Moskau. . Nachdem fünf Greenpeace-Aktivisten in der vergangenen Woche vom russischen Militär verhaftet worden waren, weil sie auf einer Öl-Plattform in der Barentssee protestieren wollten, legt Greenpeace jetzt Beschwerde ein. Das Vorgehen der Justiz sei ungesetzlich, die Vorwürfe haltlos.
Greenpeace legt Beschwerde ein gegen die in Russland angeordnete Untersuchungshaft für mindestens 22 Besatzungsmitglieder des Aktionsschiffs „Arctic Sunrise“. Das Vorgehen der Justiz sei ungesetzlich, sagte Greenpeace-Anwalt Anton Benislawski am Freitag der Agentur Interfax zufolge in Moskau. Sein Kollege Daniel Simmons nannte die Vorwürfe gegen die Crew haltlos.
Ein Gericht in der Stadt Murmansk begründete die Untersuchungshaft mit Fluchtgefahr sowie der Gefahr weiterer Straftaten und der möglichen Vernichtung von Beweisen.
Russische Bürgerrechtler und Journalisten kritisierten die harte Reaktion. „Es gibt keinen Grund, Untersuchungshaft als präventive Maßnahme zu verhängen“, sagte der bekannte Menschenrechtler Lew Ponomarjow. Für Aufsehen sorgt besonders der Fall des russischen Pressefotografen Denis Sinjakow. Der Familienvater war von Greenpeace angeheuert worden, um die Protestfahrt zu dokumentieren.
Russische Grenzschützer kaperten das Schiff
Vergangene Woche hatten Greenpeace-Aktivisten in der Barentssee versucht, auf einer Gazprom-Ölplattform Plakate zu hissen: „Rettet die Arktis“. Russische Grenzschützer kaperten kurz darauf ihr Schiff. „Die Verhaftung unserer Leute ist ein Überbleibsel dunkler Vergangenheit wie die gesamte russische Ölindustrie“ schimpfte gestern Greenpeace-Chef Kumi Naidoo auf der Website der Organisation. Mehrere Moskauer Internetportale und Zeitungen schwärzten ihre Fotos – aus Protest gegen die Verhaftung des Greenpeace-Fotografen Denis Sinjakow. Die Niederlande, unter deren Flagge die „Arctic Sunrise“ schwimmt, drohen mit Klage vor dem Internationalen Gerichtshof für Seerecht.
Die Haftbefehle wegen Piraterie überraschten die Moskauer Öffentlichkeit. Noch am Vortag hatte Präsident Wladimir Putin verkündet, die festgenommenen Ökologen seien „natürlich keine Piraten“. Danach hieß es aus dem Ermittlungskomitee, man könne die Anklage vielleicht mildern.
Staatsmacht bemüht sich um ein liberales Image
Die Staatsmacht bemüht sich schon länger um ein liberales Image. Unlängst beauftragte Putin den Präsidialrat für Menschenrechte eine umfassende Amnestie auszuarbeiten. Die Menschenrechtler äußerten bereits, sie wollten außer Anti-Putin-Demonstranten auch die strafgefangenen Mitglieder der oppositionellen Punkband „Pussy Riot“ freilassen.
Der Greenpeace-Skandal droht allen guten Eindruck zunichte zu machen. „Finsternis, die aus der Barentssee aufsteigt“ titelt das Internetportal gazeta.ru. „Man kann die Handlungen des Staates kaum noch logisch erklären“, sagt der Oppositionelle Sergei Dawidis unserer Zeitung. „Er ist in mehrere Machtzentren mit widersprüchlichen Handlungsvektoren zerfallen.“ Polizei und Staatsanwaltschaft unterdrückten aus Routine weiter, ein Teil der Behörden verteidige die Öl- und Gasindustrie mit Klauen und Zähnen, ein anderer versuche, die Opposition durch mehr Freiheiten zu integrieren.
Das Ergebnis ist mangelhaft. „Es bleibt unser Nationalsport“, spottet der Schriftsteller Viktor Schinderowitsch, „kein Fettnäpfchen auszulassen.“