Den Haag. . Yunus ist erst neun Jahre alt, doch über seiner Zukunft streiten sich die Erwachsenen schon sein ganzes Leben. Nun ist der kleine Junge sogar Gegenstand eines diplomatischen Streits zwischen den Niederlanden und der Türkei geworden. Denn seine Eltern wollen nicht, dass sich ein lesbisches Paar um ihn kümmert.

Mit fünf Monaten wurde Yunus, Sohn türkischer Einwanderer in den Niederlanden, zur Adoption freigegeben. 2004 kam er mit einem gebrochenen Arm und schweren Kopfverletzungen ins Krankenhaus. Dieses schaltete daraufhin das Jugendamt ein, die den Eltern das Sorgerecht entzog. Die Eltern versicherten zwar, dass das Kind gefallen sei, doch die Behörde glaubte ihnen nicht.

Seitdem lebt er als Pflegekind bei einem lesbischen Paar in Den Haag. Auch seine beiden Brüder wurden aus der Familie genommen und zur Adoption freigegeben. ,,Das verstößt gegen unsere Moralvorstellungen und islamischen Sitten. Er muss gemäß unserer Normen aufwachsen“, sagen die wütenden Eltern nun im türkischen Fernsehen.

Eltern wandten sich an Premierminister Erdogan

Per Brief baten sie sogar den türkischen Premierminister Erdogan um Hilfe. Der besucht am Donnerstag die Niederlande und wird sich wohl in den Fall einmischen. Auf Facebook solidarisieren sich derzeit hunderte Türken mit der Familie. Seit den Anschlägen vom 11. September fühlen sie sich in den Niederlanden nicht mehr willkommen. In den Niederlanden leben etwa 400 000 Menschen türkischer Herkunft.

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Von Christian Kerl und Birgitta Stauber-Klein

Auch in der Türkei schlägt der Fall Wellen. Das Ministerium für im Ausland lebende Türken, das direkt bei Premierminister Erdogan angesiedelt ist, kündigt gar juristische Schritte an. “Es ist eine Schande, dass sich Yunus und seine Eltern nicht verständigen können“, erklärt Kemal Yurtnac vom türkischen Ministerium. Yunus kann nur ein paar Brocken Türkisch, mit seinen Pflegeeltern spricht er Niederländisch. Bei einem Treffen im vergangenen Jahr konnten sich die Eltern mit ihrem Sohn kaum unterhalten.

Am Donnerstag besucht Erdogan die islamische Universität in Rotterdam. Der Rektor gilt als strenger Befürworter der Scharia-Gesetze. Eigentlich soll es bei dem Besuch um die wirtschaftlichen und politischen Beziehungen zwischen den Niederlanden und der Türkei gehen. Doch es wird erwartet, dass der kleine Junge Yunus ebenfalls ein Thema wird.

Sicherheitsbedenken wegen der Demonstration

Zahlreiche Türken wollen den Besuch mit Protesten begleiten und so dafür sorgen, dass Yunus wieder zu seiner leiblichen Mutter zurückkehren kann. Rotterdams Bürgermeister Ahmed Aboutaleb, der erste muslimische Bürgermeister einer niederländischen Großstadt, hat bereits erhebliche Sicherheitsbedenken wegen der angekündigten Demonstrationen geäußert.

Niederländische Politiker aller Parteien verbitten sich indes die Einmischung der Türkei. Der Fall Yunus sei allein eine nationale, niederländische Angelegenheit. „Die Einmischung der Türkei ist unerhört und anmaßend“, weist Sozialminister Lodewijk Asscher jede Initiative aus der Türkei zurück.

Yunus und seine Pflegeeltern sind übrigens abgetaucht. In der Vergangenheit hatten die türkischen Eltern die beiden Brüder Halil und Arif entführen und in die Türkei bringen lassen. Daraufhin wurden die Eltern zu Haftstrafen verurteilt. Diesmal wollen die Behörden kein Risiko eingehen.