Moskau/Kiew/Sydney. Internationale Experten haben an der Absturzstelle von Flug MH17 ihre Arbeit aufnehmen können. Dabei haben sie weitere Leichtenteile geborgen. Ein Krisentreffen soll ihren weiteren Einsatz gewährleisten. Das Inkrafttreten wirtschaftlicher Sanktionen gegen Russland steht indes unmittelbar bevor.
Internationale Experten haben nach australischen Angaben an der Absturzstelle des Malaysia-Airlines-Flugzeugs im Osten der Ukraine weitere Leichenteile geborgen. Das Team aus Niederländern und Australiern sei wohlbehalten zurückgekehrt, sagte der australische Ministerpräsident Tony Abbott am Freitag vor Reportern in Sydney. Ein größeres Team wolle innerhalb von 24 Stunden erneut zur Absturzstelle. Die Boeing mit 298 Menschen an Bord war am 17. Juli abgestürzt. Prorussische Rebellen werden verdächtigt, sie mit einer Rakete abgeschossen zu haben. Noch immer liegen im Trümmerfeld Opfer.
Den Experten war es am Donnerstag nach tagelangen vergeblichen Versuchen erstmals möglich, zur Absturzstelle zu gelangen. Heftige Gefechte zwischen ukrainischen Regierungseinheiten und prorussischen Kämpfen in der Region hatten dies zuvor verhindert.
Kämpfe seit Mitte April
Die Konfliktparteien in der Ukraine kämpfen seit Mitte April gegeneinander. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) begrüßte, "dass nach langem diplomatischen Ringen endlich ein direktes Treffen der trilateralen Kontaktgruppe mit den Separatisten stattgefunden hat". In der weißrussischen Hauptstadt seien am Donnerstag Absprachen über den sicheren Zugang zur Absturzstelle der Boeing mit der Flugnummer MH17 und zur sofortigen Freilassung von Geiseln getroffen worden, teilte die stellvertretende Sprecherin des Auswärtigen Amtes, Sawsan Chebli, mit. "Dass auch die so dringend erforderliche beiderseitige Waffenruhe Thema des Gesprächs war, ist nach Wochen des Stillstands ermutigend."
Den Angaben zufolge soll in der kommenden Woche ein weiteres Treffen der Kiewer Kontaktgruppe mit Separatistenvertretern stattfinden. Am Donnerstag war lange unklar, ob die Separatisten einen Vertreter nach Minsk entsandt hatten oder per Videokonferenz zugeschaltet waren.
Inkrafttreten von Wirtschaftssanktionen steht bevor
Der Druck auf Moskau wächst derweil weiter. Die von den 28 EU-Regierungen beschlossenen Wirtschaftssanktionen sollen am Freitag in Kraft treten. Kernstück ist eine Behinderung des Zugangs fünf großer russischer Banken zu den wichtigen Kapitalmärkten der EU. Zu den neuen Sanktionen gehören auch ein Waffenembargo, ein Ausfuhrverbot für zivil und militärisch nutzbare Güter an das russische Militär und ein Lieferstopp für Spezialgeräte zur Ölförderung.
Damit soll Russlands Präsident Wladimir Putin dazu gebracht werden, die moskautreuen Separatisten in der Ostukraine nicht länger zu unterstützen. Zudem sieht sich Moskau nun binnen weniger Tage zum zweiten Mal im Zusammenhang mit der Zerschlagung des früheren russischen Ölkonzerns Yukos mit Schadenersatzforderungen in Milliardenhöhe konfrontiert.
Parlament beschließt Kriegssteuer
Die Ukraine griff am Donnerstag derweil zu drastischen Maßnahmen: Die Bürger werden nun für den blutigen Konflikt im Osten des Landes zur Kasse gebeten. Nach langem Zögern beschloss das Parlament in Kiew eine umstrittene Kriegssteuer. Mit dieser will Kiew die umstrittene "Anti-Terror-Operation" finanzieren. Die Abgabe von 1,5 Prozent auf alle steuerpflichtigen Privateinkommen im Land soll bis zum 1. Januar 2015 gelten. Noch vor einer Woche lehnten die Abgeordneten neue Steuergesetze zur Finanzierung des Bürgerkrieges ab. Deshalb erklärte Regierungschef Arseni Jazenjuk seinen Rücktritt.
Die Finanzierung des Bürgerkrieges kostet das klamme Land aktuell umgerechnet rund 4,5 Millionen Euro am Tag. Die Freigabe frischen Geldes für die Militäroperation hatte Jazenjuk als Bedingung für seinen Verbleib im Amt genannt. Das Parlament sprach ihm nun das Vertrauen aus. (dpa)