Berlin/München. In der Union bahnt sich ein Umdenken bei der Gleichstellung homosexueller Partnerschaften an. Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgericht zur Adoption sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der Fraktion, Michael Grosse-Brömer, die Union müsse “in Sachen Gleichstellung beweglicher werden“.

Die Ablehnung einer vollständigen Gleichstellung homosexueller Partnerschaften in der Union wird schwächer. Nach der Adoptions-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts forderte der Parlamentarische Geschäftsführer der Fraktion, Michael Grosse-Brömer (CDU), am Samstag, die Union müsse "in Sachen Gleichstellung beweglicher werden". Die FDP lobte den möglichen Kurswechsel. Die Opposition zeigte sich skeptisch. Außer im Adoptionsrecht sind eingetragene Lebenspartner bislang vor allem im Steuerrecht benachteiligt. So profitieren sie im Gegensatz zu Eheleuten nicht vom Splittingvorteil bei der Einkommensteuer.

Grosse-Brömer sagte der "Süddeutschen Zeitung", angesichts "der klaren Tendenzen der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sollten wir jetzt möglichst rasch handeln und die erforderliche verfassungsrechtliche Gleichstellung auch durchführen". Auch Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) deutete einen Kurswechsel an. "Wir werden das Urteil des Bundesverfassungsgericht selbstverständlich umsetzen - das ist jetzt geboten", sagte Kauder der "Welt am Sonntag". "Dabei werden wir prüfen, ob bei der Umsetzung auch steuerrechtliche Konsequenzen gefordert sind."

Das Bundesverfassungsgericht hatte in der vergangenen Woche das Verbot der sogenannten Sukzessivadoption durch schwule und lesbische Partner für verfassungswidrig erklärt. Karlsruhe will bis zum Sommer auch darüber entscheiden, ob eingetragene Lebenspartner das Ehegattensplitting beanspruchen können. Der Bundesrat wird voraussichtlich am Freitag einen Gesetzentwurf verabschieden, mit dem das Splitting rückwirkend zum 1. Januar 2013 auf Homo-Ehen ausgeweitet werden soll.

Auch Schäuble kündigt Prüfung von Konsequenzen an

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) sagte dem Magazin "Focus", in dem Karlsruher Urteil würden gleichgeschlechtliche Partnerschaften "nicht prinzipiell aus dem Familienbegriff des Artikel 6 des Grundgesetzes ausgeschlossen. Wir prüfen, welche Konsequenzen aus dem Urteil zu ziehen sind".

Für die Gleichstellung der sogenannten Homo-Ehe auch im Steuerrecht hatte sich am Freitag bereits CDU-Vize Thomas Strobl ausgesprochen. Dagegen lehnte der CSU-Bundestagsabgeordnete Stephan Mayer im Berliner "Tagesspiegel am Sonntag" eine Gleichstellung homosexueller Lebenspartnerschaften strikt ab. "Ich bin mir sicher, dass es mit der CSU in den nächsten Monaten keine komplette Gleichstellung geben wird. Dafür gibt es auch keinen Anlass", sagte Mayer. Aus dem Karlsruher Urteil ergebe sich nicht die Notwendigkeit, die komplette Gleichstellung homosexueller Lebenspartnerschaften anzugehen, insbesondere nicht im Steuerrecht.

"Es gibt keinen Grund, jetzt in Aktionismus zu verfallen und schnell gesetzgeberisch tätig zu werden", sagte das Mitglied im CSU-Parteivorstand. Der besondere Schutz der Familie und der Ehe sei im Grundgesetz geregelt. "Wir müssen aufpassen, dass dieser Schutzanspruch nicht immer weiter ausgehöhlt wird." Auch die CDU hatte diese Haltung noch bei ihrem Bundesparteitag Anfang Dezember bekräftigt und beschlossen, Homo-Ehen steuerlich nicht gleichzustellen.

"Union erkennt endlich tolerante Gesellschaft an"

Der FDP käme ein Kurswechsel gelegen. Spitzenpolitiker der Liberalen drangen darauf, bald Nägel mit Köpfen zu machen. Vizekanzler und FDP-Chef Philipp Rösler erklärte in Berlin: "Ziel der Koalition muss es sein, noch in dieser Legislaturperiode eine möglichst vollständige Gleichstellung zu erreichen." Dies betreffe sowohl das volle Adoptionsrecht als auch die steuerliche Gleichstellung. "Wir sind bereit, schnell zu handeln", unterstrich Rösler.

Das jetzt begonnene Umdenken in der CDU/CSU begrüßte Rösler. "Mit diesem Schritt erkennt die Union endlich unsere offene und tolerante Gesellschaft an. Dafür haben wir Liberale lange gekämpft." Auch Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) zeigte sich erfreut: "Ich begrüße es, wenn sich die Union einer modernen Gesellschaftspolitik öffnet."

Ihr Ministerium habe "einen fertigen Gesetzentwurf zur vollen Adoption in der Schublade", sagte sie der "Süddeutschen Zeitung". Danach ergreift der Entwurf gleichzeitig die Gelegenheit, "eine Bereinigung des Rechts der Lebenspartner vorzunehmen". In allen möglichen Gesetzen werden Ehe und Homoehe gleichgestellt. Die Wörter "Ehegatte/Ehegatten"‘ werden jeweils mit "oder Lebenspartner" ergänzt.

SPD und Grüne erwarten Taten statt Worte

SPD und Grüne reagierten zurückhaltend auf die mögliche Richtungsänderung der Union. "Ich bin skeptisch, ob der Kursschwenk der Union bei den Lebenspartnerschaften tatsächlich kommt. Das ist ein neuer Fall von Ankündigungsrhetorik", erklärte der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Thomas Oppermann. Auch SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles betonte, es habe "schon viele leere Ankündigungen der Koalitionsparteien" gegeben. "Ich halte es für keineswegs ausgemacht, dass nun der Weg für eine echte Gleichstellung der Homo-Ehe frei ist", sagte sie.

Grünen-Spitzenkandidatin Katrin Göring-Eckardt machte deutlich: "Reden alleine reicht nicht." Die Bundesregierung müsse "endlich handeln". Der Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen, Volker Beck, erklärte, wenn "die Union ernsthaft ihre Diskriminierungspolitik gegenüber homosexuellen Lebenspartnerschaften beenden will, sind wir zur Zusammenarbeit jederzeit bereit". Er warnte die Koalition "vor halben Sachen und weiterer Bummelei". (dapd)