Berlin. Die Spitzen von CDU und CSU haben in Berlin einstimmig das gemeinsame Wahlprogramm der Union verabschiedet. Nachdem Kanzlerin Angela Merkel ihr Nein in Sachen Mehrwertsteuererhöhung durchgesetzt hatte, stehen im Programm nun sogar Steuersenkungen.

CDU und CSU versprechen den Bürgern steuerliche Entlastungen ohne Wenn und Aber. Auf einer Sitzung der Vorstände beschlossen die beiden Schwesterparteien am Sonntag einstimmig das gemeinsame Programm für die Bundestagswahl. Darin kündigen sie eine Korrektur schleichender Steuererhöhungen an, die auch als kalte Progression bezeichnet wird. CDU-Chefin Angela Merkel und CSU-Chef Horst Seehofer betonten, das Versprechen stehe trotz der Wirtschaftskrise nicht unter Finanzierungsvorbehalt. Als Wunschkoalitionspartner nannten sie die FDP.

Mit der steuerlichen Entlastung soll die «Motivation der Leistungsträger» erhöht und Wachstum angekurbelt werden, sagte Merkel: «Wir müssen verhindern, dass jeder Cent Lohnerhöhung vom Finanzamt wieder einkassiert wird.» Im Programm heißt es, mit einer Korrektur des Steuertarifverlaufs solle der «Mittelstandsbauch» abgeflacht werden. Der Eingangssteuersatz soll in zwei Schritten von 14 auf 12 Prozent gesenkt werden. Der Höchststeuersatz, der heute schon ab einem Jahreseinkommen von 52.552 Euro greift, soll zunächst ab 55.000 Euro und später ab 60.000 Euro zum Tragen kommen. Damit helfe man vor allem den Menschen mit mittleren Einkommen, sagte Merkel.

CSU scheitert mit Forderung nach festen Terminen

Auf feste Termine für die zwei Stufen, auf die die CSU im zuvor gedrungen hatte, legten sich die Unionsparteien nicht fest. Seehofer zeigte sich trotzdem zufrieden, weil die Entlastungen «auf jeden Fall und ohne Finanzierungsvorbehalt» kommen. Da man grundsätzlich in allen Punkten einig sei, wolle man an dieser Stelle keinen Konflikt, sagte der bayerische Ministerpräsident. Auch Kanzlerin Merkel erklärte: «Die kalte Progression ist unser Schwerpunkt. Der wird fest zugesagt. Alles andere steht unter Vorbehalt.» Der Umfang der steuerlichen Entlastung war zuvor auf 15 Milliarden Euro beziffert worden.

Unmittelbar vor der Tagung sprachen sich die CDU-Ministerpräsidenten Wolfgang Böhmer aus Sachsen-Anhalt und Günther Oettinger aus Baden-Württemberg für Steuererhöhungen aus, um die ausufernde Neuverschuldung besser abtragen zu können. «Mit mir ist eine Steuererhöhung in der nächsten Legislaturperiode nicht zu machen», betonte Merkel und fügte hinzu: «Die Menschen können sich auf mich verlassen.»

Bekenntnis zur FDP

Oettinger, der sich für eine Anhebung des reduzierten Mehrwertsteuersatzes eingesetzt hatte, trage das Programm mit, berichtete sie. Auch die von Böhmer vorgeschlagene Anhebung des Spitzensteuersatzes für Bestverdiener «wäre zur jetzigen Zeit ein völlig falsches Signal», sagte Merkel.

Merkel und Seehofer bekannten sich zu einer Koalition mit der FDP. «Wir können unser Programm am besten mit der FDP verwirklichen», sagte Merkel. Die Große Koalition mit der SPD wolle man beenden.

Heil verreißt Unions-Papier

SPD-Generalsekretär Hubertus Heil verriss das gemeinsame Wahlprogramm von CDU und CSU. Das Programm sei «ideenlos, inkonsistent und in Bezug auf die Steuerpolitik chaotisch», sagte Heil der «Frankfurter Rundschau» (Montagausgabe). Heil äußerte die Befürchtung, die Union werde die versprochenen Steuersenkungen durch «eine Abschaffung der Pendlerpauschale, der Arbeitnehmer-Pauschbeträge, der steuerfreien Nachtzuschläge und Kürzungen bei den Sozialleistungen» finanzieren.

FDP-Parteichef Chef Guido Westerwelle sagte im Hinblick auf eine mögliche schwarz-gelbe Koalition nach der Wahl in der «Bild am Sonntag», er werde einen Koalitionsvertrag nur dann unterschreiben, «wenn darin ein faires, leistungsgerechtes Steuersystem vereinbart worden ist». FDP-Generalsekretär Dirk Niebel kritisierte das Programm scharf. Es zeige, «wie weichgespült die Union nach vier Jahren Großer Koalition ist», sagte er der «Westdeutschen Allgemeinen Zeitung». Das Wahlprogramm habe keine klaren Schwerpunkte.

Der Vorsitzende der Linksfraktion, Oskar Lafontaine, erklärte, angesichts der höchsten Neuverschuldung in der Geschichte der Bundesrepublik sei Merkel unglaubwürdig, wenn sie wider besseres Wissen weitere Steuersenkungen verspreche und Steuererhöhungen ausschließe. (ap)