Berlin. Jeder Bundesbürger wirft jährlich über 81 Kilogramm an Essbarem weg. Eine Studie belegt erstmals, welche unglaubliche Mengen Nahrungsmittel schlicht verschwendet werden - bei gleichzeitigem Mangel an anderer Stelle.

Jeder Bundesbürger wirft pro Jahr 81,6 Kilogramm Lebensmittel in den Müll. Das zeigt eine Studie der Universität Stuttgart, die am Dienstag von Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) vorgestellt wird. Demnach werden jährlich knapp elf Millionen Tonnen Lebensmittel als Abfall entsorgt. 61 Prozent dieser Abfälle stammten aus Privathaushalten, jeweils rund 17 Prozent entfielen auf Großverbraucher wie Gaststätten, Schulen oder Kantinen sowie auf die Industrie. Die übrigen fünf Prozent fielen im Einzelhandel an. Rund zwei Drittel dieser Abfälle wären laut Studie vermeidbar.

Es ist die erste Studie, die im Detail die Lebensmittelverschwendung in Deutschland untersucht. Sie erfasse die verschiedenen Stationen von der Verarbeitung über den Vertrieb bis zum Verbraucher. Bislang lagen dazu nur Schätzungen vor, die von 6,5 bis 20 Millionen Tonnen reichten. Allein die privaten Haushalte werfen laut Studie jedes Jahr 6,7 Millionen Tonnen Lebensmittel als Abfall in den Müll.

NRW will Projekte gegen Lebensmittel-Vernichtung auszeichnen

Die ernüchternde Gegenrechnung: Immer noch stirbt alle drei Sekunden auf der Welt ein Mensch an Hunger, mehr als die Hälfte dieser 8,8 Millionen Toten jährlich sind Kinder. Eine Milliarde Menschen leiden unter Mangelernährung. In den reichen Ländern werden mehr Lebensmittel weggeworfen wie im gesamten Afrika unterhalb der Sahara produziert werden.

Auch Hunderttausende Kinder in Deutschland sind mangelernährt. Zu dieser Erkenntnis kam jüngst der Bundesverband der Kinder- und Jugendärzte. Für 500 000 Kinder seien die Ernährungsbedingungen mit denen in Entwicklungsländern vergleichbar, sagte der Präsident des Ärzteverbandes, Wolfram Hartmann. Nicht immer sei dies auf Armut zurückzuführen - sondern häufig auf mangelnde elterliche Fürsorge. Aber es gibt sie eben auch: die armen Familien, die bei der Ernährung auf jeden Cent achten müssen.

NRW-Umweltminister Johannes Remmel (Grüne) hatte daher jüngst zum bewussteren Umgang mit Lebensmitteln aufgerufen: Es gebe „ökonomische, ökologische und ethische Gründe für eine Verringerung der Lebensmittel-Verschwendung. Untersuchungen im Nachbarland Österreich haben nach Angaben des Vorstandschef der Verbraucherzentrale, Klaus Müller, ergeben, ,,dass jeder Verbraucher dort pro Jahr alleine original verpackte Lebensmittel im Gesamtwert von rund 400 Euro wegwirft". In Großbritannien konnte die Menge der weggeworfenen Lebensmittel innerhalb eines auf fünf Jahre angelegten Projekt-Versuchs um 670 000 Tonnen reduziert werden. Müller und Remmel sprachen sich dafür aus, besonders positive Beispiele der Vermeidung von Lebensmittel-Vernichtung auszuzeichnen. Sie lobten etwa das Verhalten verschiedener Bäckereien, den Preis für Brote etwa eine Stunde vor Ladenschluss zu senken. (dapd)