Düsseldorf. . Staatssekretär und Medienexperte Marc Jan Eumann im Interview über Werbung im öffentlich-rechtlichen Fernsehen und GEZ-Gebühren. Die Rechnung der ARD, die Gage für Thomas Gottschalk durch zusätzliche Werbung wieder reinholen zu können, scheint nicht aufzugehen.

Marc Jan Eumann schiebt die gläserne Tür seines Büros zur Seite und tritt ans Geländer. Die Luft ist klar an diesem Mittag, der Februarwind überraschend mild. Der Blick geht hinaus auf den Rheinbogen, den Landtag, über die Düsseldorfer Altstadt bis zum Schlossturm. Wer so ein Büro hat, der hat schon einiges geschafft im Leben. Der 45-Jährige hat es auf dem Weg nach oben immerhin schon bis in die 12. Etage des Stadttors gebracht. Bei der „Ministerin für Bundesangelegenheiten, Europa und Medien“ ist Eumann der Experte für Fernsehen, Presse und Internet. Und Eumann ist einer, der sich im stressigen Politikbetrieb immer wieder die Zeit zum Zuhören nimmt. Und zum Nachdenken. Gerade hat er ein Buch geschrieben, in dem er über die Auswirkungen der ungefilterten, billigen Nachrichtenflut im Internet sinniert. „Journalismus am Abgrund“ ist der Titel. Ganz ohne Fragezeichen kommt der Buchtitel aus. Auch ein Grund, mal nachzufragen.

Herr Staatssekretär, Sie saßen lange im WDR-Rundfunkrat und sind Mitglied im ZDF-Fernsehrat. Kann sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk teure Stars wie Jauch und Gottschalk noch leisten?

Marc Jan Eumann: Fernsehen braucht Stars. Aber die Intendanten der öffentlich-rechtlichen Sender müssen schon sehr sorgfältig kalkulieren, wieviel Gebühren sie für einen einzigen Moderator ausgeben. Die ARD hatte ja gehofft, mit zusätzlicher Werbung die Gage für Thomas Gottschalk wieder reinholen zu können. Das scheint nicht zu klappen. Und es ist auch richtig, darüber nachzudenken, ob gut bezahlte Stars von ARD und ZDF wirklich noch Nebeneinkünfte brauchen. Da gibt es eine Grauzone.

Also Goldbärchen-Verbot für Gottschalk?

Eumann: Es war konsequent, dass Jauch seine Werbeaktivitäten nach dem Wechsel zur ARD praktisch eingestellt hat. Das finde ich richtig. Und Gummibärchen im Studio nutzen höchstens dem Moderator, aber schaden dem Ansehen des öffentlich rechtlichen Rundfunks.

ARD und ZDF können Verzicht auf Werbung schaffen

Hannelore Kraft hat angekündigt, ab 2017 solle der öffentlich-rechtliche Rundfunk ganz auf Werbung verzichten. Ist das zu schaffen?

Eumann: Absolut. Wenn man die Zweiteilung zwischen öffentlich-rechtlichem System und privatem Rundfunk heute noch einmal erfinden würde, käme keiner auf die Idee, Werbung und Sponsoring bei ARD und ZDF zu erlauben.

Aber müssen dann nicht die Zuschauer und Zuhörer mehr bezahlen?

Eumann: Nicht unbedingt. Die Werbeeinnahmen machen ja nur einen geringen Teil der Einnahmen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks aus und wir wollen schrittweise aussteigen. Dann ist zu prüfen, ob und wie die Sender mögliche Ausfälle verkraften. Sparen ist da kein schlechter Rat, denn wir wollen die Belastung für die Beitragszahler so gering wie möglich halten.

In Ihrem Buch „Journalismus am Abgrund“ machen Sie sich Sorgen um die Zukunft der Tageszeitungen in Deutschland. Warum liegen Ihnen Zeitungen so sehr am Herzen?

Eumann: Fakt ist, dass Anzeigen vermehrt im Internet geschaltet werden, und die Auflagen seit Jahren sinken. Das muss uns auch als Politiker beunruhigen. Regionalzeitungen haben eine wichtige Bedeutung für das Zusammenleben in einer Stadt. Erfahrungen zeigen: Wo Zeitungen weggehen, sinkt die Beteiligung der Bürger am öffentlichen Leben.

Und das Internet kann die Lücke nicht füllen?

Eumann: Auf absehbare Zeit nicht. Es gibt interessante Entwicklungen, engagierte Blogs. Aber da ist ja auch viel Müll im Netz unterwegs. Die Glaubwürdigkeit der Regionalzeitung ist ungebrochen hoch. Übrigens auch bei Jugendlichen. Viele suchen in der Hektik und Informationsflut nach Einordnung und Orientierung. Das ist eine gute Aufgabe für Zeitungen. Und eine große Chance.

Neue Finanzmodelle für Zeitungen

Brauchen wir irgendwann Gebühren für Zeitungen?

Eumann: Darum geht es mir nicht. Aber es ist jetzt die richtige Zeit, darüber zu diskutieren, wie die Zeitungen als Qualitätsmedien gestützt werden können. Da gibt es im In- und Ausland interessante Modelle. Leser beteiligen sich finanziell an der Zeitung, Mitarbeiter erwerben Anteile und es gibt Zeitungspatenschaften. Wer auch in Zukunft inhaltliche Vielfalt will, muss jetzt über viele neue Wege nachdenken.

Manche kündigen ihr Zeitungsabonnement, wenn sie arbeitslos werden. GEZ-Gebühren sind im Hartz-IV-Satz drin, die Zeitung nicht. Ist das gerecht?

Eumann: Da hätten die Zeitungen früher im Gesetzgebungsverfahren ihre Interessen einbringen müssen. Der Zug ist wohl abgefahren. Immerhin unterstützt der Staat ja die Presse mit einem günstigen Mehrwertsteuersatz. Ich habe vorgeschlagen, dass Zeitungsleser ihr Abo von der Steuer absetzen können. Aber das ist zurzeit noch nicht mehrheitsfähig.

Das Internet setzt ja nicht nur klassische Medien wie Fernsehen, Radio und Presse unter Druck. Es bietet ja auch völlig neue Möglichkeiten der Beteiligung der Bürger an der Politik. Was verstehen Sie unter Ihrem Projekt „Open Government“ - also „offene Regierung“?

Eumann: Es gehört zum Regierungsprogramm von Hannelore Kraft, aus Betroffenen Beteiligte zu machen. Auch deshalb gibt es ein Beschluss des Kabinetts mit der Überschrift „Open.NRW“, die Möglichkeiten des „Open Government“ viel stärker zu nutzen. Die Stichworte sind Transparenz, Partizipation und Zusammenarbeit. Ein konkretes Beispiel: Bevor wir das Projekt „Medienpass an Schulen“ gestartet haben, wurde mit den Bürgern dazu im Internet ausgiebig diskutiert. Fast 50.000 Seitenabrufe und rund 1500 Bürgerinnen und Bürger, die Ihre Einschätzungen abgegeben haben, hinzukommen etwa 700 Schüler, die das Thema parallel auf einem sozialen Netzwerk diskutierten. Die Auswertung dieser Online Konsultation ist maßgeblich eingeflossen. Das ist das neue Zusammenspiel über Open Government. Auch Fragen des Haushalts haben Bürgerinnen und Bürger mit der Ministerpräsidentin diskutieren können. Das löst nicht alle Probleme, bietet aber interessante Möglichkeiten. Insgesamt gilt: Wir stehen hier erst am Anfang. Aber wir in NRW wollen die Architekten für „Open Government“ in Deutschland werden.