München. .

Behörden haben offenbar nun auch erhöhte Dioxin-Werte in Geflügelfleisch festgestellt. Bei den Futtermittelhersteller Harles und Jentzsch besteht der Verdacht des Betrugs und der Steuerhinterziehung.

Die Behörden haben einem Bericht des Magazins „Focus“ zufolge erstmals auch in Geflügelfleisch erhöhte Dioxin-Werte festgestellt. Wie das Magazin vorab unter Berufung auf einen Bericht des Verbraucherschutzministeriums in Berlin berichtet, ergaben Proben vom Fettgewebe von drei Legehennen einen Wert von 4,99 Pikogramm Dioxin pro Gramm Fleisch. Der erlaubte Höchstwert liegt demnach bei zwei Pikogramm. Aus welchem Betrieb die Hühner stammten, ist dem Bericht, den die Bundesregierung laut „Focus“ am Freitag nach Brüssel schickte, nicht zu entnehmen. Eine öffentliche Warnung habe es indes nicht gegeben, weil „keine unmittelbare gesundheitliche Beeinträchtigung durch den Verzehr zu erwarten sei“.

Einer Umfrage des Instituts Emnid für „Focus“ zufolge wollen Verbraucher angesichts des Dioxin-Skandals nun zunehmend Öko-Lebensmittel kaufen. In der Umfrage sagten 32 Prozent der Befragten, sie wichen wegen des Skandals auf Bio-Produkte aus. Besonders groß ist die Verunsicherung offenbar bei älteren Menschen: 44 Prozent der über 65-Jährigen gaben an, jetzt Waren aus ökologischer Landwirtschaft zu kaufen. Bisher kaufen demnach zehn Prozent der Konsumenten ständig Bio-Ware, 94 Prozent gelegentlich. Der Anteil an den Gesamtausgaben für Lebensmittel lag zuletzt bei 3,2 Prozent.

Minderwertige technische Mischfettsäure zu teurem Futterfett verarbeitet

Im Skandal um mit Dioxin verseuchtes Tierfutter gibt es neue Vorwürfe gegen den Futtermittelhersteller Harles und Jentzsch. Wie das Bielefelder „Westfalen-Blatt“ unter Berufung auf das niedersächsische Landwirtschaftsministerium berichtet, besteht der Verdacht des Betrugs und der Steuerhinterziehung. Der Verband der Lebensmittelkontrolleure (BVLK) forderte eine Kennzeichnung unsauber arbeitender Betriebe.

Ministeriumssprecher Gert Hahne sagte dem „Westfalen-Blatt“, vieles spreche dafür, dass das Unternehmen seine Kunden betrogen und minderwertige technische Mischfettsäure zu teurem Futterfett verarbeitet habe. Für eine Tonne Industriefett habe die Firma lediglich 500 Euro erlösen können, für eine Tonne Futterfett hätten die Kunden aber 1000 Euro bezahlen müssen. Hier liege der Verdacht der falschen Rechnungsstellung und somit der Steuerhinterziehung nahe.

Noch unklar war demnach der Zeitraum der Machenschaften. Das Tochterunternehmen von Harles und Jentzsch, die Spedition Lübbe im niedersächsischen Bösel, habe ihren Betrieb im Jahr 2005 aufgenommen. Jetzt müsse geprüft werden, seit wann bei der Spedition illegal Futterfett gelagert und hergestellt worden sei, das nicht für Tierfutter geeignet war.

Ermittlungen wegen Verstoßes gegen das Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch

Gegen die Geschäftsführer von Harles und Jentzsch sowie der Spedition Lübbe ermitteln die Staatsanwaltschaften Itzehoe und Oldenburg wegen Verstoßes gegen das Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch. Bei Durchsuchungen seien Unterlagen der vergangenen fünf Jahre sichergestellt worden, sagte der Sprecher der Staatsanwaltschaft Itzehoe, Ralph Döpper, dem „Westfalen-Blatt“.

Der BVLK-Vorsitzende Martin Müller sagte der „Frankfurter Rundschau“ vom Samstag, durch eine öffentliche Kennzeichnung unsauber arbeitender Firmen würden diese „angespornt, sich zu bessern“. Er berief sich auf eine Statistik, wonach in Deutschland „75 Prozent der Betriebe einwandfrei, die restlichen 25 Prozent weniger“ sauber arbeiteten.

Bei der Lebensmittelüberprüfung vermisse er zudem „mehr Kontrolleure“ und „einheitliche Regeln“. Noch immer habe jede Kommune unterschiedlich viele Prüfer, sagte Müller. Im Gespräch mit der „Welt“ sagte er zudem, bei den Kontrolleuren fehle der Nachwuchs. Grund dafür sei das zu geringe Gehalt. Nach Angaben des BVLK sind derzeit 2500 Kontrolleure für 1,1 Millionen Betriebe zuständig. Auch der Vorsitzende des Agrarausschusses im Bundestag, Hans-Michael Goldmann (FDP), forderte im „Tagesspiegel“ ein neues Kontrollsystem. Es reiche nicht, die Betriebe zu kontrollieren, auch der weitere Weg der Futtermittel müsse verfolgt werden.

Der Dioxin-Skandal hatte sich am Freitag erneut ausgeweitet. Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU) will sich am Montag mit Futtermittelherstellern und landwirtschaftlichen Verbänden treffen, um über Konsequenzen aus dem Skandal zu beraten. EU-Verbraucherkommissar John Dalli sprach von einer „sehr guten Zusammenarbeit“ mit den deutschen Behörden. Südkorea verhängte unterdessen ein Importverbot für deutsches Fleisch. Der „Süddeutschen Zeitung“ zufolge wurde sogar bereits versendete Ware wieder zurückgeschickt. Frankreich etwa hat nach Angaben des Landwirtschaftsministeriums bislang „keinen Hinweis“ auf Dioxin-belastete Produkte.

Kontrolleure: Unsaubere Betriebe an den Pranger stellen

Der Vorsitzende des Bundesverbandes der Lebensmittelkontrolleure (BVLK), Martin Müller, hat sich im Zuge des Dioxin-Skandals für eine Veröffentlichung unsauber arbeitender Betriebe ausgesprochen. Dadurch würden Firmen „angespornt, sich zu bessern“, sagte Müller der „Frankfurter Rundschau“. In Deutschland arbeiteten laut Statistik „75 Prozent der Betriebe einwandfrei, die restlichen 25 Prozent weniger. Darum brauchen wir eine Kennzeichnung, wie es sie in Dänemark gibt“, sagte Müller. „Seit Einführung der Bewertungs-Smileys ist die Zahl der Betriebe, die sauber arbeiten, gestiegen.“

Im System der Lebensmittelüberprüfung in Deutschland vermisste Müller zudem „mehr Kontrolleure“ sowie „einheitliche Regeln, denn momentan hat jede Kommune unterschiedlich viele Prüfer“. Auch die Trennung zwischen „privater und amtlicher Untersuchung“ sei „fraglich“: „Ein privates Labor hat doch auch wirtschaftliche Interessen. Würde es von sich aus dem Land die Unregelmäßigkeiten melden, bekäme es künftig keine Aufträge mehr“, sagte Müller.