Berlin. Was kommt auf Deutschland zu, wenn Trump US-Präsident ist? Der Chef von Europas Christdemokraten, Manfred Weber, sieht Grund zur Hoffnung.
In wenigen Tagen ist Joe Biden Geschichte, im Weißen Haus übernimmt Donald Trump. Manfred Weber, als Chef der europäischen Christdemokraten einer der einflussreichsten Politiker in Brüssel, sagt im Interview, wie sich Deutschland und Europa gegen die USA behaupten können.
Herr Weber, fürchten Sie die Rückkehr von Donald Trump?
Manfred Weber: Keine Frage: Am 20. Januar wird eine neue Zeitrechnung beginnen. Das hat nicht nur Trumps Wahlkampf, sondern auch die eine oder andere Personalentscheidung bei der Bildung der neuen Administration gezeigt. Wir müssen uns ernsthaft auf Trump vorbereiten.
Wie wollen Sie verhindern, dass Trump die deutsche Wirtschaft mit hohen Importzöllen weiter in den Abgrund stößt?
Weber: Wir müssen davon ausgehen, dass Trump genau das umsetzt, was er angekündigt hat: 20 Prozent Zölle auf europäische Produkte werden sehr bald möglich sein. Darauf muss Europa sich vorbereiten – mit Selbstbewusstsein. Wir sind wirtschaftlich ungefähr gleich groß wie die Amerikaner, vertreten beide je über 20 Prozent der Weltwirtschaftsleistung. Auch wir sind zu Gegenmaßnahmen fähig. Die amerikanischen Digital-Konzerne verdienen viel Geld in der EU und zahlen kaum Steuern – da könnte man sicher ansetzen. Allerdings wollen wir keinen Handelskrieg, das würde den Westen insgesamt nur schwächen, beispielsweise gegenüber China. Wir brauchen vielmehr eine Wirtschafts-Nato. Wir sollten Trump anbieten, gemeinsam gegenüber China aufzutreten.
Bedeutet konkret?
Weber: Trump sucht nach Deals, die er als „America first“ zu Hause verkaufen kann. Diese reine Deal-Logik ist ungewohnt für uns – nicht zu sehr, dass er nationale Interessen artikuliert, das macht jede Regierung. Vielmehr ist für ihn Politik eine Art Armdrücken. Trump wird vor Europa nur Respekt haben, wenn es selbstbewusst und geschlossen auftritt. Bei Zoll-Fragen ist allein die EU zuständig – da gibt es kein nationales Veto, das macht uns stark. Und natürlich hält uns Trump auch den Spiegel vor: Die EU und vor allem Deutschland haben Wettbewerbsfähigkeit eingebüßt. Wir müssen besser werden. Mehr Forschung, weniger Bürokratie, mehr EU-weite Märkte, günstigere Energie, legale Zuwanderung von Arbeitskräften und mehr Handelsabkommen. Mercosur, ein Handelsabkommen zwischen der EU und Südamerika, hat in Washington Eindruck gemacht. 720 Millionen Verbraucher stellen das größte Freihandelsabkommen in der Geschichte dar – und das ohne die USA.
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Wenn es schlecht läuft, fällt Amerika als militärische Schutzmacht aus. Könnte Europa sich selbst verteidigen gegen den russischen Aggressor?
Weber: Putin steht für ein imperiales Denken, das andere angreift und besetzen will. Wir hatten gedacht, dass dieses Denken mit dem Zweiten Weltkrieg in Europa beendet wurde. Dem ist nicht so, wir stehen in Putins Fadenkreuz. Schon die erste Trump-Administration hat gezeigt: Die USA bekennen sich zur Nato. Da sollen sich keine AfD oder Sahra Wagenknecht voreilig die Hände reiben. Wahr ist allerdings auch: 330 Millionen Amerikaner werden nicht dauerhaft 440 Millionen Europäer verteidigen wollen. Es ist jetzt der richtige Moment, die Verteidigung europäisch zu denken. Wir brauchen eine gemeinsame Beschaffung, um billiger Waffen zu kaufen, wir brauchen einen europäischen Raketen-Schutzschirm und eine Cyber-Abwehrbrigade und wir müssen die Ostgrenze gemeinsam sichern. Dafür sind zwei Prozent zum Investieren ein absolutes Minimum.
Kann die EU auch die Ukraine verteidigen, wenn Trump die Unterstützung einstellt?
Weber: Die EU zeigt seit dem ersten Tag von Putins schrecklichem Angriffskrieg, dass wir an der Seite der Ukraine stehen. Und mit uns der gesamte Westen – nicht nur die USA. Deutschland gibt derzeit nur rund 0,64 Prozent seines Bruttoinlandsprodukts für Ukraine-Hilfen aus. Die Frage ist doch nicht, ob wir als Europa den Krieg in der Ukraine finanziell durchstehen, das wird die EU mit ihrer Finanz- und Wirtschaftskraft immer im Kreuz haben. Vielmehr geht es in diesem Jahr um die Frage, wie eine tragfähige Friedens- und Sicherheitsordnung in Europa mittel- und langfristig aussehen kann. Und dafür dürfen wir dem Kriegsverbrecher Putin keinen kurzfristigen Deal vorschlagen, sondern müssen ihm klare Grenzen setzen.
Wenn es um die deutsche Militärhilfe für die Ukraine geht, sind die Grünen viel entschiedener als die SPD. Wäre es vor diesem Hintergrund klug, Schwarz-Grün nach Bundestagswahl auszuschließen?
Weber: Es ist klug, jetzt keine Koalitionsdebatten zu führen, sondern für ein starkes Unionsergebnis zu kämpfen. Wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, die Bekämpfung der irregulären Migration, mehr Sicherheit und eine umfassende Entbürokratisierung. Das Scheitern der Ampel zeigt doch eins ganz deutlich: Deutschland braucht einen Politikwechsel.