Brüssel. . Die Komplizin des Kinderschänders Dutroux ist nach 16 Jahren Haft frei. Michelle Martin soll in einem belgischen Kloster unterkommen. Angehörige der Opfer sind wütend: Martin war zu 30 Jahren Gefängnis verurteilt worden.

Belgiens Alptraum ist wahr geworden, eine verheilt geglaubte Wunde in der Volksseele wieder aufgerissen. Und sie trägt einen Namen: Michelle Martin. Die Ex-Frau und Komplizin des berüchtigten Kinderschänders und Mörders Marc Dutroux ist seit Dienstagnachmittag eine freie Frau. Das letztinstanzliche Kassationsgericht in Brüssel schmetterte zwei Berufungsanträge ab und setzte Martins Haftstrafe nach 16 von 30 Jahren ein vorzeitiges Ende.

Damit kann die dreifache Mutter umgehend in ein südbelgisches Kloster bei Namur ziehen, dessen Nonnen sich bereit erklärt hatten, sie aufzunehmen. Die Richter sahen keine formalen Gründe, der in früherer Instanz von einem Gericht in Mons verfügten und vom dortigen Generalstaatsanwalt sowie den Opferfamilien angefochtenen Freilassung zu widersprechen.

Proteste vor dem Kloster

Das Urteil steht im krassen Gegensatz zum Gerechtigkeitsempfinden vieler Belgier. „Was muss jemand getan haben, damit er seine volle Haftstrafe absitzt?“ Mit dieser Frage brachte Pol Marchal, dessen 17-jährige Tochter An von Dutroux ermordet wurde, die öffentliche Entrüstung auf den Punkt. Die Angehörigen der Opfer wollen nun vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gegen das empfundene Unrecht klagen.

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In großem Stil berichteten die Nachrichtenmedien des Landes am Dienstag aus Brüssel. Vor dem Gerichtsgebäude schwenkten rechte Nationalisten Schilder mit der Aufschrift „Hängt Pädophile!“. Im Fernsehen stritten Vertreter der Sozialisten und Liberalkonservativen darüber, wer von ihnen nun Schuld daran trage, dass die seinerzeit versprochene Justizreform ausgeblieben sei und das Strafrecht eine vorzeitige Freilassung von Kinderschändern ermögliche.

Zu 30 Jahren Gefängnis verurteilt

Denn nach belgischem Gesetz können Straftäter nach einem Drittel ihrer Haftstrafe unter Auflagen freigelassen werden. Martin war 1996 festgenommen und später zu 30 Jahren Gefängnis verurteilt worden – unter anderem, weil sie zwei der entführten Mädchen in einem Kellerverlies verhungern ließ, während ihr Mann wegen Diebstahls in Haft saß. Dutroux hatte mit Hilfe seiner damaligen Frau sechs Mädchen zwischen acht und 19 Jahren entführt, vergewaltigt, zwei von ihnen ermordet und zwei weitere verhungern lassen. Die letzten beiden wurden von der Polizei befreit.

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Martin beharrte stets darauf, sich passiv verhalten und unter dem Einfluss ihres psychopathischen Gatten gestanden zu haben. Wann sie ins Klarissen-Kloster nach Malonne eskortiert wird, ist noch unklar. Den Weg in die zur Namur gehörende Gemeinde 75 Kilometer südwestlich von Brüssel müsste sie eigentlich bis Mittwochmorgen antreten.

,,Wir fackeln das Kloster ab‘

Dort dürften die 52-Jährige wütende Proteste erwarten. In anonymen Telefonaten heißt es: ,,Wir fackeln das Kloster ab.‘‘ Für dessen Überwachung und Sicherheitsvorkehrungen wegen der kochenden Volksseele rechnet die Polizei mit Kosten von 120 000 Euro monatlich. Der Bischof von Lüttich hat sich hinter die elf Nonnen des Klosters gestellt, das Martins neues Zuhause wird. Er ließ erklären: ,,Es entspricht der christlichen Nächstenliebe, Frau Martin im Kloster aufzunehmen. Auch nach allem, was sie getan hat, ist sie ein Mensch.‘‘