Darmstadt. .

Nach Monaten der Untersuchungshaft und der Veröffentlichung vieler Details aus seinem Privatleben steht TV-Wettermann Jörg Kachelmann nun ab Montag vor Gericht. Angeklagt wegen des Verdachts auf schwere Vergewaltigung.

Bis zu jenem 20. März, als er von seiner Moderation bei den Olympischen Spielen in Vancouver zurückkehrte, hätte man ihm wohl alles abgekauft. Seine „Blumenkohlwolken“ ohnehin, aber vermutlich auch Staubsauger oder Versicherungen. Diverse Frauen, erstaunlich viele, wie sich bald herausstellen sollte, hatten an seine Liebe geglaubt. Mit der Festnahme auf dem Frankfurter Flughafen war er nicht mehr länger der liebenswert-tapsige Wettermann, sondern ein potenzieller Vergewaltiger. Ab Montag steht Jörg Kachelmann (52) nun vor Gericht, 13 Verhandlungstage sind angesetzt. Ganz Deutschland wird auf ihn sehen.

Schlacht der Gutachter

Monate hat er in Untersuchungshaft gesessen und seine Unschuld beteuert, während in die Öffentlichkeit immer neue Details seines Intimlebens sickerten, seiner erotischen Vorlieben. Es sei an diesem Abend im Februar eine ganz normale Trennung gewesen, sagt Kachelmann. Er habe ihr ein Messer an den Hals gedrückt, sie vergewaltigt und sie habe Todesängste ausstehen müssen, erzählt sie. Sie, das ist die 37-jährige S., Sabine oder Simone, wie sie in den Medien genannt wird, eine Radiomoderatorin, mit der Kachelmann elf Jahre lang auf schwer zu definierende Art und Weise liiert war.

Aussage steht also gegen Aussage, was nicht ungewöhnlich ist für einen Vergewaltigungsprozess. Einzig, dass die 5. Große Strafkammer des Landgerichts Mannheim über einen prominenten Menschen zu urteilen hat, über eine Fernseh-Größe, dessen altes Image so gar nicht mit der angeklagten Tat zusammenpassen mag. Und dass die Öffentlichkeit den Fall schon seziert hat, noch bevor das Gericht unter dem Vorsitz von Michael Seidling zusammentritt. „Es ist extrem schwierig, in einem Vergewaltigungsprozess die Wahrheit zu finden“, sagt auch Jürgen Möthrath, der Präsident des Verbandes deutscher Strafrechtler. Es gehe vor allem um die Glaubwürdigkeit beider, des vermeintlichen Opfers und des Angeklagten.

Ein Bild aus besseren Tagen: Meteorologe Jörg Kachelmann bei der Feier zum 10-Jähriges seiner Firma meteomedia.             Foto: Ingo Otto
Ein Bild aus besseren Tagen: Meteorologe Jörg Kachelmann bei der Feier zum 10-Jähriges seiner Firma meteomedia. Foto: Ingo Otto © WAZ FotoPool

Und so wird es wohl, wie schon im Vorfeld des Prozesses, zu einer Schlacht der Gutachter kommen. Von Staatsanwaltschaft oder Verteidigung beauftragt, werden sie die Ergebnisse ihrer Arbeit vortragen, „und am Ende wird sich das Gericht dem einen oder dem anderen anschließen“, so Möthrath.

Nur bedingt glaubwürdig

Was die Glaubwürdigkeit der beiden angeht: Er, der Wetterprophet, war unermüdlich durch das Land geeilt, von Wetterstation zu Wetterstation, und hatte zwischendurch die Frauen beglückt, ihnen die große Liebe geschworen. So viele Frauen, dass man im Nachhinein zu erahnen meint, warum er in den letzten Jahren zunehmend derangiert wirkte, wie einer, der keine Zeit mehr hat, sich um Äußerlichkeiten zu mühen. Er betrog also und log. Und sie, das vermeintliche Opfer, war doch nicht so ahnungslos, wie sie ausgesagt hatte. Sie wusste länger schon von einer Nebenbuhlerin, hatte zu ihr unter falschem Namen Kontakt aufgenommen. Informationen, die sie der Staatsanwaltschaft zunächst unterschlug.

Ist also, wie man auch spekulieren kann, alles nur der Racheakt einer enttäuschten Geliebten? Einer Frau, die dachte, sie sei die einzige und dann jäh aus ihrem Traum erwachte. Widersprüchlich sind auch die Gutachten, die für das Verfahren erstellt wurden. Da ist etwa die Bremer Psychologin Luise Greuel, die in ihrer von der Staatsanwaltschaft in Auftrag gegebenen Arbeit zu dem Schluss kommt, bei dem Verhalten Kachelmanns handele es sich womöglich um den Ausbruch eines ausgeprägten Narzissten, der nach schwerer Kränkung seiner Wut freien Lauf gelassen habe.

Vage Schilderungen

Gleichzeitig betont Greuel, dass die Schilderungen des Opfers zur Tat nur vage und oberflächlich seien, und manche Sachverhalte sogar handlungstechnisch unmöglich. Der Heidelberger Rechtsmediziner Mattern, der die 37-Jährige untersuchte, kommt zu dem Ergebnis, dass die Wunden sowohl von einer Vergewaltigung stammen, als auch von der Frau sich selbst zugefügt worden sein könnten.

Aussage gegen Aussage. Sollte Kachelmann vom Gericht für schuldig befunden werden, droht ihm bei schwerer Vergewaltigung eine Haftstrafe von mindestens fünf Jahren. Wer am Ende das Opfer dieses Prozesses sein wird, ist offen. Für das Tatopfer kann die Aussage vor Gericht, das Nachhaken bei intimsten Details, zur Tortur werden. Dass danach jedoch auch die berufliche Existenz eines zu Unrecht der Vergewaltigung Bezichtigten zerstört sein kann, das ist spätestens seit dem Fall des TV-Moderators Andreas Türck bekannt.