Essen. . Homosexuelle Paare dürfen nun doch die Adoptivkinder ihrer Partner adoptieren. Mit dem Urteil stärkt das Verfassungsgericht in Karlsruhe erneut die Rechte von Schwulen und Lesben. Bis auf die Union fordern Parteien nun die völlige rechtliche Gleichstellung mit der Ehe.

Es sind geordnete Verhältnisse. Sie, Ärztin, und sie, Innenarchitektin, verpartnert, ein Mädchen. Der entscheidende Schönheitsfehler dieser homosexuellen Kleinfamilie aus Münster: Nur die Innenarchitektin darf das 13jährige Kind, das sie vor der eingegangenen Partnerschaft in Bulgarien adoptiert hatte, Tochter nennen. Der Ärztin bleibt dies noch verwehrt, obwohl sie sich genauso um das Kind kümmert. Denn ebenfalls adoptieren durfte sie es nach dem Lebenspartnerschaftsgesetz (LPartG) bislang nicht.

Die Ärztin fühlte sich in ihren Grundrechten beschnitten und klagte sich durch mehrere Fachgerichte. Schließlich legte sie Verfassungsbeschwerde ein. Mit Erfolg: Das Urteil ist sofort gültig, der Weg für die Adoption ist frei.

Ehepaare durften, Lebenspartner nicht

Bislang unterschied das Lebenspartnerschaftsgesetz zwischen Ehepartnern und eingetragenen Lebenspartnern. Letztere durften zwar im Rahmen der „Stiefkindadoption“ das leibliche Kind ihres Partners adoptieren, aber nicht das angenommene: Die sogenannte Sukzessivadoption war bis zum Karlsruher Urteil für homosexuelle Paare verboten, nicht aber für Ehepaare. Für die klagende Ärztin war dies ein Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot des Grundgesetzes und den Schutz der Familie.

Bei der mündlichen Verhandlung im vergangenen Dezember wischten Experten die Bedenken, die Kinder könnten bei gleichgeschlechtlichen Eltern Schaden nehmen, weg. „Es dient dem Wohl des Kindes, wenn eine faktische Beziehung auch rechtlich abgesichert wird“, erklärte etwa Familienrechtlerin Nina Dethloff.

Für die Justizministerin ein historischer Schritt

Auch wenn homosexuelle Paare nach wie vor nicht gleichzeitig gemeinsam ein Kind adoptieren können, löste dieser Spezialfall der nachträglichen Adoption eine Debatte über die Gleichstellung homosexueller Partnerschaften aus – und führte wieder zu Streit in der Koalition. Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) nannte die Entscheidung einen „historischen Schritt, um Regenbogenfamilien auf ein rechtliches Fundament zu stellen.“ Die volle Adoption müsse der nächste Schritt sein, Ziel sei die Gleichstellung von homosexuellen Paaren mit Eheleuten.

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Von Birgitta Stauber-Klein

Ähnlich äußerten sich Politiker der Opposition. SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück versprach ein modernes Adoptionsrecht nach der Bundestagswahl, Grünen-Fraktionsgeschäftsführer Volker Beck kündigte einen Gesetzentwurf noch vor der Wahl an.

Ein Streitthema zwischen Union und FDP

Das könnte die Koalition in Bedrängnis bringen – anders als die FDP stehen große Teile der Union einer vollständigen Gleichstellung ablehnend gegenüber. „Wir sind nach wie vor der Auffassung, dass Mutter und Vater für das Kind gut sind“, sagte Unions-Rechtsexpertin Andrea Voßhoff.

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Beim liberalen Koalitionspartner wächst die Ungeduld: „Die Union muss sich bewegen“, sagte FDP-Fraktionsvize Miriam Gruß unserer Zeitung. „Das Kindeswohl steht im Vordergrund, nicht die sexuelle Orientierung der Eltern.“ Es sei bedauerlich, dass stets das Verfassungsgericht die Gesetzgebung der Realität anpassen müsse.

Kommt als nächstes das Ehegattensplitting?

Tatsächlich hatte Karlsruhe mehrmals die Rechte homosexueller Paare gestärkt, so bei der Erbschaftssteuer oder beim Familienzuschlag. Für dieses Jahr wird erwartet, dass die Richter Homosexuellen das Recht auf das Ehegattensplitting zusprechen. Dagegen hatte sich vor zwei Monaten ein CDU-Parteitag mit Zwei-Drittel-Mehrheit ausgesprochen, während FDP wie Opposition dafür ist.