Brüssel.

Der Belgier Marc Dutroux hat vor einigen Jahren schreckliche Berühmtheit erlangt. Sechs Mädchen verschleppte der Kinderschänder in die unterirdischen Verliese seines Hauses, nur zwei überlebten. Nun soll das Gebäude abgerissen werden: Ein Plan, der die Öffentlichkeit spaltet.

Das Haus Nr. 128 in der Rue de Philippeville im wallonischen Marcinelle hat eine makabre Berühmtheit erlangt. Touristen werden magisch angezogen von dem Gebäude, für das es nur monströse Superlative gibt wie „Horrorhaus“, „Gruselhaus“ oder „Haus des Teufels“. Hinter der inzwischen verhangenen Fassade befinden sich die Folterkammern und Verliese des belgischen Kinderschänders und Mörders Marc Dutroux. Nun will die Stadt Charleroi das Haus dem Erdboden gleichmachen. Ein umstrittener Plan, gegen den sich Widerstand regt – vor allem bei Angehörigen der Opfer.

Fassade mit spielenden Kindern bemalt

Die meisten Anwohner von einst konnten die beklemmende Nähe zu dem Dutroux-Haus und den Touristenandrang nicht mehr aushalten, sie sind längst fortgezogen. Um die Neugier der Schaulustigen wenigsten etwas zu bremsen, ließ die Stadtverwaltung die Fassade vor einiger Zeit bemalen. Das heitere Bild im Großformat zeigt ein glückliches Kind, das in einer sommerlichen Dünenlandschaft einen bunten Drachen in den blauen Himmel steigen lässt.

Ein krasser Kontrast zu dem Unfassbaren, das sich dort in den Jahren 1995 und 1996 zutrug. Die Keller, die zunächst als Versteck für Diebesgut dienten, hatte Dutroux dann eigens für die Entführungen und Vergewaltigungen zu Kerkern und Folterverliesen hergerichtet.

Sechs Mädchen verschleppte der Kinderschänder in sein Gruselhaus, nur zwei - Sabine Dardenne (12) und Laetitia Delhez (14) - überlebten. Vier Mädchen, Eefje Lambrecks (19), An Marchal (17), Melissa Russo und Julie Lejeune (beide 8) fanden den Tod. Während An und Eefje vergiftet wurden, mussten Melissa und Julie qualvoll verhungern, weil sich Dutroux zu jener Zeit wegen Autodiebstählen in Haft befand und seine Ex-Frau Michelle Martin die Mädchen kaltblütig ihrem Schicksal überließ.

Dutroux soll enteignet werden

Zwar hat die wallonische Landesregierung der Stadt Charleroi nun erlaubt, den berühmtesten Verbrecher Belgiens („das Monster“, „ein Synonym für alles Böse in der Welt“) zu enteignen. Zwar kann Dutroux gegen den Enteignungsbeschluss Berufung beim Amtsgericht einlegen, aber Charlerois Baustadtrat Eric Massin ist sehr zuversichtlich, das Verfahren komplikationslos über die Bühne bringen zu können.

Den heftigsten Widerspruch erfährt Massin ausgerechnet von Angehörigen der Opfer. Jean-Denis Lejeune etwa, Julies Vater, will das Horrorhaus um jeden Preis erhalten – „um zu zeigen, zu welchen Teufelspraktiken Dutroux fähig war, wie die Mädchen dort eingeschlossen wurden und wie undenkbar es war, dass die Polizei, die die Kinder suchte, an ihnen vorbei laufen konnte“.

Schreckliche Fahndungspanne

Damit spielt Lejeune an auf eine der schlimmsten Fahndungspannen der belgischen Polizei. Im Dezember 1995, als sich Dutroux in besagter U-Haft befand und die Kinder noch lebten, durchsuchten Polizeibeamte das Haus – doch weder die frisch verputzte Wand vor dem Verlies noch die Stimmen dahinter machten sie stutzig.

Nach den Plänen von Baustadtrat Massin soll das Grundstück nach dem Abriss in eine Art Gedenkwiese verwandelt werden, möglicherweise sogar mit einem Obstgarten. Schon jetzt befindet sich an dem Dutroux-Haus ein Schild mit der Inschrift „Im Gedenken an die Opfer der Pädophilie“.

Die Öffentlichkeit ist mehrheitlich für eine Gedenkwiese

In der Öffentlichkeit überwiegt die Zustimmung für diese geplante Form der Vergangenheitsbewältigung. „Es bleibt traurig für die Familien, aber die Häuser zu erhalten, macht ihre Kinder nicht wieder lebendig“, schreibt ein Leser im Internetforum der Zeitung „La Dernière Heure“. Doch ein anderer Leser fragt pikiert: „Sollen wir dann Karotten und Salat anpflanzen und unsere Kinder dort spielen lassen?“. Und ein weiterer Kritiker malt sich diese Vision aus: „. . . und dann verkaufen sie am Eingang Bonbons, Bisquits und Schokolade, um krankhafte Touristen zu beruhigen.“

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