Düsseldorf. Innenminister leitet Disziplinarverfahren ein. Polizeigewerkschafter kassierte neben seinem Beamtensold 150.000 Euro vom Versicherungskonzern.

Eigentlich wollte NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) am Mittwochmorgen in Mönchengladbach nur den nächsten Standort seines Präventionsprojekts „Kurve kriegen“ eröffnen, das jugendliche Intensivtäter vor dem endgültigen Abgleiten in die Kriminalität bewahren soll. Von größerem öffentlichen Interesse war jedoch, wie Jäger selbst in der „Causa Wendt“ die Kurve bekommt.

Das Innenministerium leitete am Mittwoch ein Disziplinarverfahren gegen Rainer Wendt ein, den Bundesvorsitzenden der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG). Ein Bericht im Kölner „Express“ hatte am Morgen das Fass zum Überlaufen gebracht. Wendt wurde nicht nur seit mindestens zehn Jahren vom Land als Hauptkommissar bezahlt, obwohl er in München lebte und sich hauptberuflich der Gewerkschaftsarbeit widmete. Er kassierte zudem seit 2013 als Aufsichtsrat des Kölner Versicherungskonzerns AXA rund 150.000 Euro, ohne dies beim Land ordnungsgemäß als Nebeneinkünfte angemeldet zu haben.

Wendt legte überrascht seine Bezüge offen

Zudem legte der inzwischen pensionierte Wendt am Mittwochabend gegenüber dem „Spiegel“ erstaunliche Jahreseinkünfte in Höhe von 124.145,29 Euro brutto offen. Demnach stammten monatlich 3348,68 Euro Polizisten-Gehalt vom Land NRW. Den Löwenanteil von 77 721,13 Euro machten fünf verschiedene Gremientätigkeiten aus. „Meine Bezüge sind gemessen an meiner Arbeit angemessen“, sagte Wendt dem Magazin. Zudem werde ihm eine 46-Quadratmeter-Dienstwohnung in Berlin gestellt.

Zu Wochenbeginn hatte er noch vorgerechnet, seine Einkünfte überstiegen nicht das Gehalt eines normalen Hauptkommissars von 4400 Euro monatlich. Der Anteil eines Teilzeit-Beamtensoldes aus NRW belaufe sich hierbei nur auf etwa 2200 Euro, den Rest zahle die Gewerkschaft, sagte Wendt.

Landeschef der Gewerkschaft zieht sich zurück

Da jeder kleine Beamte Fehlzeiten und Nebenverdienste penibel nachhalten muss, ist die Angelegenheit derart peinlich geworden, dass sich DPolG-Landeschef Erich Rettinghaus am Mittwoch aus dem Bundesvorstand zurückzog. In Düsseldorf ist man derweil sprachlos über die Aussage von Innenminister Jäger, er habe erstmals am 24. Februar davon erfahren, dass Wendt überhaupt auf dem Gehaltszettel seines Ministeriums stand: „Details werden einem Minister nicht vorgelegt“, so Jäger.

Angeblich konnte bislang keinerlei Schriftverkehr gefunden werden, der zeigt, warum Wendt seit zehn Jahren keine Schicht in seiner Dienststelle mehr übernehmen musste, dem Landesamt für polizeiliche Dienste (LZPD) in Duisburg. Stattdessen war er in Gremien aktiv und schrieb das bundesweit diskutierte Buch „Deutschland in Gefahr“. Auch von einer Genehmigung hierfür ist Jäger nichts bekannt.

Innenminister Jäger verteidigt das System

Wendts bezahlte Freistellung erfolgte bei seinem Wechsel auf den DPolG-Bundesvorsitz 2007, in der Zeit des Innenministers Ingo Wolf (FDP). Es war die kreative Weiterentwicklung eines Systems zur staatlichen Förderung von kleinen Polizeigewerkschaften, das Jäger bis heute verteidigt. Anders als die große DGB-Gewerkschaft GdP können die DPolG und der Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) ihre Landeschefs nicht selbst bezahlen und gewinnen bei den Personalratswahlen keine Freistellungsposten. Deshalb wird Rettinghaus und Sebastian Fiedler (BDK) gestattet, sich neben der Arbeit für den Hauptpersonalrat während der Dienstzeit der Gewerkschaftsarbeit zu widmen.

Der grüne Koalitionspartner hält das für nicht länger hinnehmbar. „Es ist nicht Aufgabe des Staates, einzelne Gewerkschaften zu alimentieren und andere nicht“, sagte Grünen-Fraktionschef Mehrdad Mostofizadeh dieser Redaktion. Das bisherige Fördermodell für kleine Polizei-Gewerkschaften als gängige Staatspraxis darzustellen, so wie Jäger, sei absurd. „Gewerkschaften müssen autonom sein und sie müssen alle gleich behandelt werden“, findet Mostofizadeh.

>> AUTOR VON „DEUTSCHLAND IN GEFAHR“

Der Duisburger Rainer Wendt (60) versteht sich als Fürsprecher eines starken Staates und für mehr Polizei. Er ist CDU-Mitglied und zieht in seinem Buch „Deutschland in Gefahr“ gegen „Kuscheljustiz“ und „Spaßpädagogik“ zu Felde. Wendt hat fünf Kinder und drei Enkel. Bundeschef seiner Gewerkschaft ist Wendt seit dem Jahr 2007.