Bochum.
Wollen sie den Namen ihres Viertels oder ihrer Stadt im ARD-Wetterbericht lesen? Kein Problem. Die Firmen von Jörg Kachelmann machen’s möglich. Diese Werbung hat natürlich ihren Preis.
Es gibt ein Problem im Reich von Jörg Kachelmann, das nichts mit seinem Privatleben als Fernseh-Moderator zu tun hat. Es geht um mögliche Schleichwerbung in den Kachelmann-Sendungen und ein Unternehmensmodell seiner Firmen, das man steueroptimierend nennen kann.
Doch der Reihe nach: Die Fährte der möglicherweise unlauteren Werbung im Wetterbericht fängt in Bochum an. Dort unterhält Kachelmanns Schweizer Aktiengesellschaft Meteomedia seit einigen Jahren einen Ableger. Diese Bochumer Firma heißt auch Meteomedia. Die Verwechslungsgefahr zwischen beiden Unternehmen ist groß. Und das scheint auch gewollt. Die beiden Unternehmen treten in ihren Verträgen mit deutschen Partnern gerne gemeinsam als Schwesterfirmen auf, wenn es darum geht, neue Wetterstationen zu platzieren.
Wer den Namen seiner Stadt publik machen will, braucht nur eine Wetterstation
Die Verträge des Duos, die der WAZ-Mediengruppe vorliegen, haben es in sich. Da wird zunächst jeder neue Meteomedia-Partner verpflichtet, eine Wetterstation zu kaufen. Diese kostet in der Regel zwischen 18 300 und 23 500 Euro. Zusätzlich muss er die nötigen Grundstücke bereit stellen. Deren Wert schwankt nach Region. Zuletzt muss der Käufer den Unterhalt der Station bezahlen. Das kostet normalerweise zwischen 300 und 700 Euro im Jahr. Das genannte Geld geht in den meisten Fällen an Dienstleister, mit denen Meteomedia kooperiert. Insgesamt haben die Wettermänner nach eigenen Angaben über 1000 Stationen unter Kontrolle.
Im Gegenzug bekommt der Käufer der Station vertraglich zugesichert, dass seine Station im öffentlich-rechtlichen Wetterbericht auftaucht. Wörtlich heißt es: „Meteomedia verpflichtet sich, in den von ihr produzierten oder belieferten Wettersendungen Standort und Messwert der Wetterstation in einem Laufband (Crawl) abwechselnd mit anderen Stationen aufführen zu lassen.“
Übersetzt bedeutet dieser Passus: Wer den Namen seines Viertel oder seiner Stadt im Umfeld der Tagesschau lesen will, braucht nur eine Wetterstation über Meteomedia zu kaufen, den Rest erledigen die freundlichen Kachelmänner. Und zackig tauchen Appolda, Kemnader See, Fröndenberg oder Gelsenkirchen im Wetterbericht auf, moderiert vom charmanten Alexander Lehmann.
Welchen Nutzen hat der Deal für Kachelmanns Firma?
In den Kommunen sorgt die TV-Präsenz für Jubel: Damit nicht genug. Wenn der Käufer es wünscht, verpflichtet sich Meteomedia einen der Starmoderatoren wie Sven Plöger zur feierlichen Eröffnung der Anlage zu schicken. Nicht überraschend setzen deshalb oft Gemeinderäte, Behörden oder kommunale Unternehmen den Namen ihrer Stadt in den Wetterbericht. Wie etwa in Soest. Dort freuten sich die Stadtwerke am 5. September 2008, dass Claudia Kleinert, die „bekannte Fernseh-, Online- und Radiomoderatorin“ die örtliche Station „offiziell eingeweiht hat.“ Und weiter: „Die Temperaturen der Soester Station sind auch in die Wetterlaufleiste des WDR-Fernsehens aufgenommen worden.“ Die Werbung war damit gesichert.
Welchen Nutzen hat aber der beschrieben Deal für Kachelmanns Firma selbst, wenn das Bargeld an Partnerfirmen geht? Nun: Meteomedia handelt mit Daten. Um möglichst viele zu gewinnen, baut das Unternehmen aggressiv sein Netz von Wetterstationen auf. Und wer seinen Platz in der ARD erworben hat, hat sich gleichzeitig verpflichtet, seine Daten an Meteomedia zu liefern. Wieder übersetzt bedeutet das: Kachelmanns Firma expandiert ihr Wetternetz mit Hilfe von Präsentationen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk.
Die Daten erfüllen aber noch einen anderen Zweck. Kachelmanns Bochumer Firma Meteomedia macht nicht nur die Wetterarbeit für das erste Programm. Sie verkauft ihre Wetterberichte auch an Firmen, die diese Daten etwa für den Stromhandel brauchen – um zu wissen, wie heiß oder kalt ein Tag wird, wie viel Energie also verkauft oder gekauft werden muss. Erstaunlicherweise aber macht die Bochumer Meteomedia kaum Gewinne. In ihrer Bilanz weißt sie sogar regelmäßig eine bilanzielle Überschuldung aus. In den aktuell verfügbaren Zahlen liegt diese Überschuldung bei etwa 2,4 Millionen Euro. Steuern fallen in Deutschland deshalb kaum an. Was passiert mit den Einnahmen aus den Geschäften?
Rund 15 Millionen Euro Umsatz im Jahr
Nun, zunächst kommen die Wetterstationen zum Einsatz: Die Anlagen aus Deutschland liefern ihre Daten in der Regel in die Schweiz zur dortigen Meteomedia, wie ein Firmeninsider berichtet. In der Schweiz würden die Daten „aufbereitet“ und zurück an die Bochumer Tochter verkauft. Das bedeutet: Einiges von den Einnahmen aus Deutschland fließt als Betriebsausgabe für den Dateneinkauf in die Schweiz. Gleichzeitig werden in Bochum die zu versteuernden Gewinne reduziert.
Das Geld für die öffentlich-rechtliche Fernseharbeit lässt sich Kachelmanns Firma zudem in die Schweiz schicken, wie ein Insider berichtet. Von dort aus werden dann die Bochumer bezahlt, die vor Ort die Arbeiten erledigt. Auch dieses Modell ist geeignet, Einnahmen steueroptimiert zu lenken.
In der Schweiz ist auch von einer bilanziellen Überschuldung nicht die Rede. Kachelmanns Wetterfirmenkomplex soll einen Umsatz von rund 15 Mio Euro im Jahr machen, wie es aus dem Unternehmen heißt. Den Angaben zu folge lag der Gewinn im vergangenen Jahr bei rund 4 Mio. Euro. Offizielle Finanzinformationen aus der Schweiz gibt es nicht. Kachelmanns Gruppe macht um die eigene Bilanz ein Geheimnis. Auch auf wiederholte Anfrage zu den Geschäften in Deutschland wollte man sich nicht äußern.
Wettermachen als praktische Werbung
In der ARD ist der WDR für die Arbeit von Kachelmanns Meteomedia verantwortlich. Dort heißt es, die vertraglich verpflichtende Präsentation von Wetterstationseröffnungen im Fernsehen sei seit 2006 untersagt.
Damals hatten sich Gemeinden wie Unna über Meteomedia-Deals gefreut. Die Unnaer Stadtwerke hatten damals etwa eine Wetterstation und damit Werbeplatz im ersten Programm gekauft. Zur Eröffnung sagte der örtliche Bürgermeister Werner Kolter: „Die Unnaer Bürgerinnen und Bürger haben natürlich sofort wahrgenommen, dass im Laufband auf den Bildschirmen jetzt auch Unnaer Wetterdaten dabei sind.“ Und Star-Meterologe Lehmann bestätigte in einer offiziellen Pressemiteilung, das Wettermachen sei auch praktische Werbung. So habe vor dem Start der Kachelmannstation auf Hiddensee kaum jemand die Ostsee-Insel gekannt, danach aber habe der Tourismus einen richtigen Bekanntheitsboom erlebt. Die Eröffnung der Unnaer Wetterstation wurde am 22. Mai 2006 um 19:48 im Ersten Programm gesendet, wie in Unna stolz berichtet wurde.
Zum aktuellen Problem mit den Namen im Laufband teilt der WDR mit: „Sollte die Meteomedia vertragliche Verpflichtungen eingegangen sein, die vorsehen, dass Kommunen, Firmen und Organisationen als Gegenleistung für die Errichtung und Instandhaltung der Wetterstationen eine mediale Präsenz erhalten, würde dies die redaktionelle Unabhängigkeit einschränken.“ Der WDR sagt deshalb, den Vorwürfen werde nachgehen.
Verknüpfung mit Werbung im Internet
Allerdings sei es fraglich, ob es im Zusammenhang mit den Wetternachrichten und der Verbreitung der Messdaten von einzelnen Wetterstationen überhaupt Schleichwerbung geben könne. „Die Darstellung von Produkten oder Dienstleistungen ist hier nicht gegeben.“ Dass einzelne Wetterstationen mit dem Namen ihres Standorts benannt würden, „ist im Sinne der Zuschauerinformation nicht nur sinnvoll, sondern unerlässlich und wetterdienstüblich.“ Es würden keine „Werbeplätze im Programm“ angeboten.
Naja. Nach den Unterlagen, die der WAZ-Mediengruppe vorliegen, verpflichtet sich Meteomedia vertraglich, „nach Möglichkeit“ die Wetterstationen in das eigene Internetangebot zu integrieren. Dieses wird dann unter anderem auf den Seiten der ARD eingebunden. Dort lassen sich dann zum Beispiel folgende Anlagen als „ARD-Wetterstationen“ finden: „Baden-Baden Brenners Parkhotel“, „Dahme - Technikhandel Kreißler“ oder „Köln-Porz-Wahn-Reifen Johann“. Ob es dem Zuschauer unerlässlich ist, wenn er weiß, dass es bei „Reifen Johann“ in Köln-Porz regnet?
Kachelmanns Firmen wollten nichts zu den Geschäften in Deutschland sagen.