Berlin. Die FPÖ steht in Österreich vor der Regierungsübernahme. Davon träumt die AfD in Deutschland. Die Verbindungen der beiden Parteien sind eng.
Alice Weidel hat es international oft nicht leicht. Als die AfD-Chefin sich den radikal Rechten in Frankreich um Marine Le Pen annähern wollte, scheiterten die Gespräche. Le Pen kündigte sogar die Zusammenarbeit im europäischen Parlament auf. Mit der Postfaschistin Giorgia Meloni in Italien hat Weidel offenbar auch Probleme, nicht ideologisch, aber inhaltlich. Weidel warf Meloni vor, das europäische „Volksvermögen“ zu verschleudern. Die europäische rechte Achse giftet sich an.
Freunde aber findet Alice Weidel, die Spitzenkandidatin der „Alternative“ im anstehenden Bundestagswahlkampf, in Wien – beim selbsternannten „Volkskanzler“, dem Chef der „Freiheitlichen“ FPÖ, Herbert Kickl. Kickl steht nun dort, wovon Weidel träumt. Der österreichische Bundespräsident Van der Bellen hat Kickl mit der Regierungsbildung beauftragt.
Die AfD gilt den Sicherheitsbehörden als in Teilen rechtsextreme Partei, mehrere Landesverbände sind im Verfassungsschutz als „gesichert rechtsextrem“ eingestuft. Die AfD ist eine junge Partei, gegründet vor gut zehn Jahren. Die FPÖ in Österreich gibt es schon Jahrzehnte. Sie gründete sich auf Bundesebene 1956 als Nachfolge des „Verbands der Unabhängigen“, eine deutschnationale Partei, in der sich frühere Nationalsozialisten tummelten.
Ihre Geschichten sind ganz unterschiedlich. Und doch gelten AfD und FPÖ heute als Teil einer politischen Bewegung der Neuen Rechten. Wer mit wichtigen Funktionären in der Bundestagsfraktion der AfD spricht, hört oft diesen Satz: Die FPÖ sei Vorbild für die AfD.
AfD und FPÖ bauen ihre eigenen Medienkanäle auf
Warum das so ist, erklärt sich leicht: FPÖ regierte schon mehrfach in Österreich mit. In Deutschland triumphiert die AfD vor allem im Osten. Bisher schließen alle anderen Parteien eine Koalition mit der „Alternative“ aus – zumindest auf Bundesebene hebt die CDU eine „Brandmauer“ nach rechts hervor.
Beide, AfD und FPÖ, bauen längst ihre eigenen Medienkanäle auf, 2023 traten Weidel und Kickl gemeinsam zum Interview im rechten Szene-TV-Sender Auf1 auf. Das extrem rechte Magazin „Compact“ titelt nun: „Ösi-Hammer: Kickl wird Kanzler – bald folgt Weidel“. Jeder Wahlsieg treibt Aufmerksamkeit und am Ende so auch Geld in diese Kanäle.
Das Auf1-Interview mit Weidel und Kickl entsteht im Umfeld eines Besuchs der AfD-Chefin in Wien, prominent inszeniert mit einer Pressekonferenz der beiden. Wer in Weidels Umfeld blickt, sieht vor allem eine personelle Nähe nach Österreich: Weidels wohl engster Vertrauter und Büroleiter, Daniel Tapp, lebte eine Zeit in Österreich und arbeitete für die damalige FPÖ-Abgeordnete Barbara Rosenkranz.
„Beide Parteien haben heute personelle Verbindungen zur rechtsextremen Identitären Bewegung, rechtsextremen Burschenschaften oder anderen rechtsextremen Organisationen“, schreibt die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung in einer knapp 50-seitigen Analyse der Parteien. Im Parteiprogramm nennt die FPÖ den rechten Kampfbegriff „Remigration“, also die massenhafte Ausweisung von Migranten, explizit. Es ist ein Slogan, den der Rechtsextremist und führende Kopf der „Identitären Bewegung“, Martin Sellner, auch auf einem Treffen Ende 2023 in Potsdam vorgestellt haben soll. Bei dem Treffen waren laut einer Recherche von „Correctiv“ auch Mitglieder der AfD.
Die Parolen ähneln sich, die Verbindungen zu neurechten außerparlamentarischen Organisationen wie den „Identitären“ sind zu erkennen. Und auch die Einstellungen der Wählerinnen und Wähler sind vergleichbar – und in Teilen radikal. So hält der Think-Tank „Cemas“ 2022 in einer Untersuchung fest: „Vor allem AfD- und FPÖ-Wähler:innen neigen zum QAnon-Verschwörungsglauben.“ QAnon ist eine Bewegung mit Ursprung in den USA, sie verbreitet Mythen über einen „tiefen Staat“, der die Regierungen kontrolliert. Insgesamt sei die Radikalisierung bei der AfD aber weiter fortgeschritten, bilanzieren die Autoren der KAS-Analyse.
Der Erfolg von Kickl in Österreich gibt der AfD Rückenwind. Weidel provoziert mit einer Warnung an CDU-Chef Friedrich Merz: „Der krachende Zusammenbruch der in Österreich von der ÖVP gegen die FPÖ errichteten Brandmauer aus Wahlverlierern sollte der Union und Friedrich Merz ein warnendes Beispiel sein.“ Weidel sieht auch in Deutschland den Widerstand gegen ihre Partei bröckeln – und auf kommunaler Ebene gibt es mittlerweile Zusammenarbeit von Konservativen und AfD.
Deutschland erlebt im rasanten Tempo, was in anderen EU-Staaten längst passiert ist: einen Aufstieg der Rechten. So stärkt die mögliche Machtübernahme der FPÖ in Österreich andere Parteien des Lagers, auch die AfD. Ihre flüchtlingsfeindlichen Positionen werden mit einer Regierungsbeteiligung normalisiert, ein Ende der Sanktionen gegen Wladimir Putin bekommt neuen Schwung in der EU, Waffenlieferungen an die Ukraine wollen weder AfD noch FPÖ. Europa rückt in Richtung Moskau – von Orban in Ungarn über Fico in der Slowakei zu Kickl in Österreich. Es ist ein Kurs, von dem auch Teile der AfD profitieren wollen – allen voran die Extremisten um Björn Höcke. Ähnlich wie AfD-Politiker suchte auch Kickl in der Corona-Pandemie die Nähe zu Verschwörungsideologen.
1938 bejubelten Nationalsozialisten in Deutschland und Österreich den „Anschluss“, auf Druck Hitlers wurde der Alpenstaat Teil des Deutschen Reiches. Von solchen Gedanken sind radikale Rechte heute weit weg. Und doch sind die Verbindungen eng. Nach dem Wahlsieg postet AfD-Chefin Weidel eine Karte, sie zeigt die Umrisse Deutschlands und Österreichs, wie zwei passende Puzzleteile liegen sie nebeneinander.
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