Dresden. Heute beginnt der Prozess gegen den Neonazi Alex W., der im Juli die schwangere Ägypterin Marwa El-Sherbini (31) im Gerichtssaal erstochen hatte, nachdem sie als Zeugin ausgesagt hatte. Die Staatsanwaltschaft wirft dem im russischen Perm geborenen Lagerarbeiter Mord und versuchten Mord vor.
Eigentlich wollten Marwa El-Sherbini und ihr Mann Elwy Ali Okaz jetzt Kisten und Koffer packen. Die Pharmazeutin und der Gen-Forscher planten die Rückkehr in ihre ägyptische Heimat. In Alexandria sollte ihr zweites Kind zur Welt kommen. Drei Jahre hatte die Familie der früheren Handball- Nationalspielerin in Bremen gelebt, dann zogen sie in den Osten. Okaz wurde Doktorand an einem Dresdener Institut, El-Sherbini arbeitete als Apothekerin in der Elbestadt. Innerhalb von drei Minuten wurde das Familienglück und die Geschichte einer gelungenen Integration im Dresdener Landgericht brutal zerstört. Die schwangere 31-jährige El-Sherbini war Anfang Juli als Zeugin im Prozess gegen den Russlanddeutschen Alex W. geladen. Unmittelbar nach ihrer Aussage stach der 28-Jährige mindestens 16 Mal auf die Mutter und ebenso oft auf ihren Mann ein – vor den Augen des kleinen Sohnes. Der Vorsitzende Richter, die Staatsanwältin, eine Justizbeamtin und zwei Schöffen griffen nicht ein und holten erst verspätet Hilfe. Ein Bundespolizist, der dann eintraf, schoss auf Okaz, den er für den Täter hielt. Marwa el-Sherbini starb noch im Gericht, ihr Mann überlebte schwer verletzt. Heute beginnt in jenem Gebäude der Prozess gegen Alex W..
Die Staatsanwaltschaft wirft dem im russischen Perm geborenen Lagerarbeiter Mord und versuchten Mord vor. Sie attestiert dem seit rund sechs Jahren in Deutschland lebenden, bekennenden NPD-Anhänger einen „ausgeprägten Hass auf Nichteuropäer und Moslems”. Der 28-Jährige, das geht aus der Anklageschrift hervor, ist schon öfter gewalttätig geworden, aber nicht vorbestraft. Ihm droht eine lebenslange Haft.
Die Bluttat hatte insbesondere in Ägypten und anderen islamischen Ländern für Wut und Empörung gesorgt und im Ausland zahlreiche unbequeme Fragen an die Bundesregierung ausgelöst, die den Fall anfangs zu ignorieren schien. Auch wurden offenbar von Islamisten via Internet Drohungen gegen den Angeklagten und Prozessbeteiligte ausgesprochen, die die sächsische Justiz alarmierten. Das Landgericht wird von Scharfschützen bewacht, Zufahrtstraßen sind ebenso gesperrt wie die Anwohnerparkplätze in der Umgebung. Aus Sicherheitsgründen findet heute nur dieser eine Prozess in einem mit Panzerglas ausgestatteten Gerichtssaal statt. Racheakte werden nicht ausgeschlossen.
Weltweit ist das Interesse riesengroß. An dem bis zum 11. November auf elf Verhandlungstage terminierten Verfahren werden allein ein gutes Dutzend Medienvertreter aus Ägypten, Russland, EU- und arabischen Staaten erwartet.