Essen/Stade.. Als „Maskenmann“ verkleidet schlich sich Martin N. in Schullandheime und Ferienlager. Ab Montag nun steht der einstige Pädagoge vor Gericht, angeklagt des Mordes an Dennis K., Stefan J., und Dennis R. sowie des vielfachen Missbrauchs kleiner Jungen.
Sie nannten ihn den „Maskenmann“. Oder den „Schwarzen Mann“. Und so gut war seine Tarnung, so dunkel seine Vergangenheit, dass sie ihn fast zwei Jahrzehnte suchen mussten. Ab Montag aber steht Martin N. nun vor Gericht, angeklagt des Mordes an Dennis K., 9, Stefan J., 13, und Dennis R., 8, des vielfachen Missbrauchs kleiner Jungen – und verdächtigt, noch weitere umgebracht zu haben.
Aus dem Bett geraubt
Martin N., 40 Jahre alt, soll der gefürchtete Unbekannte sein, der nachts Kinder raubte, aus Campingzelten, Schlafsälen in Jugendherbergen, von dort, wo sie sich am sichersten fühlten: ihrem eigenen Bett.
Zum Fürchten wahrlich sah er aus auf seinem Phantombild, es kannte die ganze Republik: die massige Gestalt mit den breiten Schultern in schwarzen Kleidern, den Kopf mit schwarzem Stoff verhüllt, zu sehen nur Augen, Nase, Mund. So haben die Kinder ihn beschrieben, die sein Treiben überlebten. Jetzt ist auf Fotos das ganze Gesicht zu sehen: blass, weich, ein fast schüchternes Lächeln unter der hohen Stirn. Ein ausgebildeter Pädagoge, früherer Jugendbetreuer, der einst Vater eines Pflegekindes war – eines Jungen, wie gewünscht. Martin Maskenmann.
Als sie ihn festnahmen im April, lag seine erste Tat wohl 19 Jahre zurück. Sie haben gewusst, dass er ein Pädophiler ist, es gab zwei kleinere Verfahren und eines wegen Erpressung: Ein Bekannter hatte gedroht, N. wegen seiner Kinderporno-Sammlung zu verpfeifen. Die „Soko Dennis“ hat ihn sogar befragt vor Jahren, aber nicht ernsthaft in Betracht gezogen für das Ungeheuerliche: dass der 40-Jährige aus Bremen, zuletzt wohnhaft in Hamburg, im September 2001 den neunjährigen Dennis K. tötete, in einem Schullandheim in Wulsbüttel, Niedersachsen. Ein Pilzsammler fand die Leiche im Gebüsch.
Dass er auch, wie er jetzt gestand, den achtjährigen Dennis R. im Juli 1995 aus einem Zeltlager bei Schleswig entführte und seinen Körper Tage später im dänischen Sand vergrub. Und einst auch den 13-jährigen Stefan J. aus einem Internat „mitnahm“ und nicht leben ließ, damit er ihn nicht identifizieren konnte. Stefan, gefesselt, wurde von Spaziergängern gefunden. 8000 Spuren hat allein die „Soko Dennis“ verfolgt, zehn Jahre passte nichts davon zusammen, nun aber passt auf einmal alles.
Zeuge meldet sich erst neun Jahre später
Denn im Sommer 2010 meldet sich ein Soldat bei der Polizei; nach seiner Rückkehr aus dem Ausland erinnert er sich plötzlich an ein Auto mit einem verängstigten Kind darin. Es sei die Nacht gewesen, in der Dennis K. verschwand. Die Ermittler machen die Zeugenaussage öffentlich und bekommen noch am selben Abend Post: Der Absender berichtet, 1995 in seinem Elternhaus missbraucht worden zu sein. Zuvor habe er in einem Schullandheim einem Betreuer namens Martin aufmalen müssen, wo und wie er wohne.
Der Rest ist Kleinarbeit: N. wird gefunden und überwacht, er arbeitet jetzt in der Erwachsenenbildung; privat bestellt er Kinderkleidung im Internet. Ein Doppelleben. In der Asservatenkammer der Hamburger Polizei beugen sich die Kommissare über die vor Jahren bei N. beschlagnahmten Kinderporno-Bilder. Und finden unter tausenden Fotos auch dieses eine: gemacht zwei Jahre vor Dennis’ Tod im selben Schullandheim. Hier hatte der Maskenmann den kleinen Marco geweckt, nackt an eine Treppe gestellt, berührt und geknipst, später erging eine Anzeige gegen Unbekannt. Marco, inzwischen erwachsen, erkennt sich wieder.
Was ist mit den Kindern Nicky und Jonathan?
Wenig später wird sein Peiniger festgenommen. Es dauert ein wenig, bis er gesteht, die Missbrauchsfälle, die zum Teil verjährt sind, die drei Morde: Dennis, Stefan, Dennis. Allerdings gibt es da noch diese anderen toten Jungen. Nicky, 11, 1998 aus einem holländischen Ferienlager verschwunden und später in einem Waldstück gefunden. Und der zehnjährige Jonathan aus einem französischen Camp, den sie 2004 nach Wochen in einem Teich entdeckten. Martin N. will damit nichts zu tun haben. Beweise hat die Staatsanwaltschaft bislang nicht.