Göttingen. Der angeklagte Arzt im Göttinger Prozess um Betrug bei Organ-Transplantationen soll den Tod von Patienten in Kauf genommen haben. Am zweiten Verhandlungstag deutete sich an, wie schwer es für die Staatsanwaltschaft wird, seine Opfer zu benennen. Der Arzt verstritt den Standpunkt, es habe nie einen Mangel an Spenderorganen gegeben.
Im Göttinger Prozess um Betrug bei Organtransplantationen hat der angeklagte Arzt einen allgemeinen Mangel an Spender-Lebern bestritten. Würden sogenannte stabile Patienten von der Warteliste genommen, gäbe es sogar ein Überangebot an Organen, sagte der Mediziner am Freitag vor dem Landgericht.
Der ehemalige Chef der Transplantationsmedizin im Göttinger Uniklinikum muss sich wegen versuchten Totschlags in elf Fällen verantworten. Dabei geht die Staatsanwaltschaft davon aus, dass durch die Manipulationen des Angeklagten andere todkranke Patienten keine Organe bekommen haben.
Schneller Organe für seine Patienten bekommen
Der Mediziner soll Daten manipuliert haben, um schneller Organe für seine Patienten zu bekommen. Ihm wird auch Körperverletzung mit Todesfolge in drei Fällen vorgeworfen. Der Mediziner soll drei Patienten ohne medizinische Notwendigkeit Lebern übertragen zu haben. Sie starben anschließend.
Wie schwer der Beweis dafür werden könnte, dass andere Patienten tatsächlich zu Schaden gekommen sein könnten, deutete sich im Prozess an. Das Gericht verlas exemplarisch für einen Fall das Protokoll der zentralen Vergabestelle Eurotransplant. Danach haben Patienten, die durch die angebliche Manipulationen auf der Warteliste nach hinten rutschten, trotzdem Spenderlebern erhalten.
Der Angeklagte wollte nicht antworten
Auf die konkreten Vorwürfe der Staatsanwaltschaft ging der Arzt am zweiten Verhandlungstag nicht ein. Er erklärte jedoch, es habe für Patienten mit einem dringenden Bedarf immer genügend Spenderorgane gegeben. Auf Fragen von Staatsanwaltschaft und Nebenklage wollte der Angeklagte nicht antworten. Verteidiger Steffen Stern begründete dies mit Zweifeln daran, dass beide ein echtes Aufklärungsinteresse hätten. Die Staatsanwaltschaft wies den Vorwurf zurück.
Der Arzt sagte zuvor, finanzielle Motive hätten für ihn keine Rolle gespielt. Die Bonuszahlungen in Höhe von 1500 Euro ab einer bestimmten Zahl von Lebertransplantationen seien in der Summe niedriger gewesen, als wenn er Überstunden hätte abrechnen können. Er sei bis zu 30 Tage im Monat und zwölf Monate im Jahr in der Klinik tätig gewesen.
Bislang mehr als 40 Verhandlungstage angesetzt
Bei dem Prozess handelt es sich um das bundesweit erste Verfahren, in dem einem Arzt nach Manipulation von Patientendaten Tötungsdelikte vorgeworfen werden. Rechtsexperten halten es für problematisch, dass nicht klar nachgewiesen werden kann, wer die Geschädigten sind. Für den Prozess sind bislang bis Mai 2014 mehr als 40 Verhandlungstage angesetzt.
Nach Bekanntwerden des Falls, der im vergangenen Sommer bundesweit Schlagzeilen gemacht hatte, sank die Bereitschaft zur Organspende merklich. Nach Angaben der Deutschen Stiftung Organspende ging die Anzahl der Organspender seither um fast 20 Prozent zurück. (dpa)