Umeaa. . Thomas Quick galt als als einer der schlimmster Massenmörder in der Geschichte Schwedens. Doch anscheinend saß der heute 62-Jährige 18 Jahre lang zu Unrecht im Gefängnis. Das skurrile: Quick hatte die Taten nur auf sich genommen, um im Mittelpunkt zu stehen.
Schweden erlebt derzeit einen der größten Rechtsskandale seiner jüngeren Geschichte. Der berüchtigste Serienmörder des Landes war offenbar keiner. Thomas Quick hatte einst gestanden, zwischen 1964 und 1993 dreißig Menschen ermordet zu haben. Seit 18 Jahren sitzt er für insgesamt acht Morde ein.
Doch anscheinend ist Quick, den seine sechs Geschwister schon in jungen Jahren für sein Bühnentalent bewunderten, unschuldig. Gestern hat ein Gericht im nordschwedischen Umeaa einem Antrag der Staatsanwaltschaft stattgegeben, auch die letzten drei Mord Verurteilungen erneut zu verhandeln. Für fünf Morde wurde Quick bereits nachträglich freigesprochen. „Ich bin sehr froh über den heutigen Revisions-Entscheid. Ich möchte endlich wieder freikommen“, sagt der heute 62-Jährige im rechtspsychiatrischen Gefängnis Säter. Er beteuert: „Ich habe keinen der Morde begangen, für die ich verurteilt worden bin und auch keinen der anderen.“
Krankhaftes Bedürfnis nach Aufmerksamkeit
Seit 2002 trägt er wieder seinen Geburtsnamen Sture Bergwall. Mit dem will er auch angesprochen werden. Er wolle nicht mehr der Massenmörder sein, den er so lange unter dem illustren Namen Quick gespielt hatte, erklärt er. Anfang der 90er-Jahre war Quick wegen eines Bankraubs und seines psychischen Zustands zum Aufenthalt in einer geschlossenen Psychiatrie verurteilt worden. Er erklärte den Ärzten, dass er ein Inzesttäter sei. Dann erzählte er von einem Mord an einem Jungen. Gezielt beschaffte er sich Informationen in alten Zeitungsartikeln.
Wie es ausgerechnet im rechtsstaatlichen Schweden zu dieser Verurteilung ohne ausreichende Beweise kommen konnte, enthüllte erstmals eine Reportage des schwedischen Fernsehens SVT vor einigen Jahren. Demnach soll Quick, alias Bergwall, die Taten aus einem krankhaften Aufmerksamkeitsbedürfnis heraus gestanden haben. „Es hat mir gefallen, im Mittelpunkt zu sein. Ich wurde ernst genommen und habe interessante Gespräche mit intellektuellen Menschen führen dürfen“, erinnert sich Bergwall.
Die ermittelnden Polizeibeamten und der damalige Oberstaatsanwalt sollen zudem laut SVT entlastende Elemente bewusst ignoriert haben. Es hätte sich für die beruflichen Aussichten der Beamten gelohnt, Quick dingfest zu machen, deutete SVT an.
„Beim ersten Geständnis bekam ich so viel Aufmerksamkeit“
Ein Kriminalinspektor stellte etwa das Aufnahmeband bei Verhören auf Pause. „Ich rauchte damals. Wir gingen auf den Balkon, er legte seine Hand auf meine Schulter und sagte mir, was ich betonen und was ich weglassen sollte, wenn wir wieder reingehen würden. Immer und immer wieder“, beschreibt Bergwall detailreich.
„Beim ersten Geständnis bekam ich so viel Aufmerksamkeit, es war wie ein Rausch. Ich machte weiter und wurde mit Psychopharmaka belohnt“, sagt Bergwall. Fleißig gestand er immer weitere Morde. Anstaltsärzte pumpten ihn jahrelang mit berauschenden Benzodiazepinen voll. Doch schon damals gab es Zweifel. Der Psychiater Ulf Aasgaard traf Bergwall 1995. „Mein Ergebnis war, dass er nicht glaubwürdig war. Damit war ich aus dem Fall raus. Die Ermittler redeten nicht mehr mit mir. Die Quick-Einheit gab sich sehr geheim. Man glaubte an die Sachen und stellte Dinge nicht infrage”, kritisiert Aasgaard heute. Gerade die Medikamente hätten zu den Geständnissen geführt, glaubt er. Dann kam der Bruch. Ein neuer Arzt setzte alle Medikamente ab.
„Ich will nicht mehr schuldig sein“
Nach acht Monaten Entzug wachte Bergwall mit einer Erkenntnis auf: „Ich will nicht mehr schuldig sein. Ich will nicht mehr eingesperrt sein. Ich will die Menschen darüber aufklären, dass wir in Schweden nicht rechtssicher leben, sondern, dass Gerichte von Polizisten und Staatsanwälten manipuliert werden”, so Bergwall gestern gegenüber dieser Zeitung.