Seoul. Atombombe gezündet, Raketen getestet - Nordkorea ist weiter auf Konfrontationskurs. Experten sind sich sicher: Damit will Präsident Kim Jong Il nach seinem Schlaganfall von seinen Schwächen ablenken - und das Amt für seinen Sohn sichern.

Erst eine Langstreckenrakete getestet, dann eine Atombombe gezündet und nun noch schnell ein paar Kurzstreckenraketen hinterher geschickt: Das stalinistisch geführte Nordkorea lässt seit April keine Provokation der internationalen Gemeinschaft aus. Dabei hat das Vorgehen des gesundheitlich stark angeschlagenen Präsidenten Kim Jong Il nach Ansicht von Experten nur ein Ziel: von der eigenen Schwäche abzulenken und in der ihm noch verbleibenden Zeit die Nachfolge an der Staatsspitze in seinem Sinne zu regeln.

Kim Jong Il wolle mit seinem militärischen Auftrumpfen die «Unterstützung für sein Regime im Machtzirkel und in der Bevölkerung konsolidieren», sagt der Korea-Experte der Amerikanischen Universität in Washington, Peter Beck. Vor allem dem Führungsapparat wolle der 67-Jährige mit dieser Machtdemonstration zeigen, dass er noch in der Lage ist, seine Nachfolge zu regeln. Erst im April hatte der jüngste Sohn des Machthabers einen Posten im Nationalen Verteidigungsausschuss, dem höchsten militärischen Führungszirkel, erhalten. Mit einem weiteren Aufstieg des 25-jährigen Kim Jong Un sei zu rechnen, hieß es damals.

"Kim Jong Il ist nicht in Form und er weiß das nur zu genau», sagt Beck. Der nordkoreanische Staatschef, der auch unter Diabetes leiden soll, hatte im August vergangenen Jahres vermutlich einen Schlaganfall erlitten. Davon soll er sich zwar erholt haben, bei einem der raren öffentlichen Auftritte war aber zu beobachten, wie er einen Arm in der Tasche ließ und ein Bein nachzog. Zwar konnte sich der Präsident bis jetzt trotz Hungersnöten und wirtschaftlichem Niedergang an der Macht halten. Wie lange ihm dies aber noch gelingt, ist zweifelhaft.

International könnte Nordkorea kaum isolierter dastehen als zur Zeit. Nach dem ersten Atombombentest 2006 kehrte das Land zwar aus eigener Sicht gestärkt an den Verhandlungstisch zurück, und schien auch schon bereit, gegen Energiehilfen von seinen Atombestrebungen abzusehen, machte dann jedoch wieder einen Rückzieher. Von den 2003 begonnenen Sechser-Verhandlungen mit Südkorea, den USA, China, Japan und Russland verspricht sich Nordkorea nun nach Ansicht von Experten gar nichts mehr. Die kurz aufeinanderfolgenden Tests einer Langstreckenrakete, einer Atombombe und weiterer Raketen zeigt laut Bruce Klingner von der amerikanischen Heritage Foundation, dass Pjöngjang die «Fassade» des Verhandelns jetzt endgültig fallengelassen habe.

Ursache ist nach Ansicht Klingners, dass sich der Gesundheitszustand des Präsidenten verschlechtert habe und es ihm nun wichtiger sei, die Nachfolge in seinem Sinne zu regeln. Schon Kim Jong Il war seinem Vater nachgefolgt. Als der Gründer Nordkoreas Kim Il Sung 1994 starb, dauerte es noch drei Jahre, bis sein Sohn offiziell die Nachfolge antrat. Auch der Führerkult wurde auf die «Große Sonne der Nation» übertragen.

Kim Jong-Il gilt als Playboy

Besucher des weitgehend abgeschotteten Landes und Flüchtlinge zeichnen ein wenig schmeichelhaftes Bild Kims: Er gilt als Playboy mit Vorliebe für Schauspielerinnen und Tänzerinnen, französischen Cognac und Hollywood-Filme. Der Öffentlichkeit ist Kim hingegen weitgehend unbekannt. Eine kurze Lobeshymne auf die Armee im Jahr 1992 galt jahrelang als einzige öffentliche Äußerung.

Dennoch gelang es ihm, mit einer mächtigen Armee, Gefangenenlagern für Kritiker und dem Personenkult seine Herrschaft über Jahre zu zementieren. Da über die Machtverhältnisse in dem abgeschotteten Staat nichts nach draußen dringt, hat Kim Jong Il mit der Platzierung seines jüngsten Sohnes im Nationalen Verteidigungsausschuss möglicherweise schon die entscheidende Weiche für seine Nachfolge gestellt. So halten es einige Experten auch nicht für ausgeschlossen, dass Nordkorea doch noch an Atomverhandlungen interessiert ist. Pjöngjang werde aber auf eine Anerkennung als Atommacht bestehen, vermutet der ehemalige Korea-Berater von Ex-US-Präsident George W. Bush, Victor Shah. Eine solche Bedingung lehnen Südkorea, die USA und Japan aber grundweg ab. (afp)