Düsseldorf. Der Informationsfluss zwischen Innen- und Intergrarionsministerium nach dem Attentat war holprig. Hat die Ministerin Fehler gemacht?
NRW-Integrationsministerin Josefine Paul (Grüne) hat Kritik an der Krisenkommunikation zwischen ihr und NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) nach dem Attentat in Solingen zurückgewiesen.
Landeskriminalamt soll erst einen Tag später wichtigen Hinweis gegeben haben
„Die Meldekette hat funktioniert. Mein Haus hat alles getan, was am Samstag, 24. August, also am Tag nach dem Anschlag möglich war“, sagte sie in einer Aktuellen Viertelstunde im Integrationsausschuss. Am Samstagabend hätten sich im Integrationsministerium zwar schon die Hinweise darauf „verdichtet“, dass es sich bei jenem Issa Al H., um dessen Mithilfe bei der Identitätsfeststellung das Landeskriminalamt (LKA) Pauls Ministerium am Samstag gebeten hatte, um den Attentäter von Solingen gehandelt habe. Diese Information habe Pauls Behörde aber erst am Sonntagmorgen, 25. August, von LKA gesichert erhalten.
Die Ministerin steht in der Kritik, weil Unstimmigkeiten in ihrer Krisenkommunikation öffentlich geworden waren: Das LKA bat das Integrationsministerium am Samstagnachmittag um Unterstützung dabei, beim Bund die Asylakte von Issa Al H. anzufordern. Warum erfuhr Paul dann erst einen Tag später vom dem Solingen-Bezug? Und warum äußerte sie sich überhaupt erst vier Tage nach dem Attentat zu ihrer rechtlichen Verantwortlichkeit für den Fall?
Innenminister Reul ignorierte den Rat des Polizeiinspekteurs, Paul früh zu informieren
Ebenfalls pikant: Der Inspekteur der Polizei im NRW-Innenministerium soll laut dem „Spiegel“ schon am Samstagabend Innenminister Reul geraten haben, Paul darüber zu informieren, dass es bei dem Attentäter einen gescheiterten Abschiebeversuch gegeben hatte. Reul entschloss sich aber erst am Sonntag dazu, seine Kabinettskollegin darüber in Kenntnis zu setzen. Dass das ein Fehler war, hat Reul inzwischen eigestanden. „Dem kann ich mich anschließen“, sagte Paul im Ausschuss.
Der blutige Anschlag von Solingen
Bei dem Anschlag hatte ein Angreifer am Abend des 23. August auf einem Stadtfest in Solingen drei Menschen mit einem Messer getötet und acht weitere verletzt. Mutmaßlicher Attentäter ist der Syrer Issa Al H., der unter Mordverdacht in Untersuchungshaft sitzt. Die Terrorgruppe Islamischer Staat hatte den Anschlag für sich reklamiert. Der Syrer soll über Bulgarien nach Deutschland gekommen sein und hätte eigentlich abgeschoben werden sollen. (dpa)
Recherchen dieser Redaktion setzen die Ministerin zusätzlich unter Druck: Am 30. August hatte Paul die Bezirksregierungen per Erlass aufgefordert, Abschiebe-Möglichkeiten in EU-Staaten intensiver zu nutzen. Daraufhin beschwerten sich die Regierungspräsidenten in einem Brandbrief an Paul: Sie wollten sich und ihren Ausländerbehörden nicht die Schuld für gescheiterte Abschiebungen zuschieben lassen. Die Ministerin beschrieb diesen Zwist nun als „offenen Austausch“ und „normales Arbeitshandeln“.
Die Opposition schäumt: „Trauerspiel“, „Verweigerungshaltung“, Unprofessionalität“
Die SPD wirft Paul „Verweigerungshaltung“ vor. Es sei ein „Trauerspiel“, dass Paul auf „Salamitaktik“, also auf das scheibchenweise Preisgeben von Informationen setze.
„Die schwarz-grüne Landesregierung zeige „ein erschreckendes Maß an Unprofessionalität“, wetterte FDP-Innenexperte Marc Lürbke: Anstatt in einer Krise gemeinsam Verantwortung zu übernehmen, bleibt die Kommunikation zwischen Innenminister Reul und Fluchtministerin Paul sowie innerhalb der gesamten Landesregierung unkoordiniert.“ Die Kritik der Regierungspräsidenten Pauls stelle zudem fachliche Kompetenz in Frage.
Mit den Hintergründen der Tat von Solingen und dem Behördenhandeln beschäftigt sich in NRW ein Parlamentarischer Untersuchungsausschuss.