Berlin. Kleine Parteien scheitern meist an der Fünf-Prozent-Klausel – wenn sie überhaupt zugelassen werden. Und doch sind sie ein Machtfaktor.

  • Volt, Freie Wähler, Die Partei – sie alle treten zur Bundestagswahl an
  • Ihre Wahl birgt Risiken
  • Aber ist eine Stimme auch verschenkt, wenn sie an die Kleinparteien geht?

Nach dem Bruch der Ampel-Koalition ist der Wahlkampf extrem kurz. Die vorgezogene Bundestagswahl 2025 hat vor allem die Mini-Parteien in Deutschland unter Druck gesetzt: Normalerweise müssen sie bis zum 69. Tag vor der Wahl mehr als 27.000 Unterstützungsunterschriften sammeln, um bundesweit auf die Wahlzettel zu kommen. Doch wegen der vorgezogenen Wahl hat das Bundesinnenministerium die Frist in einem Verordnungsentwurf angepasst. Statt der ursprünglich vorgesehenen Frist blieben den Parteien 34 Tage Zeit – konkret bis zum 20. Januar 2025 –, um die notwendigen Unterschriften einzureichen.

Zuvor hatten mehrere kleine Parteien in einem offenen Brief vergeblich eine Anpassung der Vorschriften gefordert, um gleiche Bedingungen für alle politischen Gruppierungen zu schaffen. Die Kleinstparteien mussten also einen mühsamen Kampf bestehen, um am 23. Februar auf dem Stimmzettel zu stehen. Doch wie wichtig sind sie eigentlich für die Demokratie, und wie stehen ihre Chancen bei dieser Wahl?

Tatsächlich nimmt die Bedeutung von Klein- und Kleinstparteien zu, das zeigte sich bei der Europawahl im Juni dieses Jahres, als Volt und die Tierschutzpartei einen Achtungserfolg erreichten. Das bestätigt auch Parteienforscherin Heinrike Rustenbeck von der TU Chemnitz: Der Trend verstetige sich seit den 2010er Jahren, sagte sie dieser Redaktion. Grund sei der „starke Themenfokus“. Sie besetzten Themen, die etablierte Parteien nicht abdecken würden. Besonders junge Wählerinnen und Wähler seien bereit, ihre Stimme kleineren Parteien zu geben.

Sperrminorität: So können Stimmen für Kleinparteien die AfD stärken

Doch die Wahl kleiner Parteien birgt Risiken. Stimmen für eine Partei, die an der Fünf-Prozent-Hürde scheitert, fließen nicht in die Sitzverteilung des Bundestags ein. „In einer polarisierten Parteienlandschaft kann das dazu führen, dass Parteien wie die AfD leichter eine Sperrminorität erreichen, wie kürzlich an den Ergebnissen der Landtagswahlen in Brandenburg und Thüringen sichtbar wurde. Es gibt sicher einige Wählerinnern und Wähler, die auf dieser Grundlage entscheiden, wem sie ihre Stimme geben“, sagt Rustenbeck.

Als Sperrminorität bezeichnet man eine Minderheit, die gerade genug Stimmen hat, um bei Abstimmungen bestimmte Beschlüsse zu verhindern, indem sie die erforderliche Mehrheit blockiert. Im Bundestag und in den Landtagen reicht ein Drittel der Sitze.

197505_1325_197505_cover.jpg

#8 Ricarda Lang über ihren Rücktritt, Humor und alte Männer

Meine schwerste Entscheidung

Fünf-Prozent-Hürde: Das bedeutet sie für die ganz kleinen Parteien

Ist eine Stimme für die Kleinparteien, die kaum eine Chance auf das Erreichen der Fünf-Prozent-Hürde hat, verloren? Rustenbeck widerspricht: „Viele Parteien haben klein angefangen. Wenn niemand sie wählt, können sie sich auch nicht etablieren.“ Kleine Parteien könnten schließlich ab einem Stimmanteil von 0,5 Prozent von der staatlichen Parteienfinanzierung profitieren, was langfristig ihre Position stärke. Insofern sei es durchaus sinnvoll, die Wahl von den persönlichen Einstellungen und nicht von den Erfolgschancen abhängig zu machen. Diese Kleinstparteien treten unter anderem an:

Bundesparteitag der Partei Freie Wähler
Hubert Aiwanger, Chef der Freien Wähler, will erreichen, dass seine Partei eine Fraktion im Bundestag bildet. © DPA Images | Daniel Vogl

Freie Wähler

Diese Partei bezeichnet sich als „wertkonservativ und bürgerlich-liberal“. Sie ist besonders in Bayern stark vertreten, bekam 2023 bei der Landtagswahl 11,6 Prozent der Stimmen und stellt seit 2018 mit Hubert Aiwanger den stellvertretenden Ministerpräsidenten und Wirtschaftsminister. Bei der Bundestagswahl 2021 erreichten die Freien allerdings nur 2,4 Prozent. Aiwanger setzt daher darauf, drei Direktmandate zu bekommen. Dann können die Freien Wähler durch eine Sonderregelung beim Wahlrecht als Fraktion in den Bundestag einziehen – auch wenn sie nicht die Fünf-Prozent-Hürde erreichen. Ihr Ziel ist eine Koalition mit CDU/CSU und FDP.

GER, Themenbild, Wahlplakate zur Bundestagswahl in Deutschland 2025, 14.01.2025.
Die Plakate von Volt fallen im Straßenwahlkampf auf. © imago/Eibner | IMAGO stock

Volt Deutschland 

Die paneuropäische Bewegung Volt wurde 2018 gegründet. Die Partei ist in mehreren europäischen Ländern aktiv, darunter Frankreich, Italien und die Niederlande. Bei der Europawahl 2024 erzielte sie bundesweit 2,6 Prozent. In ganz Europa holte die Partei fünf Sitze im Parlament. Spitzenkandidatin ist Maral Koohestanian. Die Partei setzt sich unter anderem für europäische Reformen und eine nachhaltige Wirtschaft ein. „Von Kopenhagen bis Barcelona – überall in Europa gibt es Regionen, die uns zeigen, wie klimaintelligente Wirtschaft, digitale Verwaltung und bezahlbares Wohnen funktionieren“, sagt Koohestanian. Finanziell ist Volt Deutschland gut ausgestattet – dank einer Millionenspende des Sängers und Erben Thadaeus Friedemann Otto.

Auch interessant

Wahlplakate zur Europawahl 2024
Ein Archiv-Wahlplakat der Partei Mensch Umwelt Tierschutz mit der Aufschrift: Weil jedes Leben wertvoll ist - Tierschutzpartei wählen! © picture alliance/dpa/Revierfoto | Revierfoto

Die Tierschutzpartei

Der Name ist Programm: Der Partei geht es um die Tierrechte, aber auch eine nachhaltige Landwirtschaft, eine sozial gerechte Wirtschaftspolitik und ein besseres Gesundheitssystem. „Mensch, Tier und Natur sind eine untrennbare Einheit“, heißt es im Grundsatzprogramm. Eine wesentliche Forderung: „Der Tierschutz gehört mit einem eigenen Artikel ins Grundgesetz.“

Auch interessant

Die Partei

Die Partei, geführt von Martin Sonneborn, ist bekannt für ihre satirische Auseinandersetzung mit politischen Systemen. Seit 2014 sitzt Sonneborn im Europäischen Parlament und setzt sich dort für mehr Transparenz und einfachere Entscheidungsprozesse ein. Die Partei nutzt Humor, um politische Schwächen aufzuzeigen, während sie gleichzeitig ernsthafte Themen in den Diskurs einbringt. Damit sorgt sie immer wieder für Empörung, auch im aktuellen Wahlkampf, bei dem Plakate aufgehängt werden mit der Aufschrift „Fickt euch doch alle“ oder „Der nächste Kanzler ist ein Arschloch“.

Bundestagswahl 2025 ? Wahlkampf, Berlin, 05.02.2025
Das soll Satire sein: Plakate der Partei Die Partei. © IMAGO/Ardan Fuessmann | IMAGO stock

Die Piratenpartei

In den frühen 2010er zog die Piratenpartei als Newcomer in mehrere Landtage ein und erreichte bei Umfragen bundesweit mehr als zehn Prozent, sie stürzte dann aber nach internen Streitigkeiten ab. Die Piratenpartei setzt sich besonders für digitale Grundrechte, Datenschutz und Netzneutralität ein. Bei der Bundestagswahl 2013 erreichte die Partei noch über zwei Prozent der Stimmen. Ihre Wahlergebnisse sind in den letzten Jahren weiter gesunken. Bei der Bundestagswahl am 23. Februar tritt die Piratenpartei nur in Niedersachsen, dem Saarland und Sachsen an.