Düsseldorf. Sondersitzung im Landtags-Innenausschuss: Innenminister Jäger weist die Täuschungsvorwürfe von sich. Die brisante Mail von 2012 sei kein Beleg.
Innenminister Ralf Jäger (SPD) hat in einer Sondersitzung des Landtags-Innenausschusses den Vorwurf zurückgewiesen, den Landtag in der "Affäre Wendt" getäuscht zu haben. Eine zuletzt aufgetauchte brisante Mail aus dem August 2012 sei kein Beleg dafür, dass seine Spitzenbeamten bereits seit Jahren von der leistungslosen Besoldung des Vorsitzenden der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), Rainer Wendt, gewusst hätten, erklärte Jäger. In dem Schreiben sei "von einer vollständigen Freistellung von Herrn Wendt nicht die Rede", so der Minister. Die Mail sei "nicht eindeutig".
Am 9. August 2012 hatte der damalige Direktor des Landesamtes für Polizeiliche Dienste (LZPD) und seinerzeitige Vorgesetzte von Wendt, Jürgen Mathies, in einer Mail an seinen LZPD-Personalverantwortlichen über ein Gespräch mit Jägers Polizei-Abteilungsleiter Wolfgang Düren vom Vortag berichtet. Am 8. August 2012 sei u.a. über die Herausnahme Wendts aus der Zeiterfassung geredet worden, Düren sei einverstanden gewesen. Damals war Wendt aus dem Hauptpersonalrat der Polizei ausgeschieden und hatte seinen letzten Arbeitsnachweis in NRW verloren.
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Laut Jäger wusste sein Ministerium nicht über Gehalt von Wendt Bescheid
Wenn Polizei-Beamte nicht in der Dienststelle ein- und ausstempeln, können sie anderweitige Tätigkeiten wie etwa Homeoffice mit sogenannten Korrekturbögen erfassen lassen. Bei Wendt, der damals als DPolG-Bundesvorsitzender nur noch in Gewerkschaftsdiensten unterwegs war und nun nicht mehr über den Hauptpersonalrat der Polizei zumindest eine halbwegs plausible Verwendung im NRW-Polizeidienst vorweisen konnte, musste eine Klärung her. Der heutige Kölner Polizeipräsident Mathies gilt als penibler Beamter und korrekter Vorgesetzter. Der bürokratische Aufwand der Zeiterfassung für den permanent abwesenden Wendt erschien unvertretbar hoch, zudem wünschte Mathies offenbar eine saubere Lösung.
Düren sagte in dem Gespräch mit Mathies einen Erlass des Ministeriums zu, der aber nie vorgelegt wurde. Pikant für den Innenminister: Jäger hatte bislang den Eindruck erweckt, bei der faktischen Freistellung Wendts habe sich seit zehn Jahren eine Verwaltungspraxis zur Förderung kleinerer Polizei-Gewerkschaften auf nicht nachvollziehbare Weise "verselbstständigt". Sein Ministerium jedenfalls sei seit Amtsantritt der rot-grünen Koalition im Sommer 2010 nicht im Bilde gewesen.
Wendt bat um Versetzung in den Ruhestand
Er selbst habe zum allerersten Mal am 24. Februar 2017 davon gehört, dass Wendt auf der Lohnliste des Landes stehe und gar keinen Polizei-Dienst mehr versehe, gab Jäger zu verstehen. Düren ist allerdings Jägers wichtigster Spitzenbeamter für die Polizei kann das Gespräch mit Mathies im August 2012 schwerlich geführt haben, ohne dabei einmal die Gesamtsituation der leistungslosen Besoldung des Polizei-Gewerkschafters erörtert zu haben.
Das ARD-Magazin Report München hatte im Februar enthüllt, dass der in München lebende und in Berlin im DPolG-Büro arbeitende Wendt seit Jahren in NRW Beamtensold als Polizist für eine 28,5-Stunden-Woche bezog, ohne seit 2006 auf seiner Dienststelle zur Arbeit erschienen zu sein. Zudem wurde bekannt, dass Wendt in verschiedenen Gremien fünfstellige Nebeneinkünfte bezog, die nicht vom Land als Dienstherr genehmigt worden waren. Wendt bat nach der Enthüllung um Versetzung in den Ruhestand, steht aber bis heute an der Spitze seiner Gewerkschaft.
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Düren und Mathies sind nicht zur Sondersitzung erschienen
CDU-Fraktionsvize Peter Biesenbach warf dem Innenminister ein „dreistes Täuschungsmanöver“ vor. Zur Klärung, wann das Innenministerium über die Freistellung Wendts tatsächlich informiert war, konnte die Sondersitzung des Innenausschusses aber schon deshalb wenig beitragen, weil die wichtigsten Personen fehlten. Jägers Polizei-Abteilungsleiter Düren, der sonst immer an Innenausschuss-Sitzungen des Landtags teilnimmt und den Abgeordneten Rechenschaft ablegt, erschien am Donnerstag überraschend nicht, obwohl die Opposition ihn ausdrücklich befragen wollte. Auch Wendts ehemaliger Vorgesetzter Jürgen Mathies war nicht da.
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Jäger begründete die Auskunftsverweigerung gegenüber dem Parlament mit parallelen Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Düsseldorf wegen des Verdachts der Untreue sowie eines internen Verwaltungsermittlungsverfahrens des Ministeriums. Dieses wird vom Landesamt für Ausbildung, Fortbildung und Personalangelegenheiten (LAFP) laut Jäger „weisungsunabhängig“ vorangetrieben werde. Mit Ergebnissen ist nicht mehr vor der Landtagswahl am 14. Mai zu rechnen. Zudem befänden sich Düren und Mathies „im wohlverdienten Erholungsurlaub“, sagte Jäger.
Jägers Staatssekretär versucht Mail von 2012 herunterzuspielen
Die Opposition reagierte empört. CDU-Innenpolitiker Lothar Hegemann erhob schwere Vorwürfe. Düren werde bewusst an der Aussage gehindert, weil sonst die Versions Jägers über seine angebliche Unkenntnis endgültig nicht mehr zu halten wäre. „Es spricht alles dafür, dass Sie kein Interesse an Aufklärung haben“, kritisierte auch FDP-Fraktionsvize Ralf Witzel.
Jägers Staatssekretär Bernhard Nebe (SPD) versuchte derweil, die Mail von 2012 herunterzuspielen. Abteilungsleiter Düren erinnere sich an das Gespräch von 2012 mit Mathies anders, als die schriftliche Zusammenfassung darstelle. Diese sei nicht mit ihm abgestimmt gewesen. Klar sei jedenfalls, versicherte Nebe: „Der Minister hat weder 2012 noch später etwas von der Causa Wendt gewusst.“