudem um: Sehen Trump und das rechtspopulistische MAGA-Lager vielmehr in der AfD ihre natürlichen Verbündeten als bei den deutschen Konservativen? Der offenbar großen Einfluss auf Trump genießende Multimilliardär Elon Musk adelte Weidel kürzlich mit einem Livegespräch auf seiner Social-Media-Plattform X und rief zur Wahl der AfD auf. Auf Einladung aus Kreisen der US-Republikaner reist AfD-Chef Tino zu Trumps Amtseinführung. Die künftige Bundesregierung muss damit rechnen, dass zumindest Teile des Trump-Lagers enge Kontakte zur AfD pflegen.
In der deutschen Politik wird darauf gehofft, wichtigen US-Vertretern Mitte Februar auf der Münchner Sicherheitskonferenz näher zu kommen. Baerbock könnte dort Außenminister Marco Rubio persönlich kennenlernen. Noch ist aber unklar, welche Bedeutung die Trump-Leute der traditionsreichen Tagung beimessen. Man hoffe auf eine „große Delegation“, heißt es von den Organisatoren lediglich.
Transatlantiker über Trump: „Berechenbar ist, dass er im Grundsatz unberechenbar bleibt“
Ob Sicherheitspolitik oder mögliche Handelskonflikte: Koordiniert von Auswärtigem Amt und Kanzleramt bereitete sich die Bundesregierung seit längerer Zeit auf Trumps Forderungen vor. Sicher ist nach Einschätzung des früheren Transatlantikkoordinators Link jedoch nur eins: „Berechenbar ist, dass er im Grundsatz unberechenbar bleibt. Das war in der ersten Amtszeit so und wird auch in der zweiten so bleiben.“