Stade. Er habe versucht, die Tat zu verdrängen. Aber vergessen könne “man so was nie“. Vor Gericht haben jetzt Missbrauchsopfer des mutmaßlichen dreifachen Kindermörders Martin N. als Zeugen ausgesagt. Ein 26-Jähriger erzählte, wie er die Ermittler auf die Spur des Angeklagten gebracht hat.

Die Missbrauchsopfer des mutmaßlichen dreifachen Kindermörders Martin N. leiden noch heute unter den Folgen der Taten. Ein 26-Jähriger sagte am Montag vor dem Landgericht Stade, er habe Depressionen und werde psychotherapeutisch behandelt. Der Zeuge hatte den Hinweis zur Festnahme des als Maskenmann in der Öffentlichkeit bekannt gewordenen 40-Jährigen im April in Hamburg gegeben. Als Junge war er 1995 in seinem Elternhaus in Bremen von einem lange Unbekannten missbraucht worden.

Ein weiteres Missbrauchsopfer sagte vor Gericht nicht aus, weil es seine psychische Verfassung nicht zulasse. Andere Zeugen sagten, sie hätten die Taten verdrängt. Martin N. muss sich seit dem 10. Oktober wegen des Mordes an drei Jungen und 20-fachen Kindesmissbrauchs verantworten. Zwischen 1992 und 2001 soll er in Schullandheime in Norddeutschland eingedrungen sein. Von 1994 bis 1997 soll der Angeklagte im Bremer Stadtteil Horn mehrere Jungen in deren Elternhaus missbraucht haben.

Der 26-jährige Zeuge sagte, er sei in der fraglichen Nacht vor 16 Jahren nachts aufgewacht, weil jemand neben seinem Bett stand und in seine Hose gegriffen habe. "Ich war wie gelähmt, habe versucht zu schreien, es kam kein Ton heraus", sagte der Zeuge. Der Unbekannte habe beruhigend auf ihn eingeredet. Erst als seine Schwester, die zufällig in der Nacht neben ihm im Bett schlief, erwachte und schrie, sei der Täter aufgesprungen und weggelaufen.

Die Stimme sei ihm schon damals bekannt vorgekommen, er habe sie nur nicht zuordnen können. Nach dem Vorfall sei er psychotherapeutisch behandelt worden. Für die ganze Familie sei die Situation nicht einfach gewesen. Er habe versucht, die Tat zu verdrängen. Aber vergessen könne "man so was nie".

Anfang 2011 erinnert sich der Zeuge an einen Betreuer

Anfang dieses Jahres sei ihm plötzlich die Erinnerung an einen Betreuer in einem Ferienlager gekommen, in dem er wenige Wochen vor dem Missbrauch gewesen war. "Ich sollte ihm Bilder malen von unserem Haus", sagte der Zeuge. Auf drei Blättern zeichnete er dem Betreuer den Grundriss aller drei Etagen des Reihenhauses auf. "Ich wusste noch zu 80 Prozent, dass der Betreuer Martin hieß", sagte der Zeuge.

Das Verhältnis zu dem damals 24-jährigen Betreuer sei während der Ferien "wie zu einem großen Bruder" gewesen. Er habe mit den Kindern gespielt und etwas unternommen. "Es war lustig, hat Spaß gemacht", erinnerte sich der junge Mann. Er benachrichtigte die Polizei. Kurz darauf wurde Martin N. festgenommen, der daraufhin drei Morde und zahlreiche Missbrauchsfälle gestand. Nun, da der Täter ein Gesicht habe, könne er anfangen, die Tat von damals zu verarbeiten, sagte der Zeuge.

Ein weiterer Zeuge schilderte, wie der Maskenmann 1996 eines Abends an der Haustür klingelte, ihn mit einer Waffe bedrohte und ihn im Haus missbrauchte. Auch ein guter Kumpel von ihm sei damals missbraucht worden.

Der Prozess wird am 28. November fortgesetzt. (dapd)