Brüssel. Michelle Martin, die Ex-Frau des belgischen Kinderschänders Marc Dutroux, wird aus der Haft entlassen. Im Rahmen eines Resozialisierungsplans darf sie ins Frauenkloster von Malonne ziehen. Unter anderem wurde der 52-Jährigen vorgeworfen, sie habe zwei Mädchen in einem Keller verhungern lassen.
Sie wurde als Komplizin des belgischen Kinderschänders Marc Dutroux zu 30 Jahren Haft verurteilt. Nach 16 Jahren hinter Gittern darf Dutroux' Ex-Frau Michelle Martin nun das Gefängnis vorzeitig verlassen - und ihre Zelle im Gefängnis gegen eine Zelle im Kloster tauschen.
Der belgische Kassationsgerichtshof folgte am Dienstag der Entscheidung eines Gerichts in Mons vom 31. Juli, wonach die 52-Jährige im Rahmen eines Resozialisierungsplans unter Auflagen freigelassen wird.
Kassationsgericht wies Berufungsanträge zurück
Das Kassationsgericht wies die Berufungsanträge mehrerer Opferfamilien und der Staatsanwaltschaft zurück und entschied, dass Martin ins Frauenkloster von Malonne nahe der südbelgischen Stadt Namur ziehen darf. Dabei muss sie sich aber von der Öffentlichkeit fern halten. Sie soll dem Tagesablauf des Klosters folgen, selbst aber nicht Nonne werden.
Die ehemalige Lehrerin war 1996 zusammen mit Dutroux festgenommen worden. Dem Paar wurden die Entführung, Gefangennahme und Vergewaltigung von sechs Mädchen und der Tod dreier Opfer zur Last gelegt. Nach einem Aufsehen erregenden Gerichtsverfahrens im belgischen Arlon wurde Dutroux am 22. Juni 2004 zu lebenslanger Haft verurteilt, Martin erhielt eine 30-jährige Haftstrafe.
Martin, die selbst Mutter dreier Kinder von Dutroux ist, wurde vor allem angelastet, dass sie zwei der verschleppten Mädchen in einem Kellerverlies verhungern ließ. Wie sie im Prozess zugab, versperrte sie eigenhändig die Tür, hinter der die beiden Achtjährigen qualvoll starben. Sie habe Angst vor den kleinen "Monstern" gehabt, die sie in dem Versteck hätten anfallen können, sagte sie. Marc Dutroux saß zur Tatzeit wegen anderer Delikte im Gefängnis.
Michelle Martin empfand Dutroux als "Gott"
Während des Prozesses hatten Gutachter versucht herauszufinden, was Michelle Martin zu diesen grausamen Taten getrieben hatte. War sie eine skrupellose Mittäterin oder eine Frau unter zerstörerischem Einfluss? Einer der Experten meinte, Martin habe ihren Mann, den sie im Alter von 21 Jahren in einer Eissporthalle kennenlernte, als "Gott" empfunden. Dass der drei Jahre ältere Marc verheiratet war und bereits zwei Kinder hatte, störte sie offenbar nicht.
Martin habe die Beziehung zu Dutroux als Befreiung aus den erdrückenden Armen ihrer autoritären Mutter erlebt, lautete die Einschätzung der Experten. Die Mutter habe Michelle allein großgezogen, nachdem das Mädchen als Sechsjährige bei einem Autounfall den Tod des Vaters miterleben musste. In ihrer Ehe mit Dutroux ertrug die als fragile Persönlichkeit beschriebene Martin nach eigener Schilderung Demütigungen und Schläge.
Zunehmend in Fantasiewelten geflüchtet
Die Ehe schlossen die beiden 1988 im Gefängnis. 1989 wurde Michelle Martin zu fünf Jahren Haft verurteilt, weil sie ihrem Mann 1985 und 1986 bei der Entführung und Vergewaltigung Minderjähriger geholfen hatte. Dutroux bekam eine 13-jährige Haftstrafe, wurde aber 1992 vorzeitig aus dem Gefängnis entlassen. Drei Jahre später begann eine Serie von Entführungen und Vergewaltigungen von Mädchen zwischen acht und 19 Jahren.
Auch nach den neuen Verbrechen ihres Mannes in den 90er Jahren konnte sich Martin nicht von dem Kinderschänder lösen. Erst viel später brach sie mit ihm, im November 2003 wurde die Scheidung vollzogen. Psychologische Gutachter kamen zu dem Schluss, dass Martin sehr wohl zwischen Gut und Böse habe unterscheiden können. Sie habe sich aber zunehmend in Fantasiewelten geflüchtet und habe am Ende nicht mehr den Unterschied "zwischen Traum und Wirklichkeit" erkannt. (AFP)