Essen/Peking. Die nordkoreanischen Atomwaffen- und Raketentests verstärken die Furcht vor einer weiteren Verbreitung von Atomwaffen. Denn das Regime braucht Geld und gilt als eifriger Waffenhändler. Die Drohgebärden sind aber auch Signale an das eigene Volk, die Stärke demonstrieren sollen.
Der Nuklearwaffentest und die Drohungen Nordkoreas haben die Furcht vor einer weiteren Verbreitung von Atomwaffen verschärft. Das Atomprogramm des stalinistischen Landes könnte sich zu einem „Albtraum” entwickelten, sagte der Nordkorea-Experte der Stiftung Wissenschaft und Politik, Dr. Hanns-Günther Hilpert, der WAZ.
Drohungen Richtung Südkorea
Am Mittwoch drohte Nordkorea den Südkoreanern mit Krieg, falls sie es wagen sollten, nordkoreanische Frachter auf hoher See zu stoppen und nach Waffen zu durchsuchen. Gleichzeitig bekräftigte die Regierung in Pjöngjang, dass sich der Norden nicht mehr an den Waffenstillstand von 1953 gebunden fühle. Russland zeigte sich besorgt, dass die Spannungen in einen Atomkrieg münden könnten. Einem Zeitungsbericht zufolge hat Nordkorea bereits den umstrittenen Atomreaktor von Yongbyon wieder angefahren und mit der Gewinnung von Plutonium begonnen.
Auslöser der jüngsten Kriegsdrohungen war der Beschluss Südkoreas, sich an der sogenannten „Initiative gegen die Weiterverbreitung" von Massenvernichtungswaffen zu beteiligen. Damit sind Patrouillen von Kriegsschiffen der USA und anderer Länder auf den Weltmeeren gemeint. Sie wollen verdächtige Frachter aufbringen und kontrollieren, um Nordkorea und andere „Schurkenstaaten" daran zu hindern, Atom- und Raketentechnik zu verkaufen.
Einnahmequelle Waffenexport
Der Waffenexport aber ist für das Regime die wichtigste Einnahmequelle. Noch werden vor allem Trägerraketen verkauft– unter anderem nach Syrien, Iran, Jemen und Ägypten. Das brachte laut US-Institut für Außenpolitik Foreign Policy Analysis 2008 1,5 Milliarden Dollar ein. „Der Verkauf von Nukleartechnologie ist nicht belegt,” sagt Hilpert, „es wird aber angenommen, dass sowohl der Iran als auch Syrien Atomtechnologie in Nordkorea erworben haben.”
Zudem geht man davon aus, dass iranische Wissenschaftler in Nordkorea arbeiten. Besonders die Verbindungen in den Iran lösen Besorgnis aus. Die islamische Republik steht im Verdacht, zur Atommacht aufsteigen zu wollen. Die Sorge vor einem atomaren Wettrüsten in der Region und die Furcht, dass die Bombe in die Hände islamischer Terroristen kommen könnte wächst. Denn für Nordkorea ist der Verkauf von Raketen und Atom-Knowhow eine der wenigen Einnahmequellen. Noch aber, so sagt Hilpert, sei das Land nicht in der Lage, die Nuklearwaffen auf eine entsprechende Rakete zu laden: „Die Sprengköpfe sind zu schwer”, so Hilpert.
Nach Einschätzung des Experten will der nordkoreanische Diktator Kim Jong-Il (67) deutlich machen: Wir sind eine Atommacht. Hilpert: „Nordkorea will Verhandlungen von Großmacht zu Großmacht.”
Wissenstransfer aus Pakistan
Nach dem zweiten unterirdischen Test besteht kein Zweifel mehr: Nordkorea ist zwar bitterarm, aber eine Atommacht. Das Knowhow dazu haben sie aus der früheren Sowjetunion und aus Pakistan, sagt Hanns-Günther Hilpert. Nordkoreanische Wissenschaftler arbeiteten in so-wjetischen Atomanlagen und in den 80er-Jahren wurde in Nordkorea mit sowjetischer Hilfe der erste Reaktor gebaut.
Das Wissen, wie man die Bombe baut, hat das Regime vom Pakistaner Abdul Q. Kahn, der sein Herrschaftswissen nicht nur an den Iran, Libyen und Syrien verkaufte, sondern auch an Nordkorea. „Es war ein Geben und Nehmen”, so Hilpert: „Nordkorea lieferte Raketentechnik an Pakistan, Pakistan das Wissen, wie man die Zentrifugen baut, die nötig sind, um waffenfähiges Uran herzustellen.”
Auf Augenhöhe mit den USA
Es gab immer wieder Hinweise darauf, dass Nordkorea sein Wissen verkauft. Vor zwei Jahren bombardierten israelische Kampfjets ein Gebäude in Syrien. Die Israelis waren davon überzeugt, dass Syrien dabei war, dort mit Hilfe Nordkoreas einen Atomreaktor zu bauen.
Die neuen Drohgebärden, Raketentests und unterirdischen Atomwaffenversuche Nordkoreas halten Experten vor allem für einen Ruf nach Anerkennung. „US-Präsident Obama hat Kim Jong-Il bislang wenig Beachtung geschenkt”, sagt Hartmut Koschyk (CSU), Vorsitzender der deutsch-koreanischen Parlamentariergruppe im Bundestag, der zuletzt im September 2008 in Nordkorea war.
Signal an das eigene Volk
Er hält die Tests und Drohungen aber vor allem für ein Signal nach innen. „Kim Jong-Il ist ein kranker Mann. Seine Macht beruht auf dem Militärapparat. Er will die Armee an sich binden, um die Machtübertragung auf einen seiner Söhne sicherzu-stellen”. Und er will ernstgenommen werden: „als Staatsmann auf Augenhöhe mit den USA”.
Um Nordkorea zu begegnen, bedarf es laut Koschyk eines Schulterschlusses der USA mit Russland und China. Auch dürften Nordkorea und der Iran nicht länger isoliert betrachtet werden.