Washington. Beinahe jeden Tag greift Elon Musk auf seiner Plattform Politiker in Europa an. Dahinter steckt ein düsteres Kalkül des Tech-Milliardärs.
- Elon Musk beleidigt deutsche Spitzenpolitiker
- Auch gegen die britische Regierung geht er auf „X“ vor
- Was bezweckt der Milliardär?
Nach seinem geglückten Investment von über 240 Millionen Dollar in den Wahlkampf von Präsident-in-spe Donald Trump in Amerika nimmt Elon Musk mit seinem Kommunikationsportal X das politische Establishment in Europa unter digitales Feuer.
Es vergeht kaum mehr ein Tag, an dem der derzeit reichste Mann der Welt nicht gegen amtierende Regierungen hetzt, etablierte Staats- und Regierungschefs verunglimpft und sich bei als rechtsextrem eingestuften Parteien und deren Führungsfiguren anbiedert.
Am Donnerstag bietet der Multi-Milliardär der AfD-Ko-Vorsitzenden Alice Weidel auf X mit Blick auf die Bundestagswahl am 23. Februar eine umstrittene Live-Bühne im virtuellen Raum. Musk hatte nach dem Scheitern der Ampel-Koalition in Berlin Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) als „Verrückten“ und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier als „Tyrannen“ bezeichnet und der vom Verfassungsschutz beobachten AfD einen Kranz geflochten. Deutschland stehe am „Rande des wirtschaftlichen und kulturellen Zusammenbruchs“ - „Nur die AfD kann Deutschland retten“.
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Warum Musk vor allem Großbritannien attackiert
Zielscheibe Nr. 1 ist für Musk derzeit Großbritannien. Seit Wochen fährt er eine Kampagne gegen Premierminister Keir Starmer. Sie gipfelte zuletzt in der Forderung, der Labour-Vertreter gehöre vor Gericht gestellt, müsse zurücktreten und „Amerika das britische Volk von ihrer tyrannischen Regierung befreien“. Musk behauptet, Starmer habe als früherer Generalstaatsanwalt begünstigt, dass Banden muslimischer Männern pakistanischer Herkunft, die in einen Vergewaltigung-Skandal mit über tausend jungen Mädchen in ganz Großbritannien verwickelt waren, juristisch zu sanft behandelt worden seien. Parallel macht er sich für die Freilassung des inhaftierten Rechtsextremisten Tommy Robinson stark.
Hier kennt Musk kein Pardon. Als der bisher von ihm hofierte Chef der rechtsgerichteten Reformpartei, Trump-Fan Nigel Farage, bei Robinson eine Brandmauer zog, kanzelte Musk den maßgeblichen Betreiber des Brexits brutal ab und forderte einen neuen Vorsitzenden für Reform UK. Premierminister Starmer versuchte es lange Zeit mit der Strategie, die Provokationen Musks zu ignorieren. Mittlerweile wirft dem gebürtigen Südafrikaner die Verbreitung von „Lügen und Fehlinformationen“ vor.
Für Europas Eliten ist der konfrontative Stil Musks, der wie Donald Trump zu Polemik und persönlichen Beleidigungen neigt, eine Herausforderung. Aus Sorge, es sich mit dem am 20. Januar zum zweiten Mal ins Weiße Haus einziehenden Trump zu verscherzen, dessen Top-Berater mit weitreichenden Befugnissen Musk ist, oder die Wirkung der Musk-Attacken noch zu verstärken, verzichten die meisten bisher auf scharfe Konter. „Wer hätte sich vor zehn Jahren vorstellen können, dass der Eigentümer eines der größten sozialen Netzwerke der Welt direkt in Wahlen eingreift, auch in Deutschland?“, sagt etwa der französische Präsident Emmanuel Macron. Kanzler Scholz, mehrfach selbst Zielscheibe von Musk-Invektiven geworden, rät dazu, bei persönlichen Angriffen „cool zu bleiben“.
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Guter Draht zu Giorgia Meloni
Das Gegenmodell ist Italiens Premierministerin Giorgia Meloni. Musk begegnet der Chefin einer Regierung mit post-faschistischer Beteiligung, mit fast schon romantischer Sympathie. Seit Meloni 2022 ins Amt kam, hat Musk sich mit der Italienerin, die ihn als „Genie“ anhimmelt, mehrfach getroffen. Sie teilt seine ablehnenden Auffassungen zu Einwanderung, sinkenden Geburtenraten und „woken“ Politik-Konzepten für Minderheiten wie Transgender-Menschen. Nach Informationen der Agentur Bloomberg erwägt Meloni bei Musk die Bestellung eines für Italien maßgeschneiderten satellitengestützten Kommunikationssystems im Volumen von 1,5 Milliarden Euro. Hier würde „Starlink“, das zu Musks Raumfahrtunternehmen SpaceX gehört, der Geschäftspartner sein. Neben AfD-Weidel ist auch Ungarns Regierungschef Viktor Orbán regelmäßig Adressat von Charme-Offensiven.
Musks Vorgehen erinnert an die kläglich gescheiterten Versuche des ehemaligen Spin-Doktors in Trumps erster Präsidentschaft, Steve Bannon, 2019 vor den Wahlen zum EU-Parlament ein Netzwerk rechter Parteien zu stricken, um vor allem Trumps Anti-Einwanderungspolitik auf dem alten Kontinent zu etablieren.
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Warum Musk die EU im Visier hat
Während sich Wirtschaftsvertreter die Augen reiben, wie der Multi-Unternehmer neben seinem Firmen-Imperium intensiv Trumps Regierungsteam unterstützt und jetzt auch noch Zeit findet, sich im Stile eines Zeitungsmoguls alter Schule in inner-europäische Angelegenheiten einzumischen, sehen Rechtsexperten klare Motive: „Musk will die Schlüssel-Staaten der Europäischen Union und damit deren Schaltzentrale in Brüssel destabilisieren“, sagt ein Experte mit Regierungserfahrung der Denkfabrik Brookings in Washington.
Dahinter steckten EU-Instrumente zur Regulierung sozialer Medien. Die Europäische Union hat schon vor geraumer Zeit ein Vertragsverletzungsverfahren gegen X nach dem „Digital Services Act“ eingeleitet. Tenor: Musk tue nicht genug gegen Desinformation und andere toxische Inhalte. Weil das Gesetz der EU-Kommission die Verhängung von Geldbußen von bis zu sechs Prozent des weltweiten Umsatzes einer Firma erlaubt, steht für Musk viel auf dem Spiel. Zumal die EU-Kommission angekündigt hat, sein Livestream-Interview mit Alice Weidel genau zu beobachten. Musk wiederum will, dass Trump die EU zum Verzicht auf juristische Schritte gegen X drängt und dabei die Drohung eines Handelskrieges mit hohen Import-Zöllen als Druckmittel einsetzt. Er hat nicht vergessen, dass die ehemalige EU-Kommissarin Věra Jourová ihn als „Förderer des Bösen“ bezeichnet hat.
Über die Auswirkungen der Musk-Angriffe auf den politischen Mainstream in Europa gibt es keine gesicherten Erkenntnisse. X, das frühere Twitter, spielt etwa in Deutschland mit knapp 11 Millionen Nutzern bei weitem nicht die Rolle, die es in den USA hat. Musks Sherpa-Dienste für die AfD finden laut Umfragen drei Viertel der Deutschen unziemlich. In Großbritannien hat nur ein Viertel eine positive Meinung von Musk.
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