Nachterstedt. Die Ursache des verheerenden Erdrutsches von Nachterstedt ist auch drei Tage nach der Katastrophe noch völlig unklar. Im abgesperrten Bereich bis 30 Meter hinter der Bruchkante sind neue Risse im Erdreich aufgetreten - der Hang bewegt sich noch immer.

Die Lage in Nachterstedt in Sachsen-Anhalt bleibt auch vier Tage nach dem Erdrutsch weiter angespannt. Experten haben neue Risse im Boden festgestellt - auch an weiter entfernt stehenden Häusern. Landrat Ulrich Gerstner (SPD) sagte am Dienstag, den betroffenen Bewohnern solle nun unbürokratisch geholfen werden. Katastrophenforscher fordern derweil, angesichts des Klimawandels die Folgerisiken des Bergbaus neu zu bewerten.

Der Leiter der Katastrophen-Forschungsstelle an der Universität Kiel, Wolf Rüdiger Dombrowsky, sagte, die Gesellschaft sei kaum in der Lage, sämtliche Risiken in Bergbauregionen zu erfassen. Erst, wenn etwas passiert sei, habe man eine Art Eingrenzungsmechanismus und wisse, wonach man überhaupt suchen müsse. So müsse man beispielsweise durch den zunehmenden extremen Starkregen Gedanken machen über das Abführen des Oberflächenwassers.

Flutwelle könnte entstehen

Starke Regenfälle als Ursache des Unglücks vom Samstag schloss Gerhard Jost vom Landesamt für Geologie aus. «Es gibt viele Vermutungen, aber die Sachverständigen wissen nicht, was die konkrete Ursache ist», sagte er am Dienstag in Nachterstedt.

Experten der Bergbaubehörde gehen laut Jost davon aus, dass sich wegen der steilstehenden Böschung die Bruchkante weiter ins Landesinnere ausdehnen könnte und weitere Gebäude in Mitleidenschaft gezogen würden. Bis sich der Winkel der Böschung normalisiert habe, könnten Monate vergehen.

Bei weiteren Abbrüchen könne nicht ausgeschlossen werden, dass sich eine Flutwelle auf dem Concordia-See bilde, die Personen auf dem See oder am Ufer gefährden könne, hieß es. Deshalb blieben vorerst auch der gesamte See und ufernahe Bereiche gesperrt. Es werde rund um die Uhr ein Wachdienst im Einsatz sein, der die gesperrten Bereiche kontrolliert, sagte Landrat Gerstner. In der Nacht zum Dienstag seien dennoch vier Personen auf das abgesperrte Gelände gelangt.

Acht Häuser bedroht

Spekulationen, der gesamte Ort müsse dauerhaft umziehen, wies Gerstner zurück. Betroffen seien acht Häuser auf dem Gebiet der künstlich aufgeschütteten Böschung. Deren Bewohnern solle schnell und unbürokratisch geholfen werden. Er zeigte sich zuversichtlich, dass sie zügig neue Wohnungen in Nachterstedt finden könnten.

Unterdessen drückten Parteienvertreter den Opfern und den Betroffenen der Katastrophe von Nachterstedt ihr Mitgefühl aus. Jetzt gelte es, den Menschen, die ihr Heim verloren haben, weiter jede mögliche Unterstützung zu gewähren, sagte Thomas Drzisga von den Linken. Bereits am Montag hatte der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU-Landtagsfraktion, Detlef Gürth, den Betroffenen sein Mitgefühl ausgesprochen und den Rettungskräften für ihren Einsatz gedankt.

Das rund 50 000 Quadratmeter große Uferareal war am Samstag weggebrochen. Drei Menschen wurden dabei verschüttet. Die Suche nach ihnen wurde inzwischen aufgegeben. (ddp)