Washington. . Jane Fonda hat nichts ausgelassen. Sie wurde als Sex-Star verehrt, mit zwei Oscars gekürt, durch Männer unglücklich und durch Fitnessvideos reich. Mit 75 Jahren steht die liberale Aktivistin noch vor der Kamera, ausgerechnet als Nancy Reagan. Und doch ist sie endlich sie selbst.

Sie hat sich für eine Portion Zuneigung ihrer Männer verstellt, bis sie sich nicht mehr erkannte. Sie hat so lange mit den Augen anderer auf sich geblickt, bis die eigenen vor Nichtstun beinahe blind geworden wären. Ein Glück. Sie hat nach 60 Jahren entschieden, dass Minderwertigkeitskomplexe und Gefallsucht in ihrem Leben keinen Platz mehr beanspruchen dürfen. Seither sieht sie sehr genau hin und blendender aus denn je. Jane Fonda, das ausdauerndste Chamäleon Hollywoods, wird 75. Sieh mal einer an.

Als der Sex in den 60ern filmisch neu konzipiert wurde, war sie „Barbarella“. Als der Vietnam-Krieg den Zorn der Weltjugend weckte, gab sie ihm in Hanoi auf einem Flakgeschütz der Vietcong sitzend fotogen Feuer. Als der Körper als Hülle Gewicht bekam, ging sie mit bunten Frottee-Bändern um die Stirn und frivol engen Strumpfhosen an den Schenkeln der Fitness-Industrie als Pionierin voran und verdiente mit Vorturn-Videos Millionen.

Als der Fernseh-Mogul Ted Turner eine Trophäe als Frau suchte, ließ sie sich die Brüste vergrößern und stellte sich bereitwillig und schick auf seinen Kaminsims. Lange schön war es da nicht.

Die Tochter von Henry Fonda war für ihren Vater nie gut genug

Als sie 68 wurde, beschloss Jane Fonda sich neu zu erfinden, schrieb sich die Fassaden ihres Gesichts mit Sätzen wie diesen von der Seele: „Ich habe meine Männer alle geliebt. Aber ich weiß wirklich nicht, warum ich mit ihnen so lange zusammen war.“ Männer. Fondas Mega-Thema, seit sie 12 ist. Damals stirbt ihre Mutter. Von Herzinfarkt ist die Rede. In einem Hochglanz-Magazin erfährt das Mädchen, die depressive Frau hat sich die Kehle durchgeschnitten.

Die Wahrheit wirft sie aus der Bahn. Die Landung an der Seite ihres Vaters gerät noch härter. Henry Fonda, der große Mime, der die ganze Katastrophe namens Leben in einer einzigen Gesichtsfurche abzubilden verstand, ist kalt wie ein Fisch. Und herrisch wie ein Despot. Was immer die ehrgeizige, junge Frau versuchte, Malerei, Klavierstudium, Journalismus, Ende der 50er dann die Schauspielerei, dem Alten war sie nie gut genug.

In dieser Zeit wächst ihr Hang zur Camouflage. Nach dem Essen spuckt sie sich die Seele aus dem Leib. Um schlank zu bleiben. Tabletten kaschieren die inneren Zweifel. Über beides, Bulimie wie Gefallsucht, spricht sie 2005 erstmals in ihren mit viel Gewinn zu lesenden Memoiren („My Life so Far“).

Zweimal mit dem Oscar ausgezeichnet, dreimal geschieden

Trotz aller Widrigkeiten stellt sich schon früh der Erfolg ein. 1960 wird Jane Fonda am Broadway zur besten Nachwuchsschauspielerin gekürt. Roger Vadim, mit dem sie erst vor die Kamera und dann vor den Standesbeamten tritt, macht sie mit dem erotischsten Science-Fiction-Streifen der Wirtschaftswunderjahre berühmt: „Barbarella“. Die 1970er bringen berufliche Rekordernte. Ihre Rollen als Prostituierte in „Klute“ (1971) und in dem Anti-Vietnam-Drama „Coming Home“ (1978) werden mit dem Oscar belohnt.

Drei Jahre später spielt sie in „Am goldenen See“ zum ersten und letzten Mal ihren Vater an die Wand. In der Liebe läuft sie dagegen. Vadim steht auf Dreier. Scheidung (mit Tochter Vanessa). Tom Hayden, der Polit-Aktivist, ist dumm und pockennarbig. Scheidung (mit Sohn Troy). Und Ted Turner sucht nur eine Frau, die er wie seinen Sender CNN ein- und ausschalten kann. Scheidung 2001. Seither ist die Fonda ihre eigene Fernbedienung. Volles Programm.

Selbsterfahrungskurse in Religiösität bringen sie der Wer-bin-ich-Frage nahe. Sanierungsmaßnahmen am Leib (Kniegelenke, Hüfte, Fett weg, Haut glattziehen, Plastik-Brüste wieder raus) erquicken das selbstironische Ego. Zitat: „Auch bei einem Klasse-Auto müssen mal Radkappen und Getriebe ausgewechselt werden. Die Knie sind besonders wichtig – sie müssen doch in einer frischen Liebesbeziehung einsatzfähig sein.“ Und Musikproduzent Richard Perry (70) erweist sich als empathischer Lebensabschnittsmitgestalter. „Ich habe jetzt einen Mann, der ist anders als meine Ex-Ehemänner“, sagt sie. „Er ist zum Beispiel sehr nett zu mir.“

Über Rollen kann sie sich nicht beklagen. Zuletzt machte sie mit Geraldine Chaplin und Pierre Richard in „Und wenn wir alle zusammenziehen?“ eine muntere Alters-WG auf. In „The Butler“ wird sie in den ätherischen Charakter von Nancy Reagan steigen und Ronald die Sporen geben. Auch so eine kleine Frau, die lange über sich selbst hinweggesehen hat.