Moskau. . Russische Ermittler haben am Dienstag gegen die Besatzung des Greenpeace-Eisbrechers „Arctic Sunrise“ ein Strafverfahren wegen „Seeräuberei“ eingeleitet. Damit drohen etwa 30 Greenpeace-Aktivisten aus 18 Ländern bis zu 15 Jahre Gefängnis.
Wladimir Markin, Sprecher des russischen Ermittlungskomitees, war kategorisch: „Alle Personen, die sich an der Attacke auf die Bohrplattform beteiligt haben, werden strafrechtlich zur Verantwortung gezogen.“
Seine Behörde eröffnete gestern gegen die Besatzung des Greenpeace-Eisbrechers „Arctic Sunrise“ ein Strafverfahren wegen „Seeräuberei“. Damit drohen etwa 30 Greenpeace-Aktivisten aus 18 Ländern bis zu 15 Jahre Gefängnis. Am Donnerstag war die „Arctic Sunrise“ nach einer Protestaktion gegen eine russische Bohrplattform in der Barentssee von Elitekämpfern des „Föderalen Sicherheitsdienstes“ (FSB) mit vorgehaltenen Maschinenpistolen gekapert worden. Danach schleppte ein Schiff der Küstenwache die „Arctic Sunrise“ in den Hafen Murmansk.
Schon beim Versuch, am Tag zuvor die Ölbohrplattform der Firma Gasprom-Schelf im arktischen Ölfeld „Priraslomnaja“ zu entern, waren laut BBC4 Umweltschützer von russischen Sicherheitskräften festgenommen worden. Dabei setzten die Russen Wasserwerfer ein und feuerten Warnschüsse ab.
„Sie benutzen ihre Schlauchboote so geschickt wie Seeräuber“
Trotz internationaler Proteste und einem Aufruf von 40 Umweltorganisationen an Wladimir Putin, die Mannschaft der „Arctic Sunrise“ freizulassen, zeigte sich Moskau gestern hart. „Greenpeace ist zu radikal aufgetreten“, sagte Sergei Iwanow, Chef der Kremlverwaltung, dem Staatssender NTV. Die Umweltschützer hätten sich wie Piraten aufgeführt. „Sie benutzen ihre Schlauchboote so geschickt wie somalische Seeräuber.“ Der Inlandsgeheimdienst FSB warf den Ökologen in einer Erklärung gar „Terrorismus“ vor. „Wer es als Job ansieht, Gesetze zu brechen“, räsonierte der Politologe Alexei Muchin gegenüber unserer Zeitung, „muss sich nicht wundern, wenn er sich ein paar Jährchen Gefängnis einhandelt.“
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Greenpeace-Vertreter dagegen verweisen darauf, die gewaltfreie Protestaktion hätte nichts mit Seeräuberei zu tun. Schon im vergangenen Jahr hatten Aktivisten der Umweltschutzorganisation die noch nicht in Betrieb genommene Plattform geentert und 15 Stunden besetzt gehalten. Damals sahen Russlands Behörden von Strafverfolgung ab.
Nach einer von Greenpeace und dem World Wildlife Fund in Auftrag gegebenen Studie würde ein Tankerleck, bei dem 10.000 Tonnen Öl in die Barentssee geraten, 140.000 Quadratkilometer Wasseroberfläche sowie 3000 Kilometer Ufer verseuchen.
„Vor allem bei Stürmen und Treibeis, drohen Tankern, die an der Plattform Öl bunkern, Havarien“, sagte der Greenpeace-Rohstoffexperte Wladimir Tschuprow. Gasprom aber habe keinerlei Pläne zur Rettung der arktischen Fauna im Falle einer Ölpest. Nach Ansicht von Experten ist die Ölförderung in der Barentssee technisch sehr schwierig und kostspielig. Trotzdem plant Gasprom-Schelf, die Bohrungen noch dieses Jahr aufzunehmen.
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Kritiker rufen zuOlympia-Boykott auf
Die Oppositionspolitikerin Jewgenija Tschirikowa warf den russischen Behörden gestern ihrerseits Seeräuberei vor. „Die Sicherheitsorgane dienen nur noch unserer Rohstofflobby. Greenpeace hat bewiesen, wie gefährlich es ist, in der Barentssee nach Öl zu bohren, dafür bezahlt es jetzt“, sagte sie unserer Zeitung. Die westlichen Regierungen aber sollten über einen Boykott der kommenden Winterolympiade in Sotschi nachdenken. „Die ganze Welt kennt Greenpeace“, kommentierte Radio Kommersant FM. „Jetzt weiß sie auch, wer der FSB ist.“