Köln. Im Kampf gegen Corona sind Tests ein wichtiges Mittel. Am Uniklinikum Köln wird an einem Schnelltest geforscht. Er würde vieles normalisieren.
Etwas Urin auf ein spezielles Papier, wenige Minuten warten - dann zeigt ein mehr oder weniger stark gefärbter Balken, dass eine Frau womöglich schwanger ist. Vieles würde sich bessern, wenn auch Corona-Tests so schnell wären. Doch Sars-CoV-2 zuverlässig festzustellen, ist viel aufwändiger. Noch. Am Uniklinikum Köln wird an einem Corona-Schnelltest geforscht. Er könnte den Pandemie-Alltag in vielen Fällen erleichtern.
„Ein mögliches Einsatzfeld für unseren Schnelltest könnten zum Beispiel Notaufnahmen in Krankenhäusern sein, aber auch Fußballstadien oder Konzertstätten – alle öffentlichen Orte, die Gefahr laufen zum Corona-Hotspot zu werden. Dort würde dann Menschen vor dem Zutritt ein Rachenabstrich entnommen, der noch vor Ort analysiert wird“, beschreibt Prof. Bernhard Schermer, Kopf des Forschungsprojekts CoRNA-Schnelltest an der Uniklinik Köln. Nach 45 bis 60 Minuten liegt das Ergebnis vor, direkt vor Ort.
Corona: Zum Schnelltest ist es noch ein weiter Weg
Auch interessant
Noch ist es ein weiter Weg bis der Schnelltest praxistauglich ist, beschreibt Schermer. Beim Lockdown im März hatte man in Köln die Idee zum Schnelltest, damals aus Sorge, „dass die Uni Köln von Coronafällen überrollt wird. Dazu kam es zum Glück nicht“, sagt der 49-Jährige. Doch Schermer forschte weiter. Die aktuelle Debatte um eine Test-Strategie zeige, wie notwendig es ist, Corona-Testverfahren zu optimieren, sagt Schermer.
Der Ansatz in Köln: „Wir orientieren uns am ‚Gold-Standard‘ des bisherigen qPCR-Tests. Bei diesem wird aus Abstrichen etwa aus Rachen und Nase untersucht, wieviel Genmaterial vom Coronavirus Sars-CoV-2 in einer Probe enthalten ist“. Laufe es optimal, könne auch bei diesem Test bereits nach ein bis zwei Stunden ein Ergebnis vorliegen, sagt Schermer. „Doch dafür sind komplexe Analysegeräte nötig.“ Tatsächlich dauere es meist deutlich länger bis eine Probe analysiert und das Ergebnis der betreffenden Person übermittelt worden ist. Schermer: „Der Transportweg zum Labor ist dabei ein wichtiger Zeitfaktor“ - und die vorhandene Testkapazität bei Teststellen und in Laboren.
Neues Coronatest-Verfahren liefert schon gute Ergebnisse
Schermer sieht es nicht als Nachteil, dass sein medizinisches Fachgebiet eigentlich die Nierenheilkunde (externer Link) ist, denn er kennt sich mit Molekular-Forschung aus. Und er arbeitet eng mit dem Institut für Virologie am Kölner Uniklinikum zusammen. Auch ein Gen-Experte in den USA forscht im Projekt mit.
Erste Erfolge sind da, sagt Schermer: „Mittlerweile können wir sehr zuverlässig nachweisen, wenn in der RNA aus einem Nasen- oder Rachenabstrich viele Viren sind und eine Person dadurch tatsächlich ansteckend ist. Wir müssen allerdings noch daran arbeiten, die Empfindlichkeit des Tests zu erhöhen. Bei wenig Viruslast in einer Probe haben wir das Problem, dass sie dann fälschlicherweise als negativ getestet wird.“
Mini-Labor nötig - Forscher sucht Medizintechnik-Firmen
Und dann ist da die Sache mit dem Labor. Denn auch der Schnelltest muss ein Laborverfahren durchlaufen. Dafür würde aber ein mobiles medizintechnisches Gerät genügen, das Proben letztlich nur für eine bestimmte Zeit auf bestimmte Temperaturen erhitzen muss. Anschließend reiche es, die gewonnene Flüssigkeit auf einem Teststreifen, wie etwa beim Schwangerschaftstest, zu tröpfeln - bei einer bestimmten Verfärbung zeigt das Ergebnis dann: Corona-positiv oder -negativ.
„Es lässt sich zeitlich noch nicht abschätzen, wann unser Corona-Schnelltest praxisreif ist“, bremst Schermer Hoffnungen auf ein rasches Ergebnis ab. „Wir hoffen, dass es im kommenden Jahr gelingt, einen Prototypen für das nötige Analysegerät zu haben“. Dazu suche er derzeit neben seiner Forschung auch nach geeigneten Medizintechnik-Firmen, die Interesse an einer Zusammenarbeit haben.
Sorge vor der Erkältungswelle
Um Geld geht’s am Uniklinikum Köln unterdessen nicht, sagt Prof. Schermer: „Wir müssen nicht die ersten sein, die einen Corona-Schnelltest marktreif entwickeln. Hauptsache ist für mich, dass es jemand macht.“ Denn Schermer sorgt sich, „dass im Herbst die typische Erkältungswelle auf uns zu kommt“. Er stelle sich dabei auch die Frage, „wie unser Labor, die Klinik oder der Unterricht der Kinder an Schulen dann laufen wird. Denn es ist klar, dass aus Sorge vor Corona jeder, der Erkältungssymptome hat, zu Hause bleiben wird“, glaubt Schermer.
Um Tempo zu machen, setzt man in Köln auf das Prinzip der Schwarm-Intelligenz: „Alle unsere Erkenntnisse veröffentlichen wir auf einem sogenannten Preprint-Server auf der Wissenschaftsplattform „MedRxiv“ (externer Link). Die ist für Wissenschaftler weltweit frei zugänglich“, erklärt Schermer. „Man kann dort innerhalb weniger Tage seine Daten publizieren. Diese durchlaufen dabei allerdings kein unabhängiges Prüfverfahren. Es geht um das rasche Teilen von Ergebnissen und Daten und darum, die Forschung voranzubringen.“
Bundes-Forschungsministerium wirbt um Coronatest-Projektideen
An mehreren Forschungsinstituten bundesweit werden derzeit Corona-Schnelltests entwickelt, sagt ein Sprecher des Bundesforschungsministeriums. Er nennt das Fraunhofer Institut für Bioverfahrenstechnik in Stuttgart, das im Verbund mit mehreren Biotech-Firmen ebenfalls in Sachen Coronatest forscht. Insgesamt fördere das Ministerium aktuell rund zehn Vorhaben, in denen es um neue Corona-Testverfahren geht.
Das Ministerium wirbt um weitere Projektideen: „Für Forschungsvorhaben mit einer Laufzeit von bis zu 12 Monaten können bis 28. September 2020 Projektskizzen vorgelegt werden. Für Vorhaben mit einer Laufzeit von bis zu 36 Monaten endet die Vorlagefrist zum 30. Januar 2021.“ Das Kölner Forschungsprojekt „CoRNA-Schnelltest“ hatte Mitte August den Förderbescheid erhalten. Mit über 400.000 Euro unterstützt der Bund die Arbeit für insgesamt 18 Monate (externer Link).
>> Hintergrund: Corona-Testverfahren
Als Referenz für Coronatests gilt derzeit das sogenannte qPCR-Verfahren, bei dem Speichelproben aus Nase und/oder Rachenraum genommen werden. Dann werden aus den Abstrichen Ribonukleinsäuren aufgereinigt, die die Erbinformationen des Coronavirus enthalten. Diese werden dann als Nachweis in einer sogenannten quantitativen Polymerasekettenreaktion (qPCR) vermehrt. Diese Reaktion läuft nur dann, wenn auch Virus-RNA vorhanden war. „Dieses Testverfahren hat sich als sehr sicher erwiesen und bietet derzeit die größte Zuverlässigkeit“, sagt Prof. Bernhard Schermer von der Uniklinik Köln. Eine Studie zur Qualität der Testauswertungen unter 463 Laboren aus 36 Ländern hat im Juni gezeigt, dass insgesamt 98 Prozent der untersuchten Proben dort das korrekte Ergebnis gebracht hatten; je nach Art der Probe lag das Ergebnis teilweise sogar bei 100 Prozent Genauigkeit.
Auch interessant
Auf dem Markt sind inzwischen eine Vielzahl von Corona-Tests, die etwa über Internet oder in Apotheken erhältlich sind, oft für den Heimgebrauch. Manche sind auch auf Corona-Antikörper im Blut ausgerichtet und sollen zeigen, ob man eine Corona-Infektion hatte, ohne dass Symptome bemerkt worden wären. Beim Bundesamt für Arzneimittel und Medizinprodukte sind im Zusammenhang mit Sars-CoV-2 aktuell insgesamt 513 verschiedene Medizinprodukte registriert. Zur Zuverlässigkeit solcher Tests gibt es keine generellen Einschätzungen, mitunter eher Zweifel. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) zählt derzeit weltweit gar 790 verschiedene Produkte aus dem Bereich Corona-Test.
Im NRW-Gesundheitsministerium steht man Selbsttests unterdessen kritisch gegenüber: Anders als in Berlin, wo der dortige Senat mit der Charité einen Selbsttest (externer Link) für Schülerinnen und Schüler entwickeln lässt, hält man das in Düsseldorf nicht für sinnvoll: „Ein selbst durchgeführter Test kann ungenaue Ergebnisse liefern, vor allem wenn er falsch durchgeführt wird“, sagt ein Sprecher. „Angesichts ähnlicher Symptome von Erkältungserkrankungen mit Covid-19 erscheint es wenig sinnvoll, ohne ärztliche Expertise zu testen. Wichtig ist, dass bei jedem begründeten Verdacht getestet werden muss“, heißt es im Ministerium.