Berlin. Nach heftigem Protest hat das Bundessozialministerium die Observierungsklausel für Hartz-IV-Empfänger wieder gestrichen. Die entsprechende Dienstanweisung sei zurückgenommen worden. Demnach sollten die Kontrollen bei Verdacht auf schweren Leistungsmissbrauch verschärft werden.
Hinter vorgehaltener Hand wurde man im Bundessozialministerium am Donnerstag deutlich: Es sei nichts weniger als eine „kommunikative Katastrophe”, die sich die Bundesagentur für Arbeit (BA) rund um ihre Dienstanweisung zur Bekämpfung von Leistungsmissbrauch geleistet habe, hieß es.
Streitpunkt ist ein Passus in dem neuen Regelwerk, das verschiedene Formen der Kontrolle und Prüfung von Leistungsbeziehern rechtlich erstmals verbindlich zusammenfasst. Demnach sollten in seltenen, allerdings nicht genau definierten Ausnahmefällen auch eine geheime Observierung hartnäckiger Sozialbetrüger möglich sein. Als ausführende Organe waren von der BA beauftragte Außendienstler vorgesehen - entweder Mitarbeiter der Behörde, möglicherweise auch Privatdetektive.
Observation - ein Reizwort
Observation - ein Reizwort, das die erwartbaren Reaktionen nach sich zog. Arbeitsloseninitiativen protestierten gegen das ihrer Ansicht nach ungesetzliche Vorhaben. Mit Beobachtungen ohne Wissen der Betroffenen würden sich die Jobcenter Kompetenzen anmaßen, „die selbst Strafermittlungsbehörden nicht besitzen”, so Martin Behrsing, Sprecher des Erwerbslosenforum Deutschland. Behrsing kündigte einen Antrag auf einstweilige Anordnung an, um der Bundesagentur die entsprechende Anweisung gerichtlich untersagen zu lassen.
Dem Ministerium wurde dieser Boden offenbar zu heiß: „Es wird nicht observiert”, bekräftigte eine Sprecherin. Zu den Gründen wollte sie offiziell nichts sagen. Die Vermutung liegt aber nahe, dass man die Proteste, aber auch die möglichen juristischen Risiken scheute.
Für die Bundesagentur entstand so eine blamable Situation. Nachdem die Bild-Zeitung über die Dienstanweisung berichtet hatte, hielt die Pressestelle der BA zunächst tapfer dagegen. „Die Bundesagentur ist nach dem Sozialgesetzbuch verpflichtet, gegen den Missbrauch von Leistungen vorzugehen”, sagte BA-Sprecherin Anja Huth. Das einzig neue sei, dass die Regelungen, die bisher empfehlenden Charakter hatten, erstmals in einer Dienstanweisung zusammengefasst wurden. „Dazu hat uns der Bundesrechnungshof, dem unsere bisherige Praxis nicht verbindlich genug war, 2008 verpflichtet.”
"Grundsätzlich unzulässig"
Wörtlich heißt es in dem gerupften Regelwerk: „Grundsätzlich ist eine Observation unzulässig. Nur in begründeten Einzelfällen bei Verdacht auf besonders schwerwiegenden Leistungsmissbrauch ist sie als letztes Mittel der Sachverhaltsaufklärung zulässig.” Dabei gelte der „Grundsatz der Verhältnismäßigkeit” und der Schutz der Privatspähre. So glaubte sich die BA juristisch auf sicherem Terrain. Ob zu Recht, bleibt nun unklar.
Die Ironie der Geschichte: Die BA hat offenbar schon bislang in seltenen Fällen zum Mittel der Observation gegriffen, ohne dies an die große Glocke zu hängen. Entscheidend, so ein Insider, sei letztlich gewesen, ob der jeweilige Jobcenter-Leiter ein „harter Hund” sei oder den Missbrauch von Leistungen weniger engagiert bekämpft habe.
Durch den Versuch, dieses Instrument in ein Regelwerk zu gießen, habe sich die BA nun einen Bärendienst erwiesen, denn erst so wurde der politische Druck erzeugt, der das Machtwort des Ministeriums provozierte. Observierungen wird es nun selbst in dreisten Betrugsfällen nicht mehr geben. Stattdessen gelte es, „Verdachtsmomente im persönlichen Gespräch abschließend zu recherchieren”, wie es in der gemeinsamen Mitteilung heißt. Hoffentlich wirkt auch das Zur-Rede-Stellen abschreckend auf Betrüger.