Düsseldorf. Mitglieder der NRW-Zukunftskommission diskutierten in Düsseldorf über Konsequenzen aus der Finanzkrise. NRW-Ministerpräsident Rüttgers machte bei dieser Gelegenheit deutlich, was er sich von den Koalitionsverhandlungen im Bund verspricht. Auch das Ruhrgebiet war ein Thema.

Die Überschrift des Abends lautete "Rheinischer Kapitalismus", aber zunächst ging es um die Koalitionsverhandlungen in Berlin. Schließlich war auch NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU), der mit am Verhandlungstisch sitzt, ins Düsseldorfer "K21" gekommen. Rüttgers zeigte auf, wo er die rote Linie in den Gesprächen mit der FDP sieht. Es gebe "überhaupt keinen Grund", nun den Kündigungsschutz zu lockern, sagte er. Eine solche "Provokation gegen die Gewerkschaften" sei völlig fehl am Platze. "Das brauchen wir jetzt nicht", betonte Rüttgers. Im Übrigen sehe er "NRW als Blaupause für Berlin".

Mehrere Mitglieder der NRW-Zukunftskommission hatten sich versammelt, um sich im "K21", der Kunstsammlung NRW, der Frage zu widmen, ob der Rheinische Kapitalismus vor einer Renaissance oder doch vor dem Aus stehe. Wer vom Rheinischen Kapitalismus spricht, hat keine Ortsbeschreibung im Sinn. Gemeint ist nicht weniger als ein Alternativmodell zum Kapitalismus in Reinform. Es geht um eine Verbindung von Sozialpolitik und Ökonomie, Arbeitnehmer- und Arbeitgeberinteressen. Kurzum: die soziale Marktwirtschaft.

Wie viel Staat ist nötig, wie viel Markt möglich? Taugt das rheinische Modell als Exportartikel? Darüber diskutierten Rüttgers, Bodo Hombach, Geschäftsführer der WAZ Mediengruppe, der Politikwissenschaftler Hubert Kleinert, der Unternehmensberater und künftige Vorstandschef des Duisburger Haniel-Konzerns, Jürgen Kluge, sowie Bascha Mika, die ehemalige Chefredakteurin der Tageszeitung "taz".

"Das Ruhrgebiet soll doch bitte die Ruhrstadt werden"

Es war Kluge, der als erster das Ruhrgebiet in den Fokus rückte. "Wir leisten uns auch in NRW ein paar Zöpfe, die man abschneiden kann", sagte er und verwies auf die vielen Verkehrsbetriebe im Revier. Und Kluge ging weiter: "Das Ruhrgebiet sollte doch bitte die Ruhrstadt werden", forderte der langjährige Deutschland-Chef von McKinsey. So könne das Ruhrgebiet "die größte und pulsierendste Stadt in Mitteleuropa" werden.

Hombach mahnte, gesellschaftliche Blockaden aufzulösen. "Wir haben eine Malefiz-Gesellschaft", kritisierte er mit Verweis auf das bekannte Gesellschaftsspiel, bei dem es darum geht, den Gegner nicht ins Ziel kommen zu lassen. "Es geht nur gemeinsam", gab Hombach, der Vize-Vorsitzende der Zukunftskommission, zu bedenken. "Keine gesellschaftliche Gruppe kann mit dem Kopf durch die Wand." Der einstige Kanzleramtsminister und Berater von Johannes Rau (SPD) fügte hinzu: "Versöhnen statt Spalten war schon einmal mehr Allgemeingut."

Der Begriff "Rheinischer Kapitalismus" wurde 1991 vom französischen Manager und Intellektuellen Michel Albert geprägt. Albert sagte, Deutschland habe nach dem Zweiten Weltkrieg gezeigt, dass Kapitalismus, Massenwohlstand und ein friedlicher Interessenausgleich zwischen Kapital und Arbeit möglich seien. Die soziale Marktwirtschaft sei "ein deutscher Exportartikel". Doch im Frühjahr 2005 räumte Albert in einem Interview ebenfalls ein, dass es ihn nachdenklich stimme, wie "dieses Modell an Glanz verliert". Die schwindende Akzeptanz der Bürger habe auch damit zu tun, dass ihnen Opfer abverlangt würden, während sich einzelne Manager schamlos bedienten. "Das hat es früher so nicht gegeben. Der rheinische Kapitalismus war populär, weil er als gerecht empfunden wurde."

Sozialer Sprengstoff

Der Grünen-Realo Hubert Kleinert warnte in der Düsseldorfer Diskussion davor, dass nun die Folgen der Finanzkrise für "erheblichen sozialen Sprengstoff" sorgen könnten. Daher müsse verhindert werden, dass diejenigen, die diese Krise angerichtet haben, nun womöglich auch noch profitieren, während der Steuerzahler zur Kasse gebeten werde. Bascha Mika, die als einzige auf dem Podium nicht Mitglied der Zukunftskommission war, griff in diesem Zusammenhang den Begriff Rheinischer Kapitalismus auf. Dieses Modell bilde ein Grundgerüst, auf dem sich nun aufbauen lasse.

Am Ende wie am Anfang der Debatte ging es indes um die Tagespolitik und die künftige Koalition im Bund. Ministerpräsident Rüttgers forderte eindringlich Konsequenzen aus der Finanzkrise: "Diejenigen, die solche Fehler machen, müssen auch mit Privatgeld dafür haften", sagte er. Auch darauf müsse es eine Antwort in den Koalitionsverhandlungen geben.